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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamod'us.

bot dann wieder, ohne einen Laut, sein Gesicht der Kühlung und den leise
sprühenden Tropfen, die bis zu ihrem Sitze drangen. Als sich der Hausherr
nach länger als einer Stunde erhob, um sein Gemach aufzusuchen, standen die
Weinbecher der Freunde beinahe noch unberührt. Doch leerte Camoens den
seinen mit einem herzlich klingenden Worte auf das Wohl Barretos, dieser gab
ihm das Wort zurück, und wider ihre sonstige Gewohnheit schieden Wirt und
Gast mit einer Umarmung,

Hinter dem Fenster von Barretvs Schlafgemach erlosch bald, nachdem der
Gutsherr die Thüre desselben hinter sich zugezogen, das Licht, Anders war es bei
Camoens. Er hatte die bronzene Lampe mit drei Flammen, welche mitten auf dem
Tische seines geräumigen Zimmers stand, gleich bei seinem Eintritt weiter zurück¬
geschoben, mich die Handschrift seines Gedichts rückte er hinweg und schlug den
großen Prachtband von Dantes Göttlicher Komödie auf, welchen er aus Bar¬
retos kleinem Bücherschätze mit auf sein Zimmer genommen hatte. Er spürte
einen dunkeln Trieb zu lesen und traf im Blättern den furchtbaren achtzehnten
Gesang der Hölle, der die Strafe der Schmeichler im Höllenpfuhl schildert. Dabei
ließ er die Thür, welche nach demi Bogengang und dem Hof führte, offen, und
mehr als einmal erklang sein Tritt zwischen der Schwelle seines Gemachs und
dein Brunnen, Immer aufs neue kehrte er zu den strafenden Terzinen des
Florentiners zurück, und immer wieder sprach er vor sich hin: Die Drohung
gilt mir nicht, trifft mich nicht. Ich schmeichle dein König nicht um Ehre oder
Lohn, ich bestärke ihn nur in seinem festgefaßten Vorsatz, die Straße zu ziehen,
die seine und unsre Väter gezogen sind. Ich mahne ihn nicht ab, weil sein
Bleiben Unheil und unsagbares Leid für die Eine bringt, die ich bewahren und
schirmen muß. Ich begehre nichts für mich, ich will Manuel und mir selbst
schwören, Catarina nach der Abreise des Königs nicht zu sehen. Nicht doch,
nicht doch! was hätte es für Sinn, wenn der König in Afrika weilte und sie
inzwischen sehnsüchtig unbewußt der Rückkehr des Siegers harrte? Gesteh dirs
ein, Camoens, daß du heimlich noch hoffst! Und wäre es denn Sünde, daß ich
noch einmal einen tiefen, labenden Zug vom goldensten Lebenswein thun mochte,
ehe die große Nacht kommt? Er ging hinaus und kehrte ius Gemach zurück,
die Nacht draußen war mild und klar, so oft er unter den Arkaden nach dem
gestirnten Himmel aufsah, innen aber dünkte sie ihm jederzeit wieder schwül,
wolkenschwer und sternenlos. Jedes Wort, das Barreto zu ihm gesprochen, jede
düstere Miene, die er ihm gezeigt hatte, lebten dem einsam mit sich ringenden
neu auf, der rastlose Gedanke an Catarina und ihr künftiges Schicksal stritt
wider Barretos Mahnungen und wider die eignen Zweifel.

Selbst als er sich endlich ans sein Lager geworfen hatte, blieb er lange
wach und sah das erste Grau der Dämmerung durch Fenster und Thürspalte
hereinscheinen. Dann war es ihm, als hörte er Tritte auf den bunten Steinen
vor seiner Thür, leichte, zagende und schwere, seltsam gedämpfte Tritte dicht


Lamod'us.

bot dann wieder, ohne einen Laut, sein Gesicht der Kühlung und den leise
sprühenden Tropfen, die bis zu ihrem Sitze drangen. Als sich der Hausherr
nach länger als einer Stunde erhob, um sein Gemach aufzusuchen, standen die
Weinbecher der Freunde beinahe noch unberührt. Doch leerte Camoens den
seinen mit einem herzlich klingenden Worte auf das Wohl Barretos, dieser gab
ihm das Wort zurück, und wider ihre sonstige Gewohnheit schieden Wirt und
Gast mit einer Umarmung,

Hinter dem Fenster von Barretvs Schlafgemach erlosch bald, nachdem der
Gutsherr die Thüre desselben hinter sich zugezogen, das Licht, Anders war es bei
Camoens. Er hatte die bronzene Lampe mit drei Flammen, welche mitten auf dem
Tische seines geräumigen Zimmers stand, gleich bei seinem Eintritt weiter zurück¬
geschoben, mich die Handschrift seines Gedichts rückte er hinweg und schlug den
großen Prachtband von Dantes Göttlicher Komödie auf, welchen er aus Bar¬
retos kleinem Bücherschätze mit auf sein Zimmer genommen hatte. Er spürte
einen dunkeln Trieb zu lesen und traf im Blättern den furchtbaren achtzehnten
Gesang der Hölle, der die Strafe der Schmeichler im Höllenpfuhl schildert. Dabei
ließ er die Thür, welche nach demi Bogengang und dem Hof führte, offen, und
mehr als einmal erklang sein Tritt zwischen der Schwelle seines Gemachs und
dein Brunnen, Immer aufs neue kehrte er zu den strafenden Terzinen des
Florentiners zurück, und immer wieder sprach er vor sich hin: Die Drohung
gilt mir nicht, trifft mich nicht. Ich schmeichle dein König nicht um Ehre oder
Lohn, ich bestärke ihn nur in seinem festgefaßten Vorsatz, die Straße zu ziehen,
die seine und unsre Väter gezogen sind. Ich mahne ihn nicht ab, weil sein
Bleiben Unheil und unsagbares Leid für die Eine bringt, die ich bewahren und
schirmen muß. Ich begehre nichts für mich, ich will Manuel und mir selbst
schwören, Catarina nach der Abreise des Königs nicht zu sehen. Nicht doch,
nicht doch! was hätte es für Sinn, wenn der König in Afrika weilte und sie
inzwischen sehnsüchtig unbewußt der Rückkehr des Siegers harrte? Gesteh dirs
ein, Camoens, daß du heimlich noch hoffst! Und wäre es denn Sünde, daß ich
noch einmal einen tiefen, labenden Zug vom goldensten Lebenswein thun mochte,
ehe die große Nacht kommt? Er ging hinaus und kehrte ius Gemach zurück,
die Nacht draußen war mild und klar, so oft er unter den Arkaden nach dem
gestirnten Himmel aufsah, innen aber dünkte sie ihm jederzeit wieder schwül,
wolkenschwer und sternenlos. Jedes Wort, das Barreto zu ihm gesprochen, jede
düstere Miene, die er ihm gezeigt hatte, lebten dem einsam mit sich ringenden
neu auf, der rastlose Gedanke an Catarina und ihr künftiges Schicksal stritt
wider Barretos Mahnungen und wider die eignen Zweifel.

Selbst als er sich endlich ans sein Lager geworfen hatte, blieb er lange
wach und sah das erste Grau der Dämmerung durch Fenster und Thürspalte
hereinscheinen. Dann war es ihm, als hörte er Tritte auf den bunten Steinen
vor seiner Thür, leichte, zagende und schwere, seltsam gedämpfte Tritte dicht


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[0594] Lamod'us. bot dann wieder, ohne einen Laut, sein Gesicht der Kühlung und den leise sprühenden Tropfen, die bis zu ihrem Sitze drangen. Als sich der Hausherr nach länger als einer Stunde erhob, um sein Gemach aufzusuchen, standen die Weinbecher der Freunde beinahe noch unberührt. Doch leerte Camoens den seinen mit einem herzlich klingenden Worte auf das Wohl Barretos, dieser gab ihm das Wort zurück, und wider ihre sonstige Gewohnheit schieden Wirt und Gast mit einer Umarmung, Hinter dem Fenster von Barretvs Schlafgemach erlosch bald, nachdem der Gutsherr die Thüre desselben hinter sich zugezogen, das Licht, Anders war es bei Camoens. Er hatte die bronzene Lampe mit drei Flammen, welche mitten auf dem Tische seines geräumigen Zimmers stand, gleich bei seinem Eintritt weiter zurück¬ geschoben, mich die Handschrift seines Gedichts rückte er hinweg und schlug den großen Prachtband von Dantes Göttlicher Komödie auf, welchen er aus Bar¬ retos kleinem Bücherschätze mit auf sein Zimmer genommen hatte. Er spürte einen dunkeln Trieb zu lesen und traf im Blättern den furchtbaren achtzehnten Gesang der Hölle, der die Strafe der Schmeichler im Höllenpfuhl schildert. Dabei ließ er die Thür, welche nach demi Bogengang und dem Hof führte, offen, und mehr als einmal erklang sein Tritt zwischen der Schwelle seines Gemachs und dein Brunnen, Immer aufs neue kehrte er zu den strafenden Terzinen des Florentiners zurück, und immer wieder sprach er vor sich hin: Die Drohung gilt mir nicht, trifft mich nicht. Ich schmeichle dein König nicht um Ehre oder Lohn, ich bestärke ihn nur in seinem festgefaßten Vorsatz, die Straße zu ziehen, die seine und unsre Väter gezogen sind. Ich mahne ihn nicht ab, weil sein Bleiben Unheil und unsagbares Leid für die Eine bringt, die ich bewahren und schirmen muß. Ich begehre nichts für mich, ich will Manuel und mir selbst schwören, Catarina nach der Abreise des Königs nicht zu sehen. Nicht doch, nicht doch! was hätte es für Sinn, wenn der König in Afrika weilte und sie inzwischen sehnsüchtig unbewußt der Rückkehr des Siegers harrte? Gesteh dirs ein, Camoens, daß du heimlich noch hoffst! Und wäre es denn Sünde, daß ich noch einmal einen tiefen, labenden Zug vom goldensten Lebenswein thun mochte, ehe die große Nacht kommt? Er ging hinaus und kehrte ius Gemach zurück, die Nacht draußen war mild und klar, so oft er unter den Arkaden nach dem gestirnten Himmel aufsah, innen aber dünkte sie ihm jederzeit wieder schwül, wolkenschwer und sternenlos. Jedes Wort, das Barreto zu ihm gesprochen, jede düstere Miene, die er ihm gezeigt hatte, lebten dem einsam mit sich ringenden neu auf, der rastlose Gedanke an Catarina und ihr künftiges Schicksal stritt wider Barretos Mahnungen und wider die eignen Zweifel. Selbst als er sich endlich ans sein Lager geworfen hatte, blieb er lange wach und sah das erste Grau der Dämmerung durch Fenster und Thürspalte hereinscheinen. Dann war es ihm, als hörte er Tritte auf den bunten Steinen vor seiner Thür, leichte, zagende und schwere, seltsam gedämpfte Tritte dicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/594>, abgerufen am 24.07.2024.