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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens.

Beide Freunde standen jetzt vor der Thür, hinter der sie die Stimmen
Esmahs und ihrer neuen Dienerinnen hörten und unterschieden. Barrcto pochte
bescheiden an und rief: Senhor Luis Camoens, dein Pate, ist mit mir hier,
Esmcch, er möchte dir seinen Morgengruß entbieten. Sobald du fertig bist,
laß dich von Teresita, die den Weg kennt, zum Garten und zu dem Baume ge¬
leiten, wo wir deiner warten wollen. Du mußt hungrig sein, Kind, nach dem
weiten nächtigen Wege -- das Frühmahl steht für dich und uns bereit.

Ich werde deinem Gebote folgen, Herr! klang es von innen. Soll ich
wirklich mit dir und deinem Freunde am Tische sitzen?

Gewiß, Esmah, du wirst es oft müssen, wenn du eine portugiesische Edel-
frau werden willst, lachte der Fidalgo, und Ccimoens sah, wie ein Ausdruck
glücklichen Übermutes sein Gesicht verjüngte. Auch darfst du nicht Herr zu mir
sagen, du wirst dich gewöhnen müssen, meinen Namen Manuel zu brauchen,
Esmah Catarina!

Esmah öffnete zum Zeichen ihres Gehorsams ein Fenster ihres Gemachs,
sie hatte ihr dunkles Neisegewcmd mit einem weißen, rotgesäumten vertauscht.
Ihr schönes Haar war von einem goldnen Netze gefesselt, Stirn und Augen
hatte sie nach alter Gewohnheit gesenkt, aber erhob sie frei, sobald Camoens'
Anruf ihr Ohr traf.

Ich grüße dich dreifach, Esmah! sagte der Dichter auf Arabisch. Als
meine Schutzbefohlene, als Braut meines glücklichen Freundes, als Freundin
der edeln jungen Dame, welche dir zu deinem Namen den ihren gegeben hat.
Ich hoffe, du kannst mir Gutes von Gräfin Catarina erzählen, mir sagen, daß
sie gesund und glücklich sei, wie sie es verdient.

Ich kann dir nicht ganz sage", was dein Herz wünscht, Herr! erwiederte
das Mädchen schlicht. Gräfin Catarina, die der Allmächtige segnen wolle zu
jeder Stunde, ist nicht krank -- aber sie ist immer ruhelos und oft traurig --
sie kaun nicht glücklich sein. Sie weint nicht, aber sie starrt viele Stunden
schweigsam vor sich hin und verbringt mehr Tage im Gebet, als Glückliche thun.

Manuel Barreto sah die Schatten aus Camoens' Stirn, die er so gut
kannte, er erriet, wovon gesprochen werde, und suchte die Unterredung rascher
zu endigen. Kommt, kommt, wir haben drüben auf dem Walle Zeit, dies und
noch viel mehr zu besprechen. Esmah bedarf sicher noch einer Viertelstunde für
sich und wird uns alsbald nachfolgen. So aufgemahnt, vermochte Camoens
nicht mehr zu zögern und begleitete Barreto durch das vordere Haus und den
Garten nach dem begrünten Wall über der Düne. Die Freunde betraten den-
selben, als eben die ersten Sonnenstrahlen über dem Meere zu erglänzen be¬
gannen. Die Nacht war windstill gewesen, die unabsehbare Flut netzte, leicht
bewegt, den Strand, und der Schaum auf den Kämmen der Wogen zerstiebte
heute rascher, flüchtiger als sonst. Hinter ihnen im Osten lagen noch rot an¬
geglühte Wolken auf den Bergzügen, der weite lichtblaue Horizont über der


Camoens.

Beide Freunde standen jetzt vor der Thür, hinter der sie die Stimmen
Esmahs und ihrer neuen Dienerinnen hörten und unterschieden. Barrcto pochte
bescheiden an und rief: Senhor Luis Camoens, dein Pate, ist mit mir hier,
Esmcch, er möchte dir seinen Morgengruß entbieten. Sobald du fertig bist,
laß dich von Teresita, die den Weg kennt, zum Garten und zu dem Baume ge¬
leiten, wo wir deiner warten wollen. Du mußt hungrig sein, Kind, nach dem
weiten nächtigen Wege — das Frühmahl steht für dich und uns bereit.

Ich werde deinem Gebote folgen, Herr! klang es von innen. Soll ich
wirklich mit dir und deinem Freunde am Tische sitzen?

Gewiß, Esmah, du wirst es oft müssen, wenn du eine portugiesische Edel-
frau werden willst, lachte der Fidalgo, und Ccimoens sah, wie ein Ausdruck
glücklichen Übermutes sein Gesicht verjüngte. Auch darfst du nicht Herr zu mir
sagen, du wirst dich gewöhnen müssen, meinen Namen Manuel zu brauchen,
Esmah Catarina!

Esmah öffnete zum Zeichen ihres Gehorsams ein Fenster ihres Gemachs,
sie hatte ihr dunkles Neisegewcmd mit einem weißen, rotgesäumten vertauscht.
Ihr schönes Haar war von einem goldnen Netze gefesselt, Stirn und Augen
hatte sie nach alter Gewohnheit gesenkt, aber erhob sie frei, sobald Camoens'
Anruf ihr Ohr traf.

Ich grüße dich dreifach, Esmah! sagte der Dichter auf Arabisch. Als
meine Schutzbefohlene, als Braut meines glücklichen Freundes, als Freundin
der edeln jungen Dame, welche dir zu deinem Namen den ihren gegeben hat.
Ich hoffe, du kannst mir Gutes von Gräfin Catarina erzählen, mir sagen, daß
sie gesund und glücklich sei, wie sie es verdient.

Ich kann dir nicht ganz sage», was dein Herz wünscht, Herr! erwiederte
das Mädchen schlicht. Gräfin Catarina, die der Allmächtige segnen wolle zu
jeder Stunde, ist nicht krank — aber sie ist immer ruhelos und oft traurig —
sie kaun nicht glücklich sein. Sie weint nicht, aber sie starrt viele Stunden
schweigsam vor sich hin und verbringt mehr Tage im Gebet, als Glückliche thun.

Manuel Barreto sah die Schatten aus Camoens' Stirn, die er so gut
kannte, er erriet, wovon gesprochen werde, und suchte die Unterredung rascher
zu endigen. Kommt, kommt, wir haben drüben auf dem Walle Zeit, dies und
noch viel mehr zu besprechen. Esmah bedarf sicher noch einer Viertelstunde für
sich und wird uns alsbald nachfolgen. So aufgemahnt, vermochte Camoens
nicht mehr zu zögern und begleitete Barreto durch das vordere Haus und den
Garten nach dem begrünten Wall über der Düne. Die Freunde betraten den-
selben, als eben die ersten Sonnenstrahlen über dem Meere zu erglänzen be¬
gannen. Die Nacht war windstill gewesen, die unabsehbare Flut netzte, leicht
bewegt, den Strand, und der Schaum auf den Kämmen der Wogen zerstiebte
heute rascher, flüchtiger als sonst. Hinter ihnen im Osten lagen noch rot an¬
geglühte Wolken auf den Bergzügen, der weite lichtblaue Horizont über der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/643>, abgerufen am 28.12.2024.