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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens.

See verhieß einen hellen Herbsttag, wie ihn der Gutsherr gestern Abend
prophezeit hatte. Manuel Barreto schaute mit Angen über den Wall, die Düne,
die Flut hinweg, als. ob er dieses Ausblickes zum erstenmale froh werde, Ca¬
moens fühlte nach, was ihn in diesem Augenblicke bewegen mußte. So
dumpf und verworren ihm selbst zu Mute war, widerstand er der warmen
Regung nicht, die ihn antrieb, Manuel in die Arme zu schließen nud ihm
zu sagen: Nehmt diesen Morgen als eine gewisse Verheißung! Das neue
Leben und das Gluck, die Euch aufgehen, werden so beständig sein, als irgend
ein irdisches ist.

Barreto nickte ihm dankend zu und sah wieder mit glänzenden Augen über
den schimmernden Flutspiegel hin. Seltsam ists, entgegnete er, ich darf so wenig
sagen, daß ich dies Glück ersehnt, als daß ich es verdient habe. Und doch ist
mir jetzt, als hätte es kommen müssen, als fülle der Wundervogel mit den
goldnen Schwingen das Nest mir ans, das ich ihm längst bereitet.

In Camoens' Brust fanden die träumerischen Worte des älteren Freundes
einen Wiederhall, den Barreto nicht wecken wollte, noch ahnte. Camoens rief
es nicht laut, aber in ihm klang es unablässig: Und ich -- ich habe dies Glück
ersehnt mit jeder Kraft meiner Seele, jedem Tropfen meines Bluts -- warum
sollte es mir nicht zu Teil werden? Deutlicher als die Morgenglocken, welche
jetzt aus den Thälern von Ponedo und Collares in die Stille hier hereintönten,
vernahm Camoens diese innere Stimme, sie schwieg anch nicht, als Esmah in
lieblicher Verschämtheit unter der Platane erschien und mit glücklich erstaunten
Gesicht um sich und in die schimmernde, bewegte Ferne hinaussah. Als dann
König Diniz' Baum sein Laubdach über sie wölbte, der Glockenklang und das
gleichmäßige Rauschen des Meeres zu den Bänken herdrang, ans denen sich
Barreto neben Esmah und Camoens beiden gegenüber niederließen, stillte sich
seine innere wilde Erregung auf Minuten, er vermochte es, dem Verlobten Paar
ruhigen Anteil zu zeigen. Er selbst riet Barreto die Trauung nicht um einen
Tag zu verzögern, da er doch an eine laute, rauschende Hochzeit nicht denken, und
Esmah als Gemcihliu eines angesehenen portugiesischen Edelmannes in größerer
Sicherheit sein werde. Senhor Manuel sah fragend auf Esmah, diese aber
flüsterte ihm zu, daß sein Wunsch und Wille auch der ihre sei. So sagte denn
der Gutsherr mit beglücktem Blick auf Esmah, mit dankbarem auf Camoens:
Ihr habt Recht, und alles fügt sich glücklich. Pater Henriques, welcher Esmah
die Taufe erteilt hat. ist uach dem Tode Dom Antonios, des Marschalls, ans
seine Pfarre in Collares zurückgekehrt, er wird nicht zögern, uns zu trauen.
Wir brauchen keine Zeugen -- Ihr werdet der einzige sein, Luis, und da es
sonst keiner Vorbereitungen bedarf, so reite ich gleich jetzt zu dem guten Priester
hinüber, und ehe die Sonne dort ins Meer niedergeht, können wir verbunden sein.

Er legte -- zum erstenmale in Camoens' Gegenwart und auch jetzt nur
auf einen flüchtigen Augenblick -- den Arm um Esmcchs schlanken Leib. Camoens


Camoens.

See verhieß einen hellen Herbsttag, wie ihn der Gutsherr gestern Abend
prophezeit hatte. Manuel Barreto schaute mit Angen über den Wall, die Düne,
die Flut hinweg, als. ob er dieses Ausblickes zum erstenmale froh werde, Ca¬
moens fühlte nach, was ihn in diesem Augenblicke bewegen mußte. So
dumpf und verworren ihm selbst zu Mute war, widerstand er der warmen
Regung nicht, die ihn antrieb, Manuel in die Arme zu schließen nud ihm
zu sagen: Nehmt diesen Morgen als eine gewisse Verheißung! Das neue
Leben und das Gluck, die Euch aufgehen, werden so beständig sein, als irgend
ein irdisches ist.

Barreto nickte ihm dankend zu und sah wieder mit glänzenden Augen über
den schimmernden Flutspiegel hin. Seltsam ists, entgegnete er, ich darf so wenig
sagen, daß ich dies Glück ersehnt, als daß ich es verdient habe. Und doch ist
mir jetzt, als hätte es kommen müssen, als fülle der Wundervogel mit den
goldnen Schwingen das Nest mir ans, das ich ihm längst bereitet.

In Camoens' Brust fanden die träumerischen Worte des älteren Freundes
einen Wiederhall, den Barreto nicht wecken wollte, noch ahnte. Camoens rief
es nicht laut, aber in ihm klang es unablässig: Und ich — ich habe dies Glück
ersehnt mit jeder Kraft meiner Seele, jedem Tropfen meines Bluts — warum
sollte es mir nicht zu Teil werden? Deutlicher als die Morgenglocken, welche
jetzt aus den Thälern von Ponedo und Collares in die Stille hier hereintönten,
vernahm Camoens diese innere Stimme, sie schwieg anch nicht, als Esmah in
lieblicher Verschämtheit unter der Platane erschien und mit glücklich erstaunten
Gesicht um sich und in die schimmernde, bewegte Ferne hinaussah. Als dann
König Diniz' Baum sein Laubdach über sie wölbte, der Glockenklang und das
gleichmäßige Rauschen des Meeres zu den Bänken herdrang, ans denen sich
Barreto neben Esmah und Camoens beiden gegenüber niederließen, stillte sich
seine innere wilde Erregung auf Minuten, er vermochte es, dem Verlobten Paar
ruhigen Anteil zu zeigen. Er selbst riet Barreto die Trauung nicht um einen
Tag zu verzögern, da er doch an eine laute, rauschende Hochzeit nicht denken, und
Esmah als Gemcihliu eines angesehenen portugiesischen Edelmannes in größerer
Sicherheit sein werde. Senhor Manuel sah fragend auf Esmah, diese aber
flüsterte ihm zu, daß sein Wunsch und Wille auch der ihre sei. So sagte denn
der Gutsherr mit beglücktem Blick auf Esmah, mit dankbarem auf Camoens:
Ihr habt Recht, und alles fügt sich glücklich. Pater Henriques, welcher Esmah
die Taufe erteilt hat. ist uach dem Tode Dom Antonios, des Marschalls, ans
seine Pfarre in Collares zurückgekehrt, er wird nicht zögern, uns zu trauen.
Wir brauchen keine Zeugen — Ihr werdet der einzige sein, Luis, und da es
sonst keiner Vorbereitungen bedarf, so reite ich gleich jetzt zu dem guten Priester
hinüber, und ehe die Sonne dort ins Meer niedergeht, können wir verbunden sein.

Er legte — zum erstenmale in Camoens' Gegenwart und auch jetzt nur
auf einen flüchtigen Augenblick — den Arm um Esmcchs schlanken Leib. Camoens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/644>, abgerufen am 03.07.2024.