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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Der Friede mit Rom.

Würde unser Klerus nationaler sein, wenn nicht der Papst seinen Sitz im
Auslande hätte. Der Staat wird also darauf zu sehen haben, daß die Lehrer
Deutsche sind, daß der Lehrplan in den kirchlichen Anstalten im allgemeinen
dem der staatlichen Anstalten entspricht, und was die Disziplin betrifft, daß die
Behandlung in den kirchlichen Demeritenhäusern nicht von der staatlichen Straf¬
form zu sehr abweicht. In dieser Beziehung hat die Novelle vom 21. Mai
dieses Jahres das Interesse des Staates gewahrt.

Die katholische Kirche hat also in Bezug auf Lehre und Zucht in Preußen
die volle Freiheit wiedererlangt. Diejenigen, welche der Regierung in allen
sonstigen Frage" ihre Unterstützung gewähren, fragten, als sie sich gerade ans
diesem Punkte von ihr trennen zu müssen glaubten, worin denn die Gegen¬
leistung der Kurie bestünde, und deuteten dabei ans die Anzeigepflicht der Bischöfe
bei Ernennung der Pfarrer und auf das Einspruchsrecht des Staates hin. Eine
solche Einrichtung war zwar nach den Falkschen Gesetzen begründet, bisher aber
von der Kurie nicht anerkannt, obwohl sie in andern Ländern den Regierungen
eine solche Konzession gewährt hat. Den geschickten Verhandlungen des Fürsten
Bismarck und dein klugen Entgegenkommen des einsichtigen Papstes ist es ge¬
lungen, auch diesen schwierigen Punkt zu bestimmen. Die letzte Note des
Kardinals Jaeobini gewährt diese Anzeigepflicht ohne alle Einschränkung; die
intransigente "Germania" sucht zwar diese Note nach Möglichkeit abzuschwächen,
obgleich man an dem Worte eines Papstes, wie an dem eines Kaisers, weder
"drehn noch deuteln" soll. Bei einem friedliebenden Papste werden sich gar
keine Schwierigkeiten ergeben, bei einem kampflustigen aber sind alle gesetzlichen
Garantien überflüssig. Staat und Kirche haben genug Mittel, um trotz der
genauesten Gesetze sich das Leben schwer zu machen. Alles, was man vereinbart
hat, ist nur ein znocws vivemäi; mißtraut der eine Teil dem andern oder ist er
illoyal, dann sind auch die Reibungen unausbleiblich, da prinzipiell die katholische
Kirche mit dem modernen Staate niemals sich in ihren innern Normen und
Überzeugungen begegnen kann. Die Anzeigepflicht wird übrigens unter- und
überschätzt. Sie wird unterschätzt, wenn man ihr jede Bedeutung abspricht.
Wenn die katholischen Priester sich überzeugen werden, daß sie nur durch die
Genehmigung des Staates in eine bessere Pfarrei gelangen können, dann werden
sie auch ihr Verhalten -- wenigstens öffentlich -- so einrichten, daß sie nicht
einem Widerspruch der Regierung begegnen. Die Anzeigepflicht wird aber auch
überschätzt; bei den Bischöfen ist das Widerspruchsrccht des Staates in der
Bulle vo Saints Miilmi'ulu und ihren gleichartigen Verordnungen begründet, und
trotz desselben kann der Staat nicht überall zu friedfertigen Bischöfen gelangen.

Die päpstliche Gewährung der Anzeigepflicht ist von der Zusage einer vollen
Revision der kirchenpolitischen Gesetze abhängig gemacht. Diese Zusage ist nach
der Erklärung des Fürsten Bismarck im Herrenhause erteilt worden. Es kann nicht
die Aufgabe dieser Zeilen sein, die Grundzüge einer solchen Revision zu zeichnen.


Der Friede mit Rom.

Würde unser Klerus nationaler sein, wenn nicht der Papst seinen Sitz im
Auslande hätte. Der Staat wird also darauf zu sehen haben, daß die Lehrer
Deutsche sind, daß der Lehrplan in den kirchlichen Anstalten im allgemeinen
dem der staatlichen Anstalten entspricht, und was die Disziplin betrifft, daß die
Behandlung in den kirchlichen Demeritenhäusern nicht von der staatlichen Straf¬
form zu sehr abweicht. In dieser Beziehung hat die Novelle vom 21. Mai
dieses Jahres das Interesse des Staates gewahrt.

Die katholische Kirche hat also in Bezug auf Lehre und Zucht in Preußen
die volle Freiheit wiedererlangt. Diejenigen, welche der Regierung in allen
sonstigen Frage» ihre Unterstützung gewähren, fragten, als sie sich gerade ans
diesem Punkte von ihr trennen zu müssen glaubten, worin denn die Gegen¬
leistung der Kurie bestünde, und deuteten dabei ans die Anzeigepflicht der Bischöfe
bei Ernennung der Pfarrer und auf das Einspruchsrecht des Staates hin. Eine
solche Einrichtung war zwar nach den Falkschen Gesetzen begründet, bisher aber
von der Kurie nicht anerkannt, obwohl sie in andern Ländern den Regierungen
eine solche Konzession gewährt hat. Den geschickten Verhandlungen des Fürsten
Bismarck und dein klugen Entgegenkommen des einsichtigen Papstes ist es ge¬
lungen, auch diesen schwierigen Punkt zu bestimmen. Die letzte Note des
Kardinals Jaeobini gewährt diese Anzeigepflicht ohne alle Einschränkung; die
intransigente „Germania" sucht zwar diese Note nach Möglichkeit abzuschwächen,
obgleich man an dem Worte eines Papstes, wie an dem eines Kaisers, weder
„drehn noch deuteln" soll. Bei einem friedliebenden Papste werden sich gar
keine Schwierigkeiten ergeben, bei einem kampflustigen aber sind alle gesetzlichen
Garantien überflüssig. Staat und Kirche haben genug Mittel, um trotz der
genauesten Gesetze sich das Leben schwer zu machen. Alles, was man vereinbart
hat, ist nur ein znocws vivemäi; mißtraut der eine Teil dem andern oder ist er
illoyal, dann sind auch die Reibungen unausbleiblich, da prinzipiell die katholische
Kirche mit dem modernen Staate niemals sich in ihren innern Normen und
Überzeugungen begegnen kann. Die Anzeigepflicht wird übrigens unter- und
überschätzt. Sie wird unterschätzt, wenn man ihr jede Bedeutung abspricht.
Wenn die katholischen Priester sich überzeugen werden, daß sie nur durch die
Genehmigung des Staates in eine bessere Pfarrei gelangen können, dann werden
sie auch ihr Verhalten — wenigstens öffentlich — so einrichten, daß sie nicht
einem Widerspruch der Regierung begegnen. Die Anzeigepflicht wird aber auch
überschätzt; bei den Bischöfen ist das Widerspruchsrccht des Staates in der
Bulle vo Saints Miilmi'ulu und ihren gleichartigen Verordnungen begründet, und
trotz desselben kann der Staat nicht überall zu friedfertigen Bischöfen gelangen.

Die päpstliche Gewährung der Anzeigepflicht ist von der Zusage einer vollen
Revision der kirchenpolitischen Gesetze abhängig gemacht. Diese Zusage ist nach
der Erklärung des Fürsten Bismarck im Herrenhause erteilt worden. Es kann nicht
die Aufgabe dieser Zeilen sein, die Grundzüge einer solchen Revision zu zeichnen.


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[0558] Der Friede mit Rom. Würde unser Klerus nationaler sein, wenn nicht der Papst seinen Sitz im Auslande hätte. Der Staat wird also darauf zu sehen haben, daß die Lehrer Deutsche sind, daß der Lehrplan in den kirchlichen Anstalten im allgemeinen dem der staatlichen Anstalten entspricht, und was die Disziplin betrifft, daß die Behandlung in den kirchlichen Demeritenhäusern nicht von der staatlichen Straf¬ form zu sehr abweicht. In dieser Beziehung hat die Novelle vom 21. Mai dieses Jahres das Interesse des Staates gewahrt. Die katholische Kirche hat also in Bezug auf Lehre und Zucht in Preußen die volle Freiheit wiedererlangt. Diejenigen, welche der Regierung in allen sonstigen Frage» ihre Unterstützung gewähren, fragten, als sie sich gerade ans diesem Punkte von ihr trennen zu müssen glaubten, worin denn die Gegen¬ leistung der Kurie bestünde, und deuteten dabei ans die Anzeigepflicht der Bischöfe bei Ernennung der Pfarrer und auf das Einspruchsrecht des Staates hin. Eine solche Einrichtung war zwar nach den Falkschen Gesetzen begründet, bisher aber von der Kurie nicht anerkannt, obwohl sie in andern Ländern den Regierungen eine solche Konzession gewährt hat. Den geschickten Verhandlungen des Fürsten Bismarck und dein klugen Entgegenkommen des einsichtigen Papstes ist es ge¬ lungen, auch diesen schwierigen Punkt zu bestimmen. Die letzte Note des Kardinals Jaeobini gewährt diese Anzeigepflicht ohne alle Einschränkung; die intransigente „Germania" sucht zwar diese Note nach Möglichkeit abzuschwächen, obgleich man an dem Worte eines Papstes, wie an dem eines Kaisers, weder „drehn noch deuteln" soll. Bei einem friedliebenden Papste werden sich gar keine Schwierigkeiten ergeben, bei einem kampflustigen aber sind alle gesetzlichen Garantien überflüssig. Staat und Kirche haben genug Mittel, um trotz der genauesten Gesetze sich das Leben schwer zu machen. Alles, was man vereinbart hat, ist nur ein znocws vivemäi; mißtraut der eine Teil dem andern oder ist er illoyal, dann sind auch die Reibungen unausbleiblich, da prinzipiell die katholische Kirche mit dem modernen Staate niemals sich in ihren innern Normen und Überzeugungen begegnen kann. Die Anzeigepflicht wird übrigens unter- und überschätzt. Sie wird unterschätzt, wenn man ihr jede Bedeutung abspricht. Wenn die katholischen Priester sich überzeugen werden, daß sie nur durch die Genehmigung des Staates in eine bessere Pfarrei gelangen können, dann werden sie auch ihr Verhalten — wenigstens öffentlich — so einrichten, daß sie nicht einem Widerspruch der Regierung begegnen. Die Anzeigepflicht wird aber auch überschätzt; bei den Bischöfen ist das Widerspruchsrccht des Staates in der Bulle vo Saints Miilmi'ulu und ihren gleichartigen Verordnungen begründet, und trotz desselben kann der Staat nicht überall zu friedfertigen Bischöfen gelangen. Die päpstliche Gewährung der Anzeigepflicht ist von der Zusage einer vollen Revision der kirchenpolitischen Gesetze abhängig gemacht. Diese Zusage ist nach der Erklärung des Fürsten Bismarck im Herrenhause erteilt worden. Es kann nicht die Aufgabe dieser Zeilen sein, die Grundzüge einer solchen Revision zu zeichnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/558>, abgerufen am 04.07.2024.