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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens.

hatte, lagen die Boote verlassen, von wenigen Männern bewacht, am Strande.
Landeinwärts aber, von dichter Staubwolke umhüllt, bewegten sich im gewalt¬
samen Lauf die vier oder fünfhundert Gerüsteter, welche der König über die
heiße, ode Dttneusläche mehr mit sich fortriß, als daß er sie führte. Bis zu
dem grünen Wall, von welchem Camoens, sich weit vorbeugend, das merkwür¬
dige Schauspiel mit ansah, schallten die wilden Zornrufe, die leidenschaftlich
gegebnen Befehle des jungen Fürsten, Herr Luis konnte deutlich wahrnehmen,
daß der König sich selbst so wenig schonte als die Leute, die er über die
unwegsame Ebne, durch den heißesten Sonnenbrand dem Kirchturm von Sarra-
zola zuleucheu ließ. Das letzte, was Camoens unterschied, war, daß das
überangestrengte Noß Sebastians unter seinem Reiter zusammenbrach, der König
sich, ohne einen Augenblick zu zögern, zu Fuß an die Spitze seiner Schaar
setzte, während ein paar Reitknechte bei dem gestürzten Tiere zurückblieben.
Camoens wußte jetzt, daß er eine jener Übungen geschaut habe, von denen
ihm schon Bartolomeo Okaz und darnach Joao, Barretos Hausmeister, soviel
erzählt hatten. Der junge Herrscher hatte einige hundert Bürgerssöhne seiner
Hauptstadt zu einer Schnur vereinigt, mit der er die härtesten Anstrengungen
und Entbehrungen teilte, um sie und sich für die Landung und den Feldzug in
Marokko vorzubereiten.

Ob er wollen mochte oder nicht, Camoens hatte die erschreckende Dürftig¬
keit der Mittel, der Rüstung selbst, in diesem Schauspiel erkennen, hatte über
das Geschaute nachdenken und sich an so vieles erinnern müssen, was er früher
von seinem Gastfreunde vernommen hatte. Über den Tag der Abfahrt des
Königs von Lissabon zum erstenmale hinausdeutend, hatte anch er plötzlich jene
dunkle Besorgnis, jenes Bangen verspürt, von denen er den Freund befangen
sah, so oft der Pläne Dom Sebastians gedacht wurde. Umsonst hatte Camoens
sich auch jetzt wieder zugerufen: Der König muß hinweg! und das Bild Cata-
rinas heraufbeschworen. Mit unwiderstehlicher Gewalt war hente das Bewußt¬
sein über ihn gekommen, daß der König nicht allein gehe; scheu und mit ver¬
düsterten Sinn hatte er sich wieder zu seiner Handschrift zurückgewendet und
mit den Versen gerungen, die er begonnen hatte. Was er sich fest vorgesetzt
hatte, dünkte ihm mit einemmale wieder unmöglich, ein Frevel, die Heralls¬
forderung eines ungeheuern Schicksals -- und das gleichmäßige Plätschern des
Brunnens vor ihm weckte den kriegerisch stolzen Klang in seinen Worten nicht
wieder, mit dem er den König emporznrufen und hinwegznschenchen gedacht hatte!

(Fortsetzung folgt.)




Lamoens.

hatte, lagen die Boote verlassen, von wenigen Männern bewacht, am Strande.
Landeinwärts aber, von dichter Staubwolke umhüllt, bewegten sich im gewalt¬
samen Lauf die vier oder fünfhundert Gerüsteter, welche der König über die
heiße, ode Dttneusläche mehr mit sich fortriß, als daß er sie führte. Bis zu
dem grünen Wall, von welchem Camoens, sich weit vorbeugend, das merkwür¬
dige Schauspiel mit ansah, schallten die wilden Zornrufe, die leidenschaftlich
gegebnen Befehle des jungen Fürsten, Herr Luis konnte deutlich wahrnehmen,
daß der König sich selbst so wenig schonte als die Leute, die er über die
unwegsame Ebne, durch den heißesten Sonnenbrand dem Kirchturm von Sarra-
zola zuleucheu ließ. Das letzte, was Camoens unterschied, war, daß das
überangestrengte Noß Sebastians unter seinem Reiter zusammenbrach, der König
sich, ohne einen Augenblick zu zögern, zu Fuß an die Spitze seiner Schaar
setzte, während ein paar Reitknechte bei dem gestürzten Tiere zurückblieben.
Camoens wußte jetzt, daß er eine jener Übungen geschaut habe, von denen
ihm schon Bartolomeo Okaz und darnach Joao, Barretos Hausmeister, soviel
erzählt hatten. Der junge Herrscher hatte einige hundert Bürgerssöhne seiner
Hauptstadt zu einer Schnur vereinigt, mit der er die härtesten Anstrengungen
und Entbehrungen teilte, um sie und sich für die Landung und den Feldzug in
Marokko vorzubereiten.

Ob er wollen mochte oder nicht, Camoens hatte die erschreckende Dürftig¬
keit der Mittel, der Rüstung selbst, in diesem Schauspiel erkennen, hatte über
das Geschaute nachdenken und sich an so vieles erinnern müssen, was er früher
von seinem Gastfreunde vernommen hatte. Über den Tag der Abfahrt des
Königs von Lissabon zum erstenmale hinausdeutend, hatte anch er plötzlich jene
dunkle Besorgnis, jenes Bangen verspürt, von denen er den Freund befangen
sah, so oft der Pläne Dom Sebastians gedacht wurde. Umsonst hatte Camoens
sich auch jetzt wieder zugerufen: Der König muß hinweg! und das Bild Cata-
rinas heraufbeschworen. Mit unwiderstehlicher Gewalt war hente das Bewußt¬
sein über ihn gekommen, daß der König nicht allein gehe; scheu und mit ver¬
düsterten Sinn hatte er sich wieder zu seiner Handschrift zurückgewendet und
mit den Versen gerungen, die er begonnen hatte. Was er sich fest vorgesetzt
hatte, dünkte ihm mit einemmale wieder unmöglich, ein Frevel, die Heralls¬
forderung eines ungeheuern Schicksals — und das gleichmäßige Plätschern des
Brunnens vor ihm weckte den kriegerisch stolzen Klang in seinen Worten nicht
wieder, mit dem er den König emporznrufen und hinwegznschenchen gedacht hatte!

(Fortsetzung folgt.)




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[0498] Lamoens. hatte, lagen die Boote verlassen, von wenigen Männern bewacht, am Strande. Landeinwärts aber, von dichter Staubwolke umhüllt, bewegten sich im gewalt¬ samen Lauf die vier oder fünfhundert Gerüsteter, welche der König über die heiße, ode Dttneusläche mehr mit sich fortriß, als daß er sie führte. Bis zu dem grünen Wall, von welchem Camoens, sich weit vorbeugend, das merkwür¬ dige Schauspiel mit ansah, schallten die wilden Zornrufe, die leidenschaftlich gegebnen Befehle des jungen Fürsten, Herr Luis konnte deutlich wahrnehmen, daß der König sich selbst so wenig schonte als die Leute, die er über die unwegsame Ebne, durch den heißesten Sonnenbrand dem Kirchturm von Sarra- zola zuleucheu ließ. Das letzte, was Camoens unterschied, war, daß das überangestrengte Noß Sebastians unter seinem Reiter zusammenbrach, der König sich, ohne einen Augenblick zu zögern, zu Fuß an die Spitze seiner Schaar setzte, während ein paar Reitknechte bei dem gestürzten Tiere zurückblieben. Camoens wußte jetzt, daß er eine jener Übungen geschaut habe, von denen ihm schon Bartolomeo Okaz und darnach Joao, Barretos Hausmeister, soviel erzählt hatten. Der junge Herrscher hatte einige hundert Bürgerssöhne seiner Hauptstadt zu einer Schnur vereinigt, mit der er die härtesten Anstrengungen und Entbehrungen teilte, um sie und sich für die Landung und den Feldzug in Marokko vorzubereiten. Ob er wollen mochte oder nicht, Camoens hatte die erschreckende Dürftig¬ keit der Mittel, der Rüstung selbst, in diesem Schauspiel erkennen, hatte über das Geschaute nachdenken und sich an so vieles erinnern müssen, was er früher von seinem Gastfreunde vernommen hatte. Über den Tag der Abfahrt des Königs von Lissabon zum erstenmale hinausdeutend, hatte anch er plötzlich jene dunkle Besorgnis, jenes Bangen verspürt, von denen er den Freund befangen sah, so oft der Pläne Dom Sebastians gedacht wurde. Umsonst hatte Camoens sich auch jetzt wieder zugerufen: Der König muß hinweg! und das Bild Cata- rinas heraufbeschworen. Mit unwiderstehlicher Gewalt war hente das Bewußt¬ sein über ihn gekommen, daß der König nicht allein gehe; scheu und mit ver¬ düsterten Sinn hatte er sich wieder zu seiner Handschrift zurückgewendet und mit den Versen gerungen, die er begonnen hatte. Was er sich fest vorgesetzt hatte, dünkte ihm mit einemmale wieder unmöglich, ein Frevel, die Heralls¬ forderung eines ungeheuern Schicksals — und das gleichmäßige Plätschern des Brunnens vor ihm weckte den kriegerisch stolzen Klang in seinen Worten nicht wieder, mit dem er den König emporznrufen und hinwegznschenchen gedacht hatte! (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/498>, abgerufen am 24.07.2024.