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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Margarethe von Navarra.

licher, ein Bürger oder ein Bauer, Er kann zum dramatischen Helden und seine
That poetisch verherrlicht werden, denn er ist ein Mensch, Der "politische
Mörder" aber kann nie zum dramatischen Helden werden, denn er ist entweder
ein Verrückter oder eine bösartige, des einfachsten sittlichen Gefühles bare Bestie.

Möchte um dieses kurzen Resultates willen die Untersuchung über das
politische Bekenntnis unsers großen Dichters nicht als zu umständlich befunden
werden. Sie erschien in allen Teilen zu diesen: Zwecke durchaus notwendig.
Vielleicht ist sie dem und jenem willkommen, dem bei dem vulgären Geschwätz
von Schillers Demokratie mit dem Gefühle der Unrichtigkeit nicht gleich das
nötige Bcmcismaterial aufsteigt. Ob dasselbe freilich imstande sein wird, zu
überzeugen, dafür können mir bei der modernen Ausdehnung der Uberzeugungs-
treue auf alle Gebiete nicht mehr einstehen.




Margarethe von Navarra.

meer den Frauen, die sich in der französischen Geschichte des sech¬
zehnten Jahrhunderts einen Namen erworben haben, sei es durch
weibliche Tugenden, sei es durch fast männliche Hcrrschergabe,
heben sich zwei Gestalten als ganz besonders geartet hervor:
Margarethe von Navarra und ihre Tochter Johanna. Inmitten
der Greuel- und Blutszenen, welche die damalige Geschichte Frankreichs füllen,
gewährt das edle Bild dieser königlichen Frauen doppelte Freude. An einer
guten Lebensbeschreibung Margarethens fehlte es bisher in Deutschland. Umso
dankbarer müssen wir es begrüßen, daß ein so berufener Mann wie Lotheißen
an das Unternehmen, uns ihr Leben zu schildern, herangetreten ist.*) In
glücklich gewählter Form, die dem Gelehrten durch zahlreiche Quellennachweise
eingehendere Forschungen ermöglicht und zugleich einem weircrn Leserkreise eine
ansprechende Erzählung bietet, hat er seine Aufgabe in jeder Beziehung vor¬
trefflich gelöst.

Königin Margarethe war das älteste Kind des Grafen Karl von AngvulSme,
im Jahre 1492 geboren, ihr Bruder, der nachmalige König Franz, war zwei
Jahre jünger. Ihre Familien Verhältnisse waren die glänzendsten, ihr Vater
war ein Sprosse der Orleans, ihre Mutter Louise stammte aus dem Hause



*) Königin Margarethe von Navarra. Ein Kultur- und Literaturbild aus der
Zeit der französischen Reformation von Ferdinand Lotheißen, Berlin, Allgemeiner
Verein für deutsche Literatur, 1885,
Margarethe von Navarra.

licher, ein Bürger oder ein Bauer, Er kann zum dramatischen Helden und seine
That poetisch verherrlicht werden, denn er ist ein Mensch, Der „politische
Mörder" aber kann nie zum dramatischen Helden werden, denn er ist entweder
ein Verrückter oder eine bösartige, des einfachsten sittlichen Gefühles bare Bestie.

Möchte um dieses kurzen Resultates willen die Untersuchung über das
politische Bekenntnis unsers großen Dichters nicht als zu umständlich befunden
werden. Sie erschien in allen Teilen zu diesen: Zwecke durchaus notwendig.
Vielleicht ist sie dem und jenem willkommen, dem bei dem vulgären Geschwätz
von Schillers Demokratie mit dem Gefühle der Unrichtigkeit nicht gleich das
nötige Bcmcismaterial aufsteigt. Ob dasselbe freilich imstande sein wird, zu
überzeugen, dafür können mir bei der modernen Ausdehnung der Uberzeugungs-
treue auf alle Gebiete nicht mehr einstehen.




Margarethe von Navarra.

meer den Frauen, die sich in der französischen Geschichte des sech¬
zehnten Jahrhunderts einen Namen erworben haben, sei es durch
weibliche Tugenden, sei es durch fast männliche Hcrrschergabe,
heben sich zwei Gestalten als ganz besonders geartet hervor:
Margarethe von Navarra und ihre Tochter Johanna. Inmitten
der Greuel- und Blutszenen, welche die damalige Geschichte Frankreichs füllen,
gewährt das edle Bild dieser königlichen Frauen doppelte Freude. An einer
guten Lebensbeschreibung Margarethens fehlte es bisher in Deutschland. Umso
dankbarer müssen wir es begrüßen, daß ein so berufener Mann wie Lotheißen
an das Unternehmen, uns ihr Leben zu schildern, herangetreten ist.*) In
glücklich gewählter Form, die dem Gelehrten durch zahlreiche Quellennachweise
eingehendere Forschungen ermöglicht und zugleich einem weircrn Leserkreise eine
ansprechende Erzählung bietet, hat er seine Aufgabe in jeder Beziehung vor¬
trefflich gelöst.

Königin Margarethe war das älteste Kind des Grafen Karl von AngvulSme,
im Jahre 1492 geboren, ihr Bruder, der nachmalige König Franz, war zwei
Jahre jünger. Ihre Familien Verhältnisse waren die glänzendsten, ihr Vater
war ein Sprosse der Orleans, ihre Mutter Louise stammte aus dem Hause



*) Königin Margarethe von Navarra. Ein Kultur- und Literaturbild aus der
Zeit der französischen Reformation von Ferdinand Lotheißen, Berlin, Allgemeiner
Verein für deutsche Literatur, 1885,
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[0168] Margarethe von Navarra. licher, ein Bürger oder ein Bauer, Er kann zum dramatischen Helden und seine That poetisch verherrlicht werden, denn er ist ein Mensch, Der „politische Mörder" aber kann nie zum dramatischen Helden werden, denn er ist entweder ein Verrückter oder eine bösartige, des einfachsten sittlichen Gefühles bare Bestie. Möchte um dieses kurzen Resultates willen die Untersuchung über das politische Bekenntnis unsers großen Dichters nicht als zu umständlich befunden werden. Sie erschien in allen Teilen zu diesen: Zwecke durchaus notwendig. Vielleicht ist sie dem und jenem willkommen, dem bei dem vulgären Geschwätz von Schillers Demokratie mit dem Gefühle der Unrichtigkeit nicht gleich das nötige Bcmcismaterial aufsteigt. Ob dasselbe freilich imstande sein wird, zu überzeugen, dafür können mir bei der modernen Ausdehnung der Uberzeugungs- treue auf alle Gebiete nicht mehr einstehen. Margarethe von Navarra. meer den Frauen, die sich in der französischen Geschichte des sech¬ zehnten Jahrhunderts einen Namen erworben haben, sei es durch weibliche Tugenden, sei es durch fast männliche Hcrrschergabe, heben sich zwei Gestalten als ganz besonders geartet hervor: Margarethe von Navarra und ihre Tochter Johanna. Inmitten der Greuel- und Blutszenen, welche die damalige Geschichte Frankreichs füllen, gewährt das edle Bild dieser königlichen Frauen doppelte Freude. An einer guten Lebensbeschreibung Margarethens fehlte es bisher in Deutschland. Umso dankbarer müssen wir es begrüßen, daß ein so berufener Mann wie Lotheißen an das Unternehmen, uns ihr Leben zu schildern, herangetreten ist.*) In glücklich gewählter Form, die dem Gelehrten durch zahlreiche Quellennachweise eingehendere Forschungen ermöglicht und zugleich einem weircrn Leserkreise eine ansprechende Erzählung bietet, hat er seine Aufgabe in jeder Beziehung vor¬ trefflich gelöst. Königin Margarethe war das älteste Kind des Grafen Karl von AngvulSme, im Jahre 1492 geboren, ihr Bruder, der nachmalige König Franz, war zwei Jahre jünger. Ihre Familien Verhältnisse waren die glänzendsten, ihr Vater war ein Sprosse der Orleans, ihre Mutter Louise stammte aus dem Hause *) Königin Margarethe von Navarra. Ein Kultur- und Literaturbild aus der Zeit der französischen Reformation von Ferdinand Lotheißen, Berlin, Allgemeiner Verein für deutsche Literatur, 1885,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/168>, abgerufen am 22.07.2024.