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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Dom Sebastian vernahm mit Unmut die Worte des ehrerbietig harrenden.
Ehe er noch etwas erwiedern konnte, drängte der alte Miraflores sein Pferd
an Senhor Casalinho vorüber und rief der Gräfin zu: Es ist keine Zeit zu
verlieren. Herrin, wenn Ihr noch vor dem Schlimmsten Cintra erreichen wollt.
Die Wetter, die von dort herüber kommen, Pflegen die raschesten und die zor¬
nigsten zu sein.

Wie zur Bekräftigung der Warnung trieb ein neuer plötzlicher Windstoß,
der zu Füßen der Pferde Sand und vertrocknetes Laub aufwirbelte, hoch über
den Reitern dunkle, gelbgerändcrte Wolken in wildem Fluge hin. Auf Augen¬
blicke ward der Himmel wieder Heller, doch nur um alsbald von tiefer hängenden
Wolkenmassen aufs neue verfinstert zu werden. König Sebastian blickte mehr¬
mals empor, ehe er sich entschloß zu sagen:

Ich weiche keinem Wetter, doch möchte ich Euch in Sicherheit wissen, Donna
Catarina! Wenn Ihr es nicht vorzieht, Zuflucht in der Jagdhütte zu suchen,
die ich mir eine Stunde von hier im Dickicht der .Lerdaschlucht errichten ließ,
so gebe ich den Befehl, den Rückweg nach Cintra einzuschlagen.

Obschon Catarina in den Zügen des Königs den Wunsch las, daß sie den
Schutz seiner Jagdhütte vorziehen möchte, so entgegnete sie doch rasch: Eure
Majestät, ich bin es meiner mütterlichen Beschützerin, der Herzogin, schuldig, sie
nicht in peinlicher Sorge um mich zu lassen!

Wie Ihr wollt, Gräfin, wie es Euch gefällt! sagte Dom Sebastian und
scheuchte mit einem Blicke den Stallmeister Catarincis zu dem übrigen Gefolge
zurück. Wollen wir zurück, so müssen wir die nächste Straße einschlagen, dn
kennst sie, Casalinho, reite uns vorauf und führe uns gut!

Der Jägermeister bat um Erlaubnis. das Gefolge in Kenntnis zu setzen,
eine Minute später kam er zurück: Eure Majestät gestattet, daß wir im
schärfsten Trab reiten, vielleicht erreichen wir Cintra noch vor Losbruch des
Wetters!

Vorwärts also! sagte der König, indem er seinen Mißmut bezwang. Viel¬
leicht sehen die Dinge hier schlimmer aus, als sie in Wahrheit stehen. Je
weniger Ihr Euer Pferd schont, Donna Catarina, umso früher wird die Her¬
zogin von ihrer Unruhe erlöst.

Die kleine Reiterschaar stob weiter, als ob sie der Gewitterwind beflügelte,
welcher sich in der Thalschlucht verfangen hatte. Hinter ihnen drein grollten
die ersten zwischen den Bergen widerhallenden Donner, vor ihnen durchleuchtete
ein zackiger Blitz die dunkle Wolkenwand, die sich ins Thal hereinsenkte. Kata¬
rinas Pferd bäumte erschreckt auf, der König, welcher wieder in die Zügel seiner
Begleiterin griff, riß es nieder und sagte lächelnd: Mein Roß scheut nicht, ich
habe es an den Blitz von Geschützen gewöhnen lassen.

Sie vermochte nichts zu antworten. Die fremdartigen Erlebnisse dieses
Tages begannen sie zu überwältigen, sie empfand plötzlich die erstickende Schwüle


Grenzboten II. 1886 6

Dom Sebastian vernahm mit Unmut die Worte des ehrerbietig harrenden.
Ehe er noch etwas erwiedern konnte, drängte der alte Miraflores sein Pferd
an Senhor Casalinho vorüber und rief der Gräfin zu: Es ist keine Zeit zu
verlieren. Herrin, wenn Ihr noch vor dem Schlimmsten Cintra erreichen wollt.
Die Wetter, die von dort herüber kommen, Pflegen die raschesten und die zor¬
nigsten zu sein.

Wie zur Bekräftigung der Warnung trieb ein neuer plötzlicher Windstoß,
der zu Füßen der Pferde Sand und vertrocknetes Laub aufwirbelte, hoch über
den Reitern dunkle, gelbgerändcrte Wolken in wildem Fluge hin. Auf Augen¬
blicke ward der Himmel wieder Heller, doch nur um alsbald von tiefer hängenden
Wolkenmassen aufs neue verfinstert zu werden. König Sebastian blickte mehr¬
mals empor, ehe er sich entschloß zu sagen:

Ich weiche keinem Wetter, doch möchte ich Euch in Sicherheit wissen, Donna
Catarina! Wenn Ihr es nicht vorzieht, Zuflucht in der Jagdhütte zu suchen,
die ich mir eine Stunde von hier im Dickicht der .Lerdaschlucht errichten ließ,
so gebe ich den Befehl, den Rückweg nach Cintra einzuschlagen.

Obschon Catarina in den Zügen des Königs den Wunsch las, daß sie den
Schutz seiner Jagdhütte vorziehen möchte, so entgegnete sie doch rasch: Eure
Majestät, ich bin es meiner mütterlichen Beschützerin, der Herzogin, schuldig, sie
nicht in peinlicher Sorge um mich zu lassen!

Wie Ihr wollt, Gräfin, wie es Euch gefällt! sagte Dom Sebastian und
scheuchte mit einem Blicke den Stallmeister Catarincis zu dem übrigen Gefolge
zurück. Wollen wir zurück, so müssen wir die nächste Straße einschlagen, dn
kennst sie, Casalinho, reite uns vorauf und führe uns gut!

Der Jägermeister bat um Erlaubnis. das Gefolge in Kenntnis zu setzen,
eine Minute später kam er zurück: Eure Majestät gestattet, daß wir im
schärfsten Trab reiten, vielleicht erreichen wir Cintra noch vor Losbruch des
Wetters!

Vorwärts also! sagte der König, indem er seinen Mißmut bezwang. Viel¬
leicht sehen die Dinge hier schlimmer aus, als sie in Wahrheit stehen. Je
weniger Ihr Euer Pferd schont, Donna Catarina, umso früher wird die Her¬
zogin von ihrer Unruhe erlöst.

Die kleine Reiterschaar stob weiter, als ob sie der Gewitterwind beflügelte,
welcher sich in der Thalschlucht verfangen hatte. Hinter ihnen drein grollten
die ersten zwischen den Bergen widerhallenden Donner, vor ihnen durchleuchtete
ein zackiger Blitz die dunkle Wolkenwand, die sich ins Thal hereinsenkte. Kata¬
rinas Pferd bäumte erschreckt auf, der König, welcher wieder in die Zügel seiner
Begleiterin griff, riß es nieder und sagte lächelnd: Mein Roß scheut nicht, ich
habe es an den Blitz von Geschützen gewöhnen lassen.

Sie vermochte nichts zu antworten. Die fremdartigen Erlebnisse dieses
Tages begannen sie zu überwältigen, sie empfand plötzlich die erstickende Schwüle


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[0049] Dom Sebastian vernahm mit Unmut die Worte des ehrerbietig harrenden. Ehe er noch etwas erwiedern konnte, drängte der alte Miraflores sein Pferd an Senhor Casalinho vorüber und rief der Gräfin zu: Es ist keine Zeit zu verlieren. Herrin, wenn Ihr noch vor dem Schlimmsten Cintra erreichen wollt. Die Wetter, die von dort herüber kommen, Pflegen die raschesten und die zor¬ nigsten zu sein. Wie zur Bekräftigung der Warnung trieb ein neuer plötzlicher Windstoß, der zu Füßen der Pferde Sand und vertrocknetes Laub aufwirbelte, hoch über den Reitern dunkle, gelbgerändcrte Wolken in wildem Fluge hin. Auf Augen¬ blicke ward der Himmel wieder Heller, doch nur um alsbald von tiefer hängenden Wolkenmassen aufs neue verfinstert zu werden. König Sebastian blickte mehr¬ mals empor, ehe er sich entschloß zu sagen: Ich weiche keinem Wetter, doch möchte ich Euch in Sicherheit wissen, Donna Catarina! Wenn Ihr es nicht vorzieht, Zuflucht in der Jagdhütte zu suchen, die ich mir eine Stunde von hier im Dickicht der .Lerdaschlucht errichten ließ, so gebe ich den Befehl, den Rückweg nach Cintra einzuschlagen. Obschon Catarina in den Zügen des Königs den Wunsch las, daß sie den Schutz seiner Jagdhütte vorziehen möchte, so entgegnete sie doch rasch: Eure Majestät, ich bin es meiner mütterlichen Beschützerin, der Herzogin, schuldig, sie nicht in peinlicher Sorge um mich zu lassen! Wie Ihr wollt, Gräfin, wie es Euch gefällt! sagte Dom Sebastian und scheuchte mit einem Blicke den Stallmeister Catarincis zu dem übrigen Gefolge zurück. Wollen wir zurück, so müssen wir die nächste Straße einschlagen, dn kennst sie, Casalinho, reite uns vorauf und führe uns gut! Der Jägermeister bat um Erlaubnis. das Gefolge in Kenntnis zu setzen, eine Minute später kam er zurück: Eure Majestät gestattet, daß wir im schärfsten Trab reiten, vielleicht erreichen wir Cintra noch vor Losbruch des Wetters! Vorwärts also! sagte der König, indem er seinen Mißmut bezwang. Viel¬ leicht sehen die Dinge hier schlimmer aus, als sie in Wahrheit stehen. Je weniger Ihr Euer Pferd schont, Donna Catarina, umso früher wird die Her¬ zogin von ihrer Unruhe erlöst. Die kleine Reiterschaar stob weiter, als ob sie der Gewitterwind beflügelte, welcher sich in der Thalschlucht verfangen hatte. Hinter ihnen drein grollten die ersten zwischen den Bergen widerhallenden Donner, vor ihnen durchleuchtete ein zackiger Blitz die dunkle Wolkenwand, die sich ins Thal hereinsenkte. Kata¬ rinas Pferd bäumte erschreckt auf, der König, welcher wieder in die Zügel seiner Begleiterin griff, riß es nieder und sagte lächelnd: Mein Roß scheut nicht, ich habe es an den Blitz von Geschützen gewöhnen lassen. Sie vermochte nichts zu antworten. Die fremdartigen Erlebnisse dieses Tages begannen sie zu überwältigen, sie empfand plötzlich die erstickende Schwüle Grenzboten II. 1886 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/49>, abgerufen am 28.12.2024.