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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Scharnhorsts Loben bis zu seinem Gintritt in den preußischen Dienst.

zeichnete sich darin so aus, daß er es bis zum Wachtmeister, ja sogar bis zum
Quartiermeister brachte. Als er nach Beendigung des Krieges nach seinem
heimatlichen Dorfe zurückkehrte, ein schöner und gewandter Mann, gewann er
bald die Liebe der jüngsten Tochter des reichen und stolzen Rittergutsbesitzers
Johann David Tegtmcier, mit der er, obgleich ihre Familie die grössten
Schwierigkeiten machte, doch am 31. August 1752 den Bund fürs Leben schloß.
Unser Held, der in der Taufe die Namen Gerhard Johann David empfing,
kam am 12. November 1735 zur Welt. Seine erste Jugendzeit war keine
rosige: sein Vater, der anfänglich in Hnmelsee, dann in Bordenau als Pächter
ein Gütchen bebaute, hatte schwer zu ringen, um seiner in stetem Wachstum
begriffenen Familie den Unterhalt zu schaffen; sein Wunsch, das Gut seines
1759 gestorbenen Schwiegervaters an sich zu bringen, trug ihm einen wegen
seiner Langwierigkeit kostspieligen Prozeß ein; auch spielte ihm eine Feuersbrunst
arg mit. Daß er unter diesen Umständen nicht allzuviel auf die Erziehung
seiner Kinder verwenden konnte, ist klar. Aus diesem Grunde konnte er auch
zunächst seinen ältesten Sohn nicht die höhere militärische Laufbahn einschlagen
lassen, woran dieser von frühester Jugend auf gedacht hatte; er ließ ihn Land¬
wirt werden, doch konnte und wollte er anch nicht verhindert?, daß er von einem
alten Hauptmanne Unterricht in militärischen Dingen und vor allem in der
Mathematik empfing, sowie überhaupt jede Gelegenheit ergriff, um die Lücken
seiner mangelhaften Bildung auszufüllen. Als aber der alte Scharnhorst im
Jahre 1772 den Prozeß gewann und damit Besitzer des Tegtmeierschen Gutes
und als solcher Mitglied der kalenbergischen Landschaft wurde, setzte er, zumal
da er sich ebenso gut wie die Mieder Herren dünkte, seinen Ehrgeiz darein,
seinen Sohn die militärische Laufbahn einschlagen zu lassen. Es schien ihm am
besten, ihn in die Dienste des Grafen Wilhelm zu Schaumburg zu bringen.

Dieser Fürst, welcher den aufklärerischen Ideen seiner Zeit leidenschaftlich
anhing -- hatte er doch seine Regententhätigkeit in Bückeburg mit der Wehr-
haftmachung seiner Unterthanen begonnen --, war ein großes militärisch-orga>
nisatorisches Genie. Nicht genng, daß er sich ein für heilt Ländchen viel zu
großes stehendes Heer geschaffen, entschloß er sich auch, eine kleine, zunächst aus
zwölf Kadetten berechnete Schule zur Heranbildung von Artillerieoffizieren ins
Leben zu rufen; denn er war nämlich einer der wenigen, welche die hohe Be¬
deutung, die die Artillerie gewinnen könnte, erkannt hatten. Bis in die Zeit
des siebenjährigen Krieges war nämlich die Artillerie allgemein "als ein die
Munition verfertigendes, die Vorräte besorgendes, das Geschütz bedienendes
Handwerk angesehen worden, zu welchem mechanische Köpfe und gute, unver¬
drossene Arbeiter und Aufseher gehörten." Erst in jenem Kriege war "die
Artillerie in Disziplin und Verfassung mit den übrigen Waffen auf gleichen
Fuß gebracht" worden. Wie sehr sich Graf Wilhelm für die Ausbildung der
Artillerieoffiziere interessirte, geht daraus hervor, daß er selbst die "Reglements"


Scharnhorsts Loben bis zu seinem Gintritt in den preußischen Dienst.

zeichnete sich darin so aus, daß er es bis zum Wachtmeister, ja sogar bis zum
Quartiermeister brachte. Als er nach Beendigung des Krieges nach seinem
heimatlichen Dorfe zurückkehrte, ein schöner und gewandter Mann, gewann er
bald die Liebe der jüngsten Tochter des reichen und stolzen Rittergutsbesitzers
Johann David Tegtmcier, mit der er, obgleich ihre Familie die grössten
Schwierigkeiten machte, doch am 31. August 1752 den Bund fürs Leben schloß.
Unser Held, der in der Taufe die Namen Gerhard Johann David empfing,
kam am 12. November 1735 zur Welt. Seine erste Jugendzeit war keine
rosige: sein Vater, der anfänglich in Hnmelsee, dann in Bordenau als Pächter
ein Gütchen bebaute, hatte schwer zu ringen, um seiner in stetem Wachstum
begriffenen Familie den Unterhalt zu schaffen; sein Wunsch, das Gut seines
1759 gestorbenen Schwiegervaters an sich zu bringen, trug ihm einen wegen
seiner Langwierigkeit kostspieligen Prozeß ein; auch spielte ihm eine Feuersbrunst
arg mit. Daß er unter diesen Umständen nicht allzuviel auf die Erziehung
seiner Kinder verwenden konnte, ist klar. Aus diesem Grunde konnte er auch
zunächst seinen ältesten Sohn nicht die höhere militärische Laufbahn einschlagen
lassen, woran dieser von frühester Jugend auf gedacht hatte; er ließ ihn Land¬
wirt werden, doch konnte und wollte er anch nicht verhindert?, daß er von einem
alten Hauptmanne Unterricht in militärischen Dingen und vor allem in der
Mathematik empfing, sowie überhaupt jede Gelegenheit ergriff, um die Lücken
seiner mangelhaften Bildung auszufüllen. Als aber der alte Scharnhorst im
Jahre 1772 den Prozeß gewann und damit Besitzer des Tegtmeierschen Gutes
und als solcher Mitglied der kalenbergischen Landschaft wurde, setzte er, zumal
da er sich ebenso gut wie die Mieder Herren dünkte, seinen Ehrgeiz darein,
seinen Sohn die militärische Laufbahn einschlagen zu lassen. Es schien ihm am
besten, ihn in die Dienste des Grafen Wilhelm zu Schaumburg zu bringen.

Dieser Fürst, welcher den aufklärerischen Ideen seiner Zeit leidenschaftlich
anhing — hatte er doch seine Regententhätigkeit in Bückeburg mit der Wehr-
haftmachung seiner Unterthanen begonnen —, war ein großes militärisch-orga>
nisatorisches Genie. Nicht genng, daß er sich ein für heilt Ländchen viel zu
großes stehendes Heer geschaffen, entschloß er sich auch, eine kleine, zunächst aus
zwölf Kadetten berechnete Schule zur Heranbildung von Artillerieoffizieren ins
Leben zu rufen; denn er war nämlich einer der wenigen, welche die hohe Be¬
deutung, die die Artillerie gewinnen könnte, erkannt hatten. Bis in die Zeit
des siebenjährigen Krieges war nämlich die Artillerie allgemein „als ein die
Munition verfertigendes, die Vorräte besorgendes, das Geschütz bedienendes
Handwerk angesehen worden, zu welchem mechanische Köpfe und gute, unver¬
drossene Arbeiter und Aufseher gehörten." Erst in jenem Kriege war „die
Artillerie in Disziplin und Verfassung mit den übrigen Waffen auf gleichen
Fuß gebracht" worden. Wie sehr sich Graf Wilhelm für die Ausbildung der
Artillerieoffiziere interessirte, geht daraus hervor, daß er selbst die „Reglements"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/16>, abgerufen am 22.07.2024.