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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Der Friede mit Rom.

Das Gcspimist ist ein zu dichtes lind zu verworrenes, als das; es möglich wäre,
hier die Fäden auscinanderzuknüpfen. Wenn, wie zu hoffen steht, die guten
Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Berliner Kabinet fortdauern, so
wird auch dieses Ziel zur beiderseitigen Genugthuung erreicht werden können.

Der gegenwärtig erreichte friedliche Zustand ist ausschließlich das Werk
des Papstes und der Regierung. Es muß besonders hervorgehoben werdeu,
und die preußischen Katholiken werden sich mich dessen allmählich bewußt werden,
daß die Zentrumspartei als solche mit diesem Friedenswerk nichts zu thun hat.
Im Gegenteil, es ist ohne Zentrum zustande gekommen, dessen maßlose und von
ganz andern Interessen geleitete Führerschaft dieser Aussöhnung widerstrebt
lind ihr soweit entgegengewirkt hat, als die kirchliche Obedienz es zuließ. Auch
eine endgiltige Revision der Maigesetze wird nur zustande kommen, wenn auf
dem gleichen Wege des Einvernehmens zwischen Kurie und Preußen fortgefahren
wird. Ob dieser Weg zu einer Umgestaltung der politischen Verhältnisse im
Reiche lind in Preußen führen wird, kann noch bezweifelt werden. Es wird erst
einer gewissen Zeit bedürfen, ehe die katholische Bevölkerung von dem Einfluß
der demagogischen Hetzkapläne befreit wird und ehe die neuen Bischöfe selbst
den ihnen gebührenden Einfluß auf ihren Klerus wiedererlangen.

Man hat vielfach behauptet, daß Preußen den Frieden mit Rom bedürfe,
um im Falle eines Krieges freie Hand zu haben. Das ist jedenfalls unrichtig;
denn bei Beginn des Kulturkampfes war der Friede viel mehr bedroht, als er
es jetzt ist. Der Grund für den Frieden liegt in der politischen Weisheit des
Fürsten Bismarck und des Papstes Leo. Preußen-Deutschland ist die einzige
auf festen Grundlagen ruhende konservative Macht der Welt. Mit einem all¬
seitig anerkannten, tief im Volke wurzelnden, sich seiner Verantwortlicher Auf¬
gabe bewußten Königtum vermag dieses Reich allein den Gefahren zu begegnen,
die aus den sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte
erwachsen sind. Für die Beseitigung dieser Gefahren bedarf der Staat das
Zusammenwirken aller erhaltenden Kräfte und deshalb auch des Friedens mit
seinen katholischen Unterthanen. Das Papsttum aber findet allein in dieser
konservativen Kontinentalmacht seine moralische Unterstützung. Nußland scheidet
wegen seiner Konfession ganz aus, Österreich-Ungarn wird nur uoch gekünstelt
das Leben erhalten. In Frankreich und Italien ist die revolutionäre Be¬
wegung so groß, daß ihre Strömung auf die katholische Kirche überflutet, und
für England bieten die irischen Sorgen genug Stoff, um sich lediglich mit ihnen
zu beschäftigen, auch streben seine Kolonien zur Unabhängigkeit. Das Papsttum
wäre also isolirt, wenn es sich nicht auf das moralische Gewicht Deutschlands
stützen könnte, dessen sechzehn Millionen Katholiken in dem römischen Bischof
ihr von Gott gcsetzcs Oberhaupt sehen. Das Papsttum und der deutsche Ka¬
tholizismus haben also das lebendigste Interesse an der Kräftigung und Er¬
haltung des Reiches.


Der Friede mit Rom.

Das Gcspimist ist ein zu dichtes lind zu verworrenes, als das; es möglich wäre,
hier die Fäden auscinanderzuknüpfen. Wenn, wie zu hoffen steht, die guten
Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Berliner Kabinet fortdauern, so
wird auch dieses Ziel zur beiderseitigen Genugthuung erreicht werden können.

Der gegenwärtig erreichte friedliche Zustand ist ausschließlich das Werk
des Papstes und der Regierung. Es muß besonders hervorgehoben werdeu,
und die preußischen Katholiken werden sich mich dessen allmählich bewußt werden,
daß die Zentrumspartei als solche mit diesem Friedenswerk nichts zu thun hat.
Im Gegenteil, es ist ohne Zentrum zustande gekommen, dessen maßlose und von
ganz andern Interessen geleitete Führerschaft dieser Aussöhnung widerstrebt
lind ihr soweit entgegengewirkt hat, als die kirchliche Obedienz es zuließ. Auch
eine endgiltige Revision der Maigesetze wird nur zustande kommen, wenn auf
dem gleichen Wege des Einvernehmens zwischen Kurie und Preußen fortgefahren
wird. Ob dieser Weg zu einer Umgestaltung der politischen Verhältnisse im
Reiche lind in Preußen führen wird, kann noch bezweifelt werden. Es wird erst
einer gewissen Zeit bedürfen, ehe die katholische Bevölkerung von dem Einfluß
der demagogischen Hetzkapläne befreit wird und ehe die neuen Bischöfe selbst
den ihnen gebührenden Einfluß auf ihren Klerus wiedererlangen.

Man hat vielfach behauptet, daß Preußen den Frieden mit Rom bedürfe,
um im Falle eines Krieges freie Hand zu haben. Das ist jedenfalls unrichtig;
denn bei Beginn des Kulturkampfes war der Friede viel mehr bedroht, als er
es jetzt ist. Der Grund für den Frieden liegt in der politischen Weisheit des
Fürsten Bismarck und des Papstes Leo. Preußen-Deutschland ist die einzige
auf festen Grundlagen ruhende konservative Macht der Welt. Mit einem all¬
seitig anerkannten, tief im Volke wurzelnden, sich seiner Verantwortlicher Auf¬
gabe bewußten Königtum vermag dieses Reich allein den Gefahren zu begegnen,
die aus den sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte
erwachsen sind. Für die Beseitigung dieser Gefahren bedarf der Staat das
Zusammenwirken aller erhaltenden Kräfte und deshalb auch des Friedens mit
seinen katholischen Unterthanen. Das Papsttum aber findet allein in dieser
konservativen Kontinentalmacht seine moralische Unterstützung. Nußland scheidet
wegen seiner Konfession ganz aus, Österreich-Ungarn wird nur uoch gekünstelt
das Leben erhalten. In Frankreich und Italien ist die revolutionäre Be¬
wegung so groß, daß ihre Strömung auf die katholische Kirche überflutet, und
für England bieten die irischen Sorgen genug Stoff, um sich lediglich mit ihnen
zu beschäftigen, auch streben seine Kolonien zur Unabhängigkeit. Das Papsttum
wäre also isolirt, wenn es sich nicht auf das moralische Gewicht Deutschlands
stützen könnte, dessen sechzehn Millionen Katholiken in dem römischen Bischof
ihr von Gott gcsetzcs Oberhaupt sehen. Das Papsttum und der deutsche Ka¬
tholizismus haben also das lebendigste Interesse an der Kräftigung und Er¬
haltung des Reiches.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/559>, abgerufen am 02.07.2024.