Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Lehren ein Geschäft machen. Wenn sie sich uns wirklich in das Lehramt ein¬ Der Minister verabschiedete sich im März 1862 von seinen Räten mit der Grenzboten II. 1L86 48
Lehren ein Geschäft machen. Wenn sie sich uns wirklich in das Lehramt ein¬ Der Minister verabschiedete sich im März 1862 von seinen Räten mit der Grenzboten II. 1L86 48
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Lehren ein Geschäft machen. Wenn sie sich uns wirklich in das Lehramt ein¬
drängen sollten (durch Agitation des Abgeordnetenhauses), so würde ich lieber
mein Ministerium aufgeben" (I, 228). Dagegen machte der Minister einen
Unterschied zwischen Christentum und Kirche, der Wiese nicht zusagte. Wiese
scheint den Grund der Differenz darin zu suchen, daß Bethmann-Hollweg die
Kirche als freie christliche Gemeinschaft, nicht als Institution auffaßte. Für
Vilmar, Stahl und ähnlich gestellte Theologen hatte die „Institution" aller¬
dings große Bedeutung, eben deswegen nähern sie sich den Katholiken, sür die an
der Kirche das in8tiwwrn alles ist. Für die Evangelischen ist die Kirche beides,
einmal eine oong'rog'g.dio 8g.ne>t,orvmr, aber auch eine Institution in Predigt und
Sakrament, freilich eine Institution lluuuwi M-is. Es ist interessant, zu sehen,
wie sich im Christentnme der lebendige Geist lange Zeit gegen das Überwuchern
der „Institution" wehrt, ganz im Sinne des Erlösers; fast noch merkwürdiger,
wie verhältnismäßig jung auch die jüdische vorbildlich gewordne Form der
„Kirche" ist; denn der ganze Priesterkodex wird wenigstens von den besten
Forschern als nachexilisch angesehen. Aber die ganze Sache scheint in unserm
Zusammenhange nicht viel Bedeutung zu haben. Einfach gesagt wollte der
Minister nach der Verfassung zwar den Religionsunterricht der Volksschule von
den Vertretern der Konfessionskirchen leiten oder doch mitleiden lassen; für die
höhern Schulen aber lag die verfassungsmäßige Vorschrift uicht vor. Die General-
superintendenten und Bischöfe hatten zwar in früherer Zeit Einwirkung ans die
Religionsstunden und die Religionslehrer erhalten, aber das war eine nicht un-
aufhebliche Bestimmung. Bethmann-Hollwcg wollte mehr die Persönlichkeit des
in der Konfession aufgewachsenen Lehrers walten lassen und war darin etwas
idealistisch. Eine gewisse Subjektivität der Lehrer war ihm weniger bedenklich,
als eine von außen kvntrolirte Orthodoxie ihm wünschenswert war. Wir
unsrerseits kämpfen gegen die Ansicht, daß die sichtbare Kirche etwas andres
sei als die von den Gläubigen den Bedürfnissen angepaßte Form des religiösen
Zusammenlebens, aber wir können uicht leugnen, daß, auch so gefaßt, die Ver¬
treter der Kirche eine Einwirkung auf jeden Religionsunterricht der Uncr-
wachseuen, auch in den höhern Schulen, haben sollten, im Interesse der Kirche
und der Schule zugleich. Gewiß soll der Staat anch ein Gewissen haben, wenn
die Katholiken das auch leugnen, aber von Konfession hat der moderne Staat
doch zu wenig Kenntnisse. Glücklicherweise wird es auch mehr und mehr an¬
erkannt, daß die kirchlichen Gemeinschaften dem weltlichen Leben gute Dienste
leisten und nicht an sich mit Mißtrauen zu betrachten sind. Bethmann-Hollweg
erklärte viel später brieflich, er habe seinerzeit als Minister beabsichtigte Einzcl-
bestimmungen über den Religionsunterricht „mit Bewußtsein" zurückgehalten.
Er war vermutlich durch Einwirkung Wieses zur Klarheit darüber gekommen,
wie leicht auf diesem schwierigen Gebiete etwas zu verfehlen sei.
Der Minister verabschiedete sich im März 1862 von seinen Räten mit der
Grenzboten II. 1L86 48
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