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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Ccimoöns.

nicht mehr nötig, den Gast erst aufzustören; als er die Augen erhob, nahm er
wahr, daß Camoens wach und angekleidet unter dem Bogen seiner Thür stand
und ihm mit gespannter und erstaunter Miene entgegensah. Manuel konnte
nicht erraten, wie viel der Freund von den Vorgängen dieses Morgens bereits
gesehen und verstanden habe, mit versagenden Atem rief er ihm zu: Unser
Schützling ist hier, Esmah, die Maurin! Luis Camoens' Auge richtete sich
fest, allzufest, wie es Manuel bedünken wollte, auf seine Züge und Lippen, und
mit einiger Verwirrung fügte der Gutsherr hinzu: Mnlei Muhamed hat, scheint
es, einen Anfall auf Esmah machen lassen, sie ist glücklich bewahrt geblieben.
Die Herzogin von Braganza aber hat den Mut verloren, hat sie hierher ent¬
sendet, wo sie das Mädchen für besser geborgen hält. Sie hat Recht -- ich
werde -- wir werden sie gegen alle Mohrenprinzen von Afrika zu schützen wissen!

Gewiß, Manuel, wir schützen Esmah hier, entgegnete Camoens mit einem
seltsamen Ausdruck und Ton, welche Barretos Behagen nicht erhöhten. Aber
wer schützt drüben in Cintra und später in Lissabon Gräfin Catarina? Fühlt
Ihr auch jetzt uicht, Manuel, daß der Emir aus Portugal hinweg muß, was
es auch kosten möge?

Ich fürchte ihn nicht! rief der Fidalgo, der zu sehr vou seinem eignen
Geschick bewegt war, um dem Gedankengange des Freundes völlig folgen zu
können. Dach und Mauern von Almoeegema sollen sich wider die Heiden fester
erweisen, als einst für sie! Und da mir Esmah das Recht giebt, Tag lind
Nacht an ihrer Seite zu sein -- doch Ihr wißt ja uicht, was geschehen ist!
Ihr habt nichts Schöneres, Holderes in all Euern Gedichten ersonnen! Esmah
hat auf ihrer einsamen Flucht ihr künftiges Leben bedacht und -- will mein
Weib werden, Luis! Faßt Jhrs ganz, Freund -- fühlt Jhrs, daß mir zu
Mute ist wie einem, der Jahre lang unter einem Baume gelegen, welcher ihm
immer nur Schatten und wiederum Schatten gespendet! Und eines Morgens
erwacht er und über ihm schimmert der Baum in Blüten, die Düfte umwehen
ihn und die Blüten fallen auf ihn herab, dem Träumer ins Gesicht! Wißt
Ihr, welch ein Leben uns hier aufgehen wird?

Uns? fragte Camoens, und abermals war ein seltsamer Glanz in dem Auge
des Dichters, den sich Manuel Barreto nicht zu deuten wußte. Mir, wolltet
Ihr sagen! Erfahre Ihr es jetzt selbst, wie wenig wir Herren unsers Schicksals
sind? Noch gestern Abend spracht Ihr, daß wir beide das Leben nicht neu
beginnen könnten, und heute hebt Ihr ein Leben, von dem Ihr Euch nichts
träumen ließt, mit frischem Mute an. Wer weiß, vielleicht trägt auch mir der
dürre Baum, der mir uicht einmal Schatten gegeben, Land und alle Blüten-
Pracht zugleich!

Barreto stand erschrocken, nicht vor den Worten, aber vor dem gepreßten
Klänge derselben, der nur zu sehr verriet, daß die Ruhe, die der Dichter äußer¬
lich zeigte, in seiner Seele nicht vorhanden war. Herzlich faßte Manuel beide


Grenzboten II. 1836. 80
Ccimoöns.

nicht mehr nötig, den Gast erst aufzustören; als er die Augen erhob, nahm er
wahr, daß Camoens wach und angekleidet unter dem Bogen seiner Thür stand
und ihm mit gespannter und erstaunter Miene entgegensah. Manuel konnte
nicht erraten, wie viel der Freund von den Vorgängen dieses Morgens bereits
gesehen und verstanden habe, mit versagenden Atem rief er ihm zu: Unser
Schützling ist hier, Esmah, die Maurin! Luis Camoens' Auge richtete sich
fest, allzufest, wie es Manuel bedünken wollte, auf seine Züge und Lippen, und
mit einiger Verwirrung fügte der Gutsherr hinzu: Mnlei Muhamed hat, scheint
es, einen Anfall auf Esmah machen lassen, sie ist glücklich bewahrt geblieben.
Die Herzogin von Braganza aber hat den Mut verloren, hat sie hierher ent¬
sendet, wo sie das Mädchen für besser geborgen hält. Sie hat Recht — ich
werde — wir werden sie gegen alle Mohrenprinzen von Afrika zu schützen wissen!

Gewiß, Manuel, wir schützen Esmah hier, entgegnete Camoens mit einem
seltsamen Ausdruck und Ton, welche Barretos Behagen nicht erhöhten. Aber
wer schützt drüben in Cintra und später in Lissabon Gräfin Catarina? Fühlt
Ihr auch jetzt uicht, Manuel, daß der Emir aus Portugal hinweg muß, was
es auch kosten möge?

Ich fürchte ihn nicht! rief der Fidalgo, der zu sehr vou seinem eignen
Geschick bewegt war, um dem Gedankengange des Freundes völlig folgen zu
können. Dach und Mauern von Almoeegema sollen sich wider die Heiden fester
erweisen, als einst für sie! Und da mir Esmah das Recht giebt, Tag lind
Nacht an ihrer Seite zu sein — doch Ihr wißt ja uicht, was geschehen ist!
Ihr habt nichts Schöneres, Holderes in all Euern Gedichten ersonnen! Esmah
hat auf ihrer einsamen Flucht ihr künftiges Leben bedacht und — will mein
Weib werden, Luis! Faßt Jhrs ganz, Freund — fühlt Jhrs, daß mir zu
Mute ist wie einem, der Jahre lang unter einem Baume gelegen, welcher ihm
immer nur Schatten und wiederum Schatten gespendet! Und eines Morgens
erwacht er und über ihm schimmert der Baum in Blüten, die Düfte umwehen
ihn und die Blüten fallen auf ihn herab, dem Träumer ins Gesicht! Wißt
Ihr, welch ein Leben uns hier aufgehen wird?

Uns? fragte Camoens, und abermals war ein seltsamer Glanz in dem Auge
des Dichters, den sich Manuel Barreto nicht zu deuten wußte. Mir, wolltet
Ihr sagen! Erfahre Ihr es jetzt selbst, wie wenig wir Herren unsers Schicksals
sind? Noch gestern Abend spracht Ihr, daß wir beide das Leben nicht neu
beginnen könnten, und heute hebt Ihr ein Leben, von dem Ihr Euch nichts
träumen ließt, mit frischem Mute an. Wer weiß, vielleicht trägt auch mir der
dürre Baum, der mir uicht einmal Schatten gegeben, Land und alle Blüten-
Pracht zugleich!

Barreto stand erschrocken, nicht vor den Worten, aber vor dem gepreßten
Klänge derselben, der nur zu sehr verriet, daß die Ruhe, die der Dichter äußer¬
lich zeigte, in seiner Seele nicht vorhanden war. Herzlich faßte Manuel beide


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[0641] Ccimoöns. nicht mehr nötig, den Gast erst aufzustören; als er die Augen erhob, nahm er wahr, daß Camoens wach und angekleidet unter dem Bogen seiner Thür stand und ihm mit gespannter und erstaunter Miene entgegensah. Manuel konnte nicht erraten, wie viel der Freund von den Vorgängen dieses Morgens bereits gesehen und verstanden habe, mit versagenden Atem rief er ihm zu: Unser Schützling ist hier, Esmah, die Maurin! Luis Camoens' Auge richtete sich fest, allzufest, wie es Manuel bedünken wollte, auf seine Züge und Lippen, und mit einiger Verwirrung fügte der Gutsherr hinzu: Mnlei Muhamed hat, scheint es, einen Anfall auf Esmah machen lassen, sie ist glücklich bewahrt geblieben. Die Herzogin von Braganza aber hat den Mut verloren, hat sie hierher ent¬ sendet, wo sie das Mädchen für besser geborgen hält. Sie hat Recht — ich werde — wir werden sie gegen alle Mohrenprinzen von Afrika zu schützen wissen! Gewiß, Manuel, wir schützen Esmah hier, entgegnete Camoens mit einem seltsamen Ausdruck und Ton, welche Barretos Behagen nicht erhöhten. Aber wer schützt drüben in Cintra und später in Lissabon Gräfin Catarina? Fühlt Ihr auch jetzt uicht, Manuel, daß der Emir aus Portugal hinweg muß, was es auch kosten möge? Ich fürchte ihn nicht! rief der Fidalgo, der zu sehr vou seinem eignen Geschick bewegt war, um dem Gedankengange des Freundes völlig folgen zu können. Dach und Mauern von Almoeegema sollen sich wider die Heiden fester erweisen, als einst für sie! Und da mir Esmah das Recht giebt, Tag lind Nacht an ihrer Seite zu sein — doch Ihr wißt ja uicht, was geschehen ist! Ihr habt nichts Schöneres, Holderes in all Euern Gedichten ersonnen! Esmah hat auf ihrer einsamen Flucht ihr künftiges Leben bedacht und — will mein Weib werden, Luis! Faßt Jhrs ganz, Freund — fühlt Jhrs, daß mir zu Mute ist wie einem, der Jahre lang unter einem Baume gelegen, welcher ihm immer nur Schatten und wiederum Schatten gespendet! Und eines Morgens erwacht er und über ihm schimmert der Baum in Blüten, die Düfte umwehen ihn und die Blüten fallen auf ihn herab, dem Träumer ins Gesicht! Wißt Ihr, welch ein Leben uns hier aufgehen wird? Uns? fragte Camoens, und abermals war ein seltsamer Glanz in dem Auge des Dichters, den sich Manuel Barreto nicht zu deuten wußte. Mir, wolltet Ihr sagen! Erfahre Ihr es jetzt selbst, wie wenig wir Herren unsers Schicksals sind? Noch gestern Abend spracht Ihr, daß wir beide das Leben nicht neu beginnen könnten, und heute hebt Ihr ein Leben, von dem Ihr Euch nichts träumen ließt, mit frischem Mute an. Wer weiß, vielleicht trägt auch mir der dürre Baum, der mir uicht einmal Schatten gegeben, Land und alle Blüten- Pracht zugleich! Barreto stand erschrocken, nicht vor den Worten, aber vor dem gepreßten Klänge derselben, der nur zu sehr verriet, daß die Ruhe, die der Dichter äußer¬ lich zeigte, in seiner Seele nicht vorhanden war. Herzlich faßte Manuel beide Grenzboten II. 1836. 80

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/641>, abgerufen am 24.08.2024.