Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lamoons.

ihr enthüllte. Zugleich aber fühlte sie eine dunkle Furcht; sie wußte nicht, was
der nächste Augenblick bringen würde, und rang umsonst nach einem Worte, das
dem König ihre Teilnahme ausdrückte und ihn dennoch hinderte, ihr mehr zu
sagen. Sie blickte rückwärts, ob das Gefolge nicht rascher herankomme, allein
Senhor Casalinho, des Königs Jägermeister, hielt die Reiter fortgesetzt in gleichem
Abstand und verhinderte selbst den alten Miraflores, sich seiner Herrin auch nnr
um eine Pferdelänge zu nähern. Ihr war zu Mute, als ob die Luft schwüler
und schwüler würde, die Pinien, welche hier zwischen dem Lnubholz wuchsen,
strömte" in der Mittagsglut ihren Harzduft weithin ans, und Catarina zog
ihren Hut tiefer in die Stirn, um die Rügen besser vor den heißen Strahlen
zu schirmen oder um die Blicke Dom Sebastians abzuwehren, die erwartend
auf sie gerichtet waren. Sie öffnete und schloß die Lippen wieder und fühlte,
daß sie in Gefahr stand, dem Könige ihren tiefen Widerwillen gegen seine Um¬
gebungen und namentlich gegen den Prior von Belem zu verraten. Doch
wartete der König selbst nicht ab, daß sie sich zum Sprechen zwang.

Auf den Eingang zu einem engen Felsthale deutend sagte er: In jenem
Waldgrunde hätte ich heute Morgen gejagt, Herrin, wenn mir nicht die Kunde
geworden wäre, daß ich Euch bei der Mutter aller Gnaden finden würde. Da
hielt ich mich nicht und strebte Euch nach, und nun möchte ich, daß Ihr alles
fähet und vernahmet, was mir wert ist. Ihr tragt doch keine Scheu, mir dort¬
hinein zu folgen? Der Weg ist ein wenig unbequemer als dieser, aber mit
einem guten Pferde wie dem Euern völlig gefahrlos. Ich will Euch die Plätze
zeigen, wo ich deu letzten Bären bestanden habe, der in dieser Schlucht hauste,
und wo ich ganz allein den Eber niederstieß, dessen Hauer ich der Herzogin
sandte. Und vor allem den Quell, an dem mir der heilige Jakob vom Schwert
erschienen ist und mich in dem Gedanken des Zuges gegen Marokko bestärkt
hat. So oft ich in meinem Vorsätze wankend wurde, habe ich an dieser Stelle
Glauben und Zuversicht wiedergewonnen. Mir ist, als könnte ich besser zu
Euch reden, wenn Ihr die stillen Plätze alle zuvor geschaut habt, an denen ich
meine glücklichsten Stunden verlebt habe.

Catarina hauchte auch jetzt nur mühsam hervor: Gern werde ich sehen,
Herr, was Eurer Majestät gefällt, mir zu zeigen! In dem gleichen Augenblicke
aber fuhr ein Windstoß daher und wirbelte eine Staubwolke um den König
und Catarina auf. Als das junge Mädchen betroffen emporblickte, nahm sie
wahr, daß das Stück blauen Mittagshimmels über dem engen Felsthale und
dem Waldrande, an dem sie hielten, halb verfinstert war. Gleichzeitig galoppirte
der Jägermeister des Königs heran, hielt zwar in respektvoller Entfernung, aber
doch so, daß er von dem jungen Fürsten verstanden werden konnte, und sagte:
Erlauchter Herr! so viel sich hier urteilen läßt, zieht ein schweres Wetter über
die Berge von Nazarros heran. Eure Majestät wolle entscheide", ob der Ritt
fortgesetzt werden soll.


Lamoons.

ihr enthüllte. Zugleich aber fühlte sie eine dunkle Furcht; sie wußte nicht, was
der nächste Augenblick bringen würde, und rang umsonst nach einem Worte, das
dem König ihre Teilnahme ausdrückte und ihn dennoch hinderte, ihr mehr zu
sagen. Sie blickte rückwärts, ob das Gefolge nicht rascher herankomme, allein
Senhor Casalinho, des Königs Jägermeister, hielt die Reiter fortgesetzt in gleichem
Abstand und verhinderte selbst den alten Miraflores, sich seiner Herrin auch nnr
um eine Pferdelänge zu nähern. Ihr war zu Mute, als ob die Luft schwüler
und schwüler würde, die Pinien, welche hier zwischen dem Lnubholz wuchsen,
strömte» in der Mittagsglut ihren Harzduft weithin ans, und Catarina zog
ihren Hut tiefer in die Stirn, um die Rügen besser vor den heißen Strahlen
zu schirmen oder um die Blicke Dom Sebastians abzuwehren, die erwartend
auf sie gerichtet waren. Sie öffnete und schloß die Lippen wieder und fühlte,
daß sie in Gefahr stand, dem Könige ihren tiefen Widerwillen gegen seine Um¬
gebungen und namentlich gegen den Prior von Belem zu verraten. Doch
wartete der König selbst nicht ab, daß sie sich zum Sprechen zwang.

Auf den Eingang zu einem engen Felsthale deutend sagte er: In jenem
Waldgrunde hätte ich heute Morgen gejagt, Herrin, wenn mir nicht die Kunde
geworden wäre, daß ich Euch bei der Mutter aller Gnaden finden würde. Da
hielt ich mich nicht und strebte Euch nach, und nun möchte ich, daß Ihr alles
fähet und vernahmet, was mir wert ist. Ihr tragt doch keine Scheu, mir dort¬
hinein zu folgen? Der Weg ist ein wenig unbequemer als dieser, aber mit
einem guten Pferde wie dem Euern völlig gefahrlos. Ich will Euch die Plätze
zeigen, wo ich deu letzten Bären bestanden habe, der in dieser Schlucht hauste,
und wo ich ganz allein den Eber niederstieß, dessen Hauer ich der Herzogin
sandte. Und vor allem den Quell, an dem mir der heilige Jakob vom Schwert
erschienen ist und mich in dem Gedanken des Zuges gegen Marokko bestärkt
hat. So oft ich in meinem Vorsätze wankend wurde, habe ich an dieser Stelle
Glauben und Zuversicht wiedergewonnen. Mir ist, als könnte ich besser zu
Euch reden, wenn Ihr die stillen Plätze alle zuvor geschaut habt, an denen ich
meine glücklichsten Stunden verlebt habe.

Catarina hauchte auch jetzt nur mühsam hervor: Gern werde ich sehen,
Herr, was Eurer Majestät gefällt, mir zu zeigen! In dem gleichen Augenblicke
aber fuhr ein Windstoß daher und wirbelte eine Staubwolke um den König
und Catarina auf. Als das junge Mädchen betroffen emporblickte, nahm sie
wahr, daß das Stück blauen Mittagshimmels über dem engen Felsthale und
dem Waldrande, an dem sie hielten, halb verfinstert war. Gleichzeitig galoppirte
der Jägermeister des Königs heran, hielt zwar in respektvoller Entfernung, aber
doch so, daß er von dem jungen Fürsten verstanden werden konnte, und sagte:
Erlauchter Herr! so viel sich hier urteilen läßt, zieht ein schweres Wetter über
die Berge von Nazarros heran. Eure Majestät wolle entscheide», ob der Ritt
fortgesetzt werden soll.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198114"/>
          <fw type="header" place="top"> Lamoons.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_135" prev="#ID_134"> ihr enthüllte. Zugleich aber fühlte sie eine dunkle Furcht; sie wußte nicht, was<lb/>
der nächste Augenblick bringen würde, und rang umsonst nach einem Worte, das<lb/>
dem König ihre Teilnahme ausdrückte und ihn dennoch hinderte, ihr mehr zu<lb/>
sagen. Sie blickte rückwärts, ob das Gefolge nicht rascher herankomme, allein<lb/>
Senhor Casalinho, des Königs Jägermeister, hielt die Reiter fortgesetzt in gleichem<lb/>
Abstand und verhinderte selbst den alten Miraflores, sich seiner Herrin auch nnr<lb/>
um eine Pferdelänge zu nähern. Ihr war zu Mute, als ob die Luft schwüler<lb/>
und schwüler würde, die Pinien, welche hier zwischen dem Lnubholz wuchsen,<lb/>
strömte» in der Mittagsglut ihren Harzduft weithin ans, und Catarina zog<lb/>
ihren Hut tiefer in die Stirn, um die Rügen besser vor den heißen Strahlen<lb/>
zu schirmen oder um die Blicke Dom Sebastians abzuwehren, die erwartend<lb/>
auf sie gerichtet waren. Sie öffnete und schloß die Lippen wieder und fühlte,<lb/>
daß sie in Gefahr stand, dem Könige ihren tiefen Widerwillen gegen seine Um¬<lb/>
gebungen und namentlich gegen den Prior von Belem zu verraten. Doch<lb/>
wartete der König selbst nicht ab, daß sie sich zum Sprechen zwang.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_136"> Auf den Eingang zu einem engen Felsthale deutend sagte er: In jenem<lb/>
Waldgrunde hätte ich heute Morgen gejagt, Herrin, wenn mir nicht die Kunde<lb/>
geworden wäre, daß ich Euch bei der Mutter aller Gnaden finden würde. Da<lb/>
hielt ich mich nicht und strebte Euch nach, und nun möchte ich, daß Ihr alles<lb/>
fähet und vernahmet, was mir wert ist. Ihr tragt doch keine Scheu, mir dort¬<lb/>
hinein zu folgen? Der Weg ist ein wenig unbequemer als dieser, aber mit<lb/>
einem guten Pferde wie dem Euern völlig gefahrlos. Ich will Euch die Plätze<lb/>
zeigen, wo ich deu letzten Bären bestanden habe, der in dieser Schlucht hauste,<lb/>
und wo ich ganz allein den Eber niederstieß, dessen Hauer ich der Herzogin<lb/>
sandte. Und vor allem den Quell, an dem mir der heilige Jakob vom Schwert<lb/>
erschienen ist und mich in dem Gedanken des Zuges gegen Marokko bestärkt<lb/>
hat. So oft ich in meinem Vorsätze wankend wurde, habe ich an dieser Stelle<lb/>
Glauben und Zuversicht wiedergewonnen. Mir ist, als könnte ich besser zu<lb/>
Euch reden, wenn Ihr die stillen Plätze alle zuvor geschaut habt, an denen ich<lb/>
meine glücklichsten Stunden verlebt habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_137"> Catarina hauchte auch jetzt nur mühsam hervor: Gern werde ich sehen,<lb/>
Herr, was Eurer Majestät gefällt, mir zu zeigen! In dem gleichen Augenblicke<lb/>
aber fuhr ein Windstoß daher und wirbelte eine Staubwolke um den König<lb/>
und Catarina auf. Als das junge Mädchen betroffen emporblickte, nahm sie<lb/>
wahr, daß das Stück blauen Mittagshimmels über dem engen Felsthale und<lb/>
dem Waldrande, an dem sie hielten, halb verfinstert war. Gleichzeitig galoppirte<lb/>
der Jägermeister des Königs heran, hielt zwar in respektvoller Entfernung, aber<lb/>
doch so, daß er von dem jungen Fürsten verstanden werden konnte, und sagte:<lb/>
Erlauchter Herr! so viel sich hier urteilen läßt, zieht ein schweres Wetter über<lb/>
die Berge von Nazarros heran. Eure Majestät wolle entscheide», ob der Ritt<lb/>
fortgesetzt werden soll.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] Lamoons. ihr enthüllte. Zugleich aber fühlte sie eine dunkle Furcht; sie wußte nicht, was der nächste Augenblick bringen würde, und rang umsonst nach einem Worte, das dem König ihre Teilnahme ausdrückte und ihn dennoch hinderte, ihr mehr zu sagen. Sie blickte rückwärts, ob das Gefolge nicht rascher herankomme, allein Senhor Casalinho, des Königs Jägermeister, hielt die Reiter fortgesetzt in gleichem Abstand und verhinderte selbst den alten Miraflores, sich seiner Herrin auch nnr um eine Pferdelänge zu nähern. Ihr war zu Mute, als ob die Luft schwüler und schwüler würde, die Pinien, welche hier zwischen dem Lnubholz wuchsen, strömte» in der Mittagsglut ihren Harzduft weithin ans, und Catarina zog ihren Hut tiefer in die Stirn, um die Rügen besser vor den heißen Strahlen zu schirmen oder um die Blicke Dom Sebastians abzuwehren, die erwartend auf sie gerichtet waren. Sie öffnete und schloß die Lippen wieder und fühlte, daß sie in Gefahr stand, dem Könige ihren tiefen Widerwillen gegen seine Um¬ gebungen und namentlich gegen den Prior von Belem zu verraten. Doch wartete der König selbst nicht ab, daß sie sich zum Sprechen zwang. Auf den Eingang zu einem engen Felsthale deutend sagte er: In jenem Waldgrunde hätte ich heute Morgen gejagt, Herrin, wenn mir nicht die Kunde geworden wäre, daß ich Euch bei der Mutter aller Gnaden finden würde. Da hielt ich mich nicht und strebte Euch nach, und nun möchte ich, daß Ihr alles fähet und vernahmet, was mir wert ist. Ihr tragt doch keine Scheu, mir dort¬ hinein zu folgen? Der Weg ist ein wenig unbequemer als dieser, aber mit einem guten Pferde wie dem Euern völlig gefahrlos. Ich will Euch die Plätze zeigen, wo ich deu letzten Bären bestanden habe, der in dieser Schlucht hauste, und wo ich ganz allein den Eber niederstieß, dessen Hauer ich der Herzogin sandte. Und vor allem den Quell, an dem mir der heilige Jakob vom Schwert erschienen ist und mich in dem Gedanken des Zuges gegen Marokko bestärkt hat. So oft ich in meinem Vorsätze wankend wurde, habe ich an dieser Stelle Glauben und Zuversicht wiedergewonnen. Mir ist, als könnte ich besser zu Euch reden, wenn Ihr die stillen Plätze alle zuvor geschaut habt, an denen ich meine glücklichsten Stunden verlebt habe. Catarina hauchte auch jetzt nur mühsam hervor: Gern werde ich sehen, Herr, was Eurer Majestät gefällt, mir zu zeigen! In dem gleichen Augenblicke aber fuhr ein Windstoß daher und wirbelte eine Staubwolke um den König und Catarina auf. Als das junge Mädchen betroffen emporblickte, nahm sie wahr, daß das Stück blauen Mittagshimmels über dem engen Felsthale und dem Waldrande, an dem sie hielten, halb verfinstert war. Gleichzeitig galoppirte der Jägermeister des Königs heran, hielt zwar in respektvoller Entfernung, aber doch so, daß er von dem jungen Fürsten verstanden werden konnte, und sagte: Erlauchter Herr! so viel sich hier urteilen läßt, zieht ein schweres Wetter über die Berge von Nazarros heran. Eure Majestät wolle entscheide», ob der Ritt fortgesetzt werden soll.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/48>, abgerufen am 04.07.2024.