Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.der König einen Zweig hob, schien er goldne Funken über das Haupt seiner So laßt mich Euch sagen, Herr, daß es mich schmerzt, wenn Ihr Menschen Ihr werdet aus dem Sattel stürzen in Eurem Eifer, Herrin! unterbrach Ich habe es gefürchtet, daß Ihr denkt, wie Ihr eben kundgabt, Donna Ich bin es gewiß! versetzte die junge Gräfin, welche mit Befremden die Nicht doch, nicht doch! murmelte König Sebastian, ich bin Euch dankbar, Catarina Palmeirim sah und hörte mit wachsendem Bangen auf den König. der König einen Zweig hob, schien er goldne Funken über das Haupt seiner So laßt mich Euch sagen, Herr, daß es mich schmerzt, wenn Ihr Menschen Ihr werdet aus dem Sattel stürzen in Eurem Eifer, Herrin! unterbrach Ich habe es gefürchtet, daß Ihr denkt, wie Ihr eben kundgabt, Donna Ich bin es gewiß! versetzte die junge Gräfin, welche mit Befremden die Nicht doch, nicht doch! murmelte König Sebastian, ich bin Euch dankbar, Catarina Palmeirim sah und hörte mit wachsendem Bangen auf den König. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198113"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_128" prev="#ID_127"> der König einen Zweig hob, schien er goldne Funken über das Haupt seiner<lb/> Begleiterin zu schütten. Catariua konnte in der grünen Dämmerung den düstern<lb/> Ausdruck seines Gesichtes nicht wahrnehmen, aber der Klang seiner letzten Worte<lb/> und die ritterliche Sorgfalt, die er auch jetzt für sie zeigte, ergriffen sie so,<lb/> daß sie ihre stummen Gelübde kluger Vorsicht brach und aufwallend rief:</p><lb/> <p xml:id="ID_129"> So laßt mich Euch sagen, Herr, daß es mich schmerzt, wenn Ihr Menschen<lb/> Euer Ohr leiht, denen die Niedrigkeit und die Lüge ans der Stirn geschrieben<lb/> steht, wie das Gezücht, das vor zwei Abenden zu Euch herankroch! Laßt mich<lb/> sagen, daß es mir königlicher schiene, Eure Majestät leistete ans alle Eroberungen<lb/> Verzicht, als daß Ihr in Eurem Lande den Mohrenfürsten mit seinen Stummen<lb/> und Henkern duldet und ihm Gewalt gebt — daß Ihr —</p><lb/> <p xml:id="ID_130"> Ihr werdet aus dem Sattel stürzen in Eurem Eifer, Herrin! unterbrach<lb/> der König die Schöne, welche in der That vergaß, daß sie ein Pferd zu lenken<lb/> hatte, und erst, als Dom Sebastian hilfreich ihren Arm ergriff, die Gefahr<lb/> bemerkte. Der König zürnte offenbar nicht, aber er schwieg einige Minuten,<lb/> und als sie den Schatten der Kastanien hinter sich ließen und eine Strecke<lb/> auf sonniger, baumloser Straße ritten, vernahm Catarina einen tiefen Seufzer.<lb/> Vor sich hinblickend sagte der junge Fürst:</p><lb/> <p xml:id="ID_131"> Ich habe es gefürchtet, daß Ihr denkt, wie Ihr eben kundgabt, Donna<lb/> Catarina! Ich fühle mich oft versucht, wie Ihr zu denken, doch hat man mich<lb/> gelehrt, der eignen Wallung immer zu mißtrauen und sie niederzukämpfen!<lb/> Ihr verzeiht mir eine Frage: Seid Ihr sicher, daß Euer Beichtiger streng und<lb/> rein und ohne Wanken in unserm heiligen Glauben ist?</p><lb/> <p xml:id="ID_132"> Ich bin es gewiß! versetzte die junge Gräfin, welche mit Befremden die<lb/> Frage vernommen hatte. Eure Majestät sieht, daß ich besser gethan hätte, in Ehr¬<lb/> furcht zu schweige»; meine Thorheit, meine kindische Offenherzigkeit laßt Ihr<lb/> auf meinen Beichtvater zurückfallen, Herr!</p><lb/> <p xml:id="ID_133"> Nicht doch, nicht doch! murmelte König Sebastian, ich bin Euch dankbar,<lb/> daß Ihr zu mir sprecht, wie Ihr fühlt, und ich habe dort oben schon nach<lb/> Eltern Worten gethan. Versagt mir das Glück nicht, Eures Herzens Meinung<lb/> zu vernehmen! Wußtet Ihr, wie oft ich einsam durch diese Thäler gestreift<lb/> bin und nach einem wahren Worte heißer gelechzt habe als nach einem Trunk<lb/> aus dem Quell! Im Palast meinten sie, daß ich mit Eifer den Wildkatzen nach¬<lb/> stellte, die im Dickicht der Bergschluchten Hausen, und mögen oft über meine Jagdlust<lb/> gescholten haben, wenn ich nur darüber grübelte, ob ich mein Alleinsein als ein<lb/> Unglück oder als eine Gnade Gottes betrachten sollte. Wußtet Ihr, wie öde,<lb/> wie furchtbar zu Zeiten das Alleinsein ist, es würde Euch nicht reuen, mir<lb/> eine Stunde wie diese gegönnt zu haben!</p><lb/> <p xml:id="ID_134" next="#ID_135"> Catarina Palmeirim sah und hörte mit wachsendem Bangen auf den König.<lb/> In ihrer Seele regte sich ein tiefes, zartes Mitleid für den jungen Herrscher,<lb/> welcher sonst so schroff und unnahbar erschien und jetzt sein innerstes Herz vor</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
der König einen Zweig hob, schien er goldne Funken über das Haupt seiner
Begleiterin zu schütten. Catariua konnte in der grünen Dämmerung den düstern
Ausdruck seines Gesichtes nicht wahrnehmen, aber der Klang seiner letzten Worte
und die ritterliche Sorgfalt, die er auch jetzt für sie zeigte, ergriffen sie so,
daß sie ihre stummen Gelübde kluger Vorsicht brach und aufwallend rief:
So laßt mich Euch sagen, Herr, daß es mich schmerzt, wenn Ihr Menschen
Euer Ohr leiht, denen die Niedrigkeit und die Lüge ans der Stirn geschrieben
steht, wie das Gezücht, das vor zwei Abenden zu Euch herankroch! Laßt mich
sagen, daß es mir königlicher schiene, Eure Majestät leistete ans alle Eroberungen
Verzicht, als daß Ihr in Eurem Lande den Mohrenfürsten mit seinen Stummen
und Henkern duldet und ihm Gewalt gebt — daß Ihr —
Ihr werdet aus dem Sattel stürzen in Eurem Eifer, Herrin! unterbrach
der König die Schöne, welche in der That vergaß, daß sie ein Pferd zu lenken
hatte, und erst, als Dom Sebastian hilfreich ihren Arm ergriff, die Gefahr
bemerkte. Der König zürnte offenbar nicht, aber er schwieg einige Minuten,
und als sie den Schatten der Kastanien hinter sich ließen und eine Strecke
auf sonniger, baumloser Straße ritten, vernahm Catarina einen tiefen Seufzer.
Vor sich hinblickend sagte der junge Fürst:
Ich habe es gefürchtet, daß Ihr denkt, wie Ihr eben kundgabt, Donna
Catarina! Ich fühle mich oft versucht, wie Ihr zu denken, doch hat man mich
gelehrt, der eignen Wallung immer zu mißtrauen und sie niederzukämpfen!
Ihr verzeiht mir eine Frage: Seid Ihr sicher, daß Euer Beichtiger streng und
rein und ohne Wanken in unserm heiligen Glauben ist?
Ich bin es gewiß! versetzte die junge Gräfin, welche mit Befremden die
Frage vernommen hatte. Eure Majestät sieht, daß ich besser gethan hätte, in Ehr¬
furcht zu schweige»; meine Thorheit, meine kindische Offenherzigkeit laßt Ihr
auf meinen Beichtvater zurückfallen, Herr!
Nicht doch, nicht doch! murmelte König Sebastian, ich bin Euch dankbar,
daß Ihr zu mir sprecht, wie Ihr fühlt, und ich habe dort oben schon nach
Eltern Worten gethan. Versagt mir das Glück nicht, Eures Herzens Meinung
zu vernehmen! Wußtet Ihr, wie oft ich einsam durch diese Thäler gestreift
bin und nach einem wahren Worte heißer gelechzt habe als nach einem Trunk
aus dem Quell! Im Palast meinten sie, daß ich mit Eifer den Wildkatzen nach¬
stellte, die im Dickicht der Bergschluchten Hausen, und mögen oft über meine Jagdlust
gescholten haben, wenn ich nur darüber grübelte, ob ich mein Alleinsein als ein
Unglück oder als eine Gnade Gottes betrachten sollte. Wußtet Ihr, wie öde,
wie furchtbar zu Zeiten das Alleinsein ist, es würde Euch nicht reuen, mir
eine Stunde wie diese gegönnt zu haben!
Catarina Palmeirim sah und hörte mit wachsendem Bangen auf den König.
In ihrer Seele regte sich ein tiefes, zartes Mitleid für den jungen Herrscher,
welcher sonst so schroff und unnahbar erschien und jetzt sein innerstes Herz vor
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