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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Ccimoöns.

nebeneinander. Wie er auffuhr, war alles still und er selbst endlich so
matt, daß er sich jetzt nicht erhob. Und darnach träumte er sicher, denn mit
einemmale sah er die Halle draußen vom Frühlicht rosig erhellt und ein be¬
kanntes Gesicht, Jayme Leiras aus Okaz' Herberge in Cintra, schaute verstohlen
in sein Gemach herein und zu ihm herüber.

Auch Barretv hatte noch lange des Freundes und seiner unseligen Hul¬
digung an König Sebastian gedacht, zu welcher den Verblendeten die geheime
Leidenschaft trieb. Doch war der Gutsherr dann nach seiner kräftigen Ge¬
wohnheit tief entschlummert lind lag traumlos auf dem breiten Polsterbctte mit
seinen farbigen Decken. Auch bei ihm stahl sich der Morgenstrahl, der in die
Arkaden drang, durchs Fenster, er ward es ebensowenig inne, wie daß die
Thür seines Gemaches leise und zögernd geöffnet wurde. Ruhig atmend,
den Kopf auf die kräftige Hand gestützt, das männliche Gesicht vom ersten
Frnhlicht beschienen, lag Manuel Barreto und merkte es uicht, daß ein Schatten
zwischen ihn und die .Halle glitt, eine verschleierte Gestalt sich dem Fußende
seines Lagers näherte.°mit gefalteten Händen einige Augenblicke stehen blieb und
dann mit wundersamer Leichtigkeit, die herabhängenden Decken unhörbar zurecht-
lcgeud, sich zu seinen Füßen auf das Polster dieses Lagers hinstreckte. Den
Schleier hatte die Erscheinung beim Eintritte emporgeschlagcn, im blaßbräun-
lichen Gesicht glänzten die großen braunen Augen, aus deuen stille Ergebung,
ängstliche Sorge und ein Fieber der Spannung zugleich sprachen. Es war
Esmah Catarina, welche in dunkler Hülle, den schönen Kopf in scheuer Er¬
wartung gehoben, jetzt zu Füßen des schlummernden Hausherrn lag und, aufs
neue die Hände faltend, allen Segen des Himmels ans das Haupt des Mannes
herabzurufen schien, der hier vor ihr ruhte.

War es die Zeit vou Manuels Erwachen, hatte Esmah. als sie sich halb
emporzurichten suchte, doch mit ihrem Frauengewande gerauscht -- Barreto
schlug plötzlich und mit einemmale voll und klar die Augen auf. Er fuhr
empor und ließ sein Haupt wieder auf das Kissen sinken, als müsse es eine
Traumgestalt sein, welche er vor sich sah. einen Augenblick später wußte er,
daß die Gegenwart der jungen Maurin unbegreifliche, aber holde, warmatmeudc
Wirklichkeit sei. Über sein kräftiges Gesicht'hin erglühend, zog der stattliche
Mann unter seinen Decken die Füße unmerklich höher, an die sich Esmahs
schlanker Leib angeschmiegt hatte. Sie erhob, sowie sie seines Erwachens gewiß
war, die Hände bittend gegen ihn, und ihre Lippen bewegten sich, ohne daß
ein Laut hervorkam. Er aber rief: Esmah -- Esmah Catarina! Um Gott
und der heiligen Jungfrau, wie bist du hierhcrgelaugt, wer hat dich hierher¬
geführt?

Sie kreuzte in ihrer alten Weise die Arme über der Brust und sagte in dem
gebrochenen Portugiesisch, welches sie inzwischen erlernt hatte: Jayme Leiras,
Herr, hat mich hierher geleitet. Die Herzogin kann mich im Palast nicht länger


Ccimoöns.

nebeneinander. Wie er auffuhr, war alles still und er selbst endlich so
matt, daß er sich jetzt nicht erhob. Und darnach träumte er sicher, denn mit
einemmale sah er die Halle draußen vom Frühlicht rosig erhellt und ein be¬
kanntes Gesicht, Jayme Leiras aus Okaz' Herberge in Cintra, schaute verstohlen
in sein Gemach herein und zu ihm herüber.

Auch Barretv hatte noch lange des Freundes und seiner unseligen Hul¬
digung an König Sebastian gedacht, zu welcher den Verblendeten die geheime
Leidenschaft trieb. Doch war der Gutsherr dann nach seiner kräftigen Ge¬
wohnheit tief entschlummert lind lag traumlos auf dem breiten Polsterbctte mit
seinen farbigen Decken. Auch bei ihm stahl sich der Morgenstrahl, der in die
Arkaden drang, durchs Fenster, er ward es ebensowenig inne, wie daß die
Thür seines Gemaches leise und zögernd geöffnet wurde. Ruhig atmend,
den Kopf auf die kräftige Hand gestützt, das männliche Gesicht vom ersten
Frnhlicht beschienen, lag Manuel Barreto und merkte es uicht, daß ein Schatten
zwischen ihn und die .Halle glitt, eine verschleierte Gestalt sich dem Fußende
seines Lagers näherte.°mit gefalteten Händen einige Augenblicke stehen blieb und
dann mit wundersamer Leichtigkeit, die herabhängenden Decken unhörbar zurecht-
lcgeud, sich zu seinen Füßen auf das Polster dieses Lagers hinstreckte. Den
Schleier hatte die Erscheinung beim Eintritte emporgeschlagcn, im blaßbräun-
lichen Gesicht glänzten die großen braunen Augen, aus deuen stille Ergebung,
ängstliche Sorge und ein Fieber der Spannung zugleich sprachen. Es war
Esmah Catarina, welche in dunkler Hülle, den schönen Kopf in scheuer Er¬
wartung gehoben, jetzt zu Füßen des schlummernden Hausherrn lag und, aufs
neue die Hände faltend, allen Segen des Himmels ans das Haupt des Mannes
herabzurufen schien, der hier vor ihr ruhte.

War es die Zeit vou Manuels Erwachen, hatte Esmah. als sie sich halb
emporzurichten suchte, doch mit ihrem Frauengewande gerauscht — Barreto
schlug plötzlich und mit einemmale voll und klar die Augen auf. Er fuhr
empor und ließ sein Haupt wieder auf das Kissen sinken, als müsse es eine
Traumgestalt sein, welche er vor sich sah. einen Augenblick später wußte er,
daß die Gegenwart der jungen Maurin unbegreifliche, aber holde, warmatmeudc
Wirklichkeit sei. Über sein kräftiges Gesicht'hin erglühend, zog der stattliche
Mann unter seinen Decken die Füße unmerklich höher, an die sich Esmahs
schlanker Leib angeschmiegt hatte. Sie erhob, sowie sie seines Erwachens gewiß
war, die Hände bittend gegen ihn, und ihre Lippen bewegten sich, ohne daß
ein Laut hervorkam. Er aber rief: Esmah — Esmah Catarina! Um Gott
und der heiligen Jungfrau, wie bist du hierhcrgelaugt, wer hat dich hierher¬
geführt?

Sie kreuzte in ihrer alten Weise die Arme über der Brust und sagte in dem
gebrochenen Portugiesisch, welches sie inzwischen erlernt hatte: Jayme Leiras,
Herr, hat mich hierher geleitet. Die Herzogin kann mich im Palast nicht länger


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[0595] Ccimoöns. nebeneinander. Wie er auffuhr, war alles still und er selbst endlich so matt, daß er sich jetzt nicht erhob. Und darnach träumte er sicher, denn mit einemmale sah er die Halle draußen vom Frühlicht rosig erhellt und ein be¬ kanntes Gesicht, Jayme Leiras aus Okaz' Herberge in Cintra, schaute verstohlen in sein Gemach herein und zu ihm herüber. Auch Barretv hatte noch lange des Freundes und seiner unseligen Hul¬ digung an König Sebastian gedacht, zu welcher den Verblendeten die geheime Leidenschaft trieb. Doch war der Gutsherr dann nach seiner kräftigen Ge¬ wohnheit tief entschlummert lind lag traumlos auf dem breiten Polsterbctte mit seinen farbigen Decken. Auch bei ihm stahl sich der Morgenstrahl, der in die Arkaden drang, durchs Fenster, er ward es ebensowenig inne, wie daß die Thür seines Gemaches leise und zögernd geöffnet wurde. Ruhig atmend, den Kopf auf die kräftige Hand gestützt, das männliche Gesicht vom ersten Frnhlicht beschienen, lag Manuel Barreto und merkte es uicht, daß ein Schatten zwischen ihn und die .Halle glitt, eine verschleierte Gestalt sich dem Fußende seines Lagers näherte.°mit gefalteten Händen einige Augenblicke stehen blieb und dann mit wundersamer Leichtigkeit, die herabhängenden Decken unhörbar zurecht- lcgeud, sich zu seinen Füßen auf das Polster dieses Lagers hinstreckte. Den Schleier hatte die Erscheinung beim Eintritte emporgeschlagcn, im blaßbräun- lichen Gesicht glänzten die großen braunen Augen, aus deuen stille Ergebung, ängstliche Sorge und ein Fieber der Spannung zugleich sprachen. Es war Esmah Catarina, welche in dunkler Hülle, den schönen Kopf in scheuer Er¬ wartung gehoben, jetzt zu Füßen des schlummernden Hausherrn lag und, aufs neue die Hände faltend, allen Segen des Himmels ans das Haupt des Mannes herabzurufen schien, der hier vor ihr ruhte. War es die Zeit vou Manuels Erwachen, hatte Esmah. als sie sich halb emporzurichten suchte, doch mit ihrem Frauengewande gerauscht — Barreto schlug plötzlich und mit einemmale voll und klar die Augen auf. Er fuhr empor und ließ sein Haupt wieder auf das Kissen sinken, als müsse es eine Traumgestalt sein, welche er vor sich sah. einen Augenblick später wußte er, daß die Gegenwart der jungen Maurin unbegreifliche, aber holde, warmatmeudc Wirklichkeit sei. Über sein kräftiges Gesicht'hin erglühend, zog der stattliche Mann unter seinen Decken die Füße unmerklich höher, an die sich Esmahs schlanker Leib angeschmiegt hatte. Sie erhob, sowie sie seines Erwachens gewiß war, die Hände bittend gegen ihn, und ihre Lippen bewegten sich, ohne daß ein Laut hervorkam. Er aber rief: Esmah — Esmah Catarina! Um Gott und der heiligen Jungfrau, wie bist du hierhcrgelaugt, wer hat dich hierher¬ geführt? Sie kreuzte in ihrer alten Weise die Arme über der Brust und sagte in dem gebrochenen Portugiesisch, welches sie inzwischen erlernt hatte: Jayme Leiras, Herr, hat mich hierher geleitet. Die Herzogin kann mich im Palast nicht länger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/595>, abgerufen am 04.07.2024.