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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

teils um in Oberitalien die Verlagswerke abzusetzen. In Italien ward Venedig,
das von vornherein die vornehmlichste Kolonie des deutschen Buchdrucks bildete,
auch der Hauptplatz für deu Buchhandel. Hase weist nun nach, daß nicht nur
Augsburg, was mau schon längst wußte, sondern anch Nürnberg ein wesent¬
liches Kontingent für den Venetianischen Büchermarkt stellte. Unter den übrigen
Zweigniederlassungen der Koberger sind solche in Ofen und Krakau, in Wien
und in Breslau mit Sicherheit aus den Geschäftsbriefen zu erweisen, während
die von einem frühern Bearbeiter des Lebens Anthoni Kobergers genannten
Plätze dnrch keinerlei urkundliche Beweise sich stützen lassen.

Von diesen festen Punkten aus zogen die Diener von Ort zu Ort und
hielten in den Herbergen ihre Waare feil. Noch ist uns eine ganze Reihe
gedruckter Bücherauzeigcn erhalten, aus denen wir ersehen, daß bereits in jenen
Zeiten den Buchhändlern die Kunst der Reklame wohl bekannt war. Den Schluß
derselben bildet regelmäßig die Aufforderung, in eine näher bezeichnete Herberge
zu kommen, wo man einen "wohlwollenden und sehr freigebigen Verkäufer" finden
werde. Bezeichnend nannte man dieses Hausirer von Ort zu Ort mit
einem dem Gebrauche des Webschifflcins entlehnten Ausdrucke das "Webern."
Man beschränkte sich dabei jedoch nicht auf die Städte, vielmehr hören wir,
daß Koberger auch auf dem Lande Bücher verkaufte.

Neben diesem Faktoreibetricb und dem Kleinhandel gewannen aber schon
früh die Messen ihre Wichtigkeit für den Buchhandel. In Deutschland galt
lange vor der Erfindung der Buchdruckerkunst die zu Frankfurt a. M. für die
weitaus bedeutendste. Obwohl nun Frankfurt erst verhältnismäßig spät in den
Kreis der den Buchdruck übenden Städte eingetreten ist, so haben doch die
Frankfurter die längste Zeit hindurch den Buchhandel an ihre Messer zu fesseln
verstanden. Koberger hat sich diesen Verhältnissen nicht zu entziehen vermocht
und hat selbst funfzehnmal die Frankfurter Messe besucht, während er sich sonst
durch seine Diener oder Geschäftsgenossen vertreten ließ. Der Besuch derselben
hatte für ihn namentlich dadurch Wert, daß er hier in persönlichen Verkehr
mit den Großhändlern treten konnte und auf die bequemste Weise die gegen¬
seitige Ausgleichung der Rechnungen erzielte. Die Frankfurter Messe diente
ihm überhaupt weniger als Verkaufsplatz, als vielmehr als Zahlungsplatz.

Erwägt man die großen Kosten und Gefahren, welchen damals der Buchhandel
unterlag, so muß man den von Koberger erzielten Geschäftsgewinn als einen ge¬
ringen bezeichnen. Bei seinen soliden Grundsätzen hielt er an einem Ladenpreise
für die Nichtbuchhändler fest, gewährte aber den Geschäftsgenossen einen Nachlaß
von zwanzig Prozent, den er für die ihm näher verbundenen Baseler Drucker-
Verleger derartig erweiterte, daß sie sich in den Stand gesetzt sahen, auch
ihrerseits den Händlern gegenüber seine Bedingungen einzuhalten. Häufig genng
wurden die Abschlüsse gegen Bcmrzahlungen gemacht, obwohl man, um der Ge¬
fahr, ausgeraubt zu werden, zu entgehen, Baarsendungen nach Kräften vermied.


Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

teils um in Oberitalien die Verlagswerke abzusetzen. In Italien ward Venedig,
das von vornherein die vornehmlichste Kolonie des deutschen Buchdrucks bildete,
auch der Hauptplatz für deu Buchhandel. Hase weist nun nach, daß nicht nur
Augsburg, was mau schon längst wußte, sondern anch Nürnberg ein wesent¬
liches Kontingent für den Venetianischen Büchermarkt stellte. Unter den übrigen
Zweigniederlassungen der Koberger sind solche in Ofen und Krakau, in Wien
und in Breslau mit Sicherheit aus den Geschäftsbriefen zu erweisen, während
die von einem frühern Bearbeiter des Lebens Anthoni Kobergers genannten
Plätze dnrch keinerlei urkundliche Beweise sich stützen lassen.

Von diesen festen Punkten aus zogen die Diener von Ort zu Ort und
hielten in den Herbergen ihre Waare feil. Noch ist uns eine ganze Reihe
gedruckter Bücherauzeigcn erhalten, aus denen wir ersehen, daß bereits in jenen
Zeiten den Buchhändlern die Kunst der Reklame wohl bekannt war. Den Schluß
derselben bildet regelmäßig die Aufforderung, in eine näher bezeichnete Herberge
zu kommen, wo man einen „wohlwollenden und sehr freigebigen Verkäufer" finden
werde. Bezeichnend nannte man dieses Hausirer von Ort zu Ort mit
einem dem Gebrauche des Webschifflcins entlehnten Ausdrucke das „Webern."
Man beschränkte sich dabei jedoch nicht auf die Städte, vielmehr hören wir,
daß Koberger auch auf dem Lande Bücher verkaufte.

Neben diesem Faktoreibetricb und dem Kleinhandel gewannen aber schon
früh die Messen ihre Wichtigkeit für den Buchhandel. In Deutschland galt
lange vor der Erfindung der Buchdruckerkunst die zu Frankfurt a. M. für die
weitaus bedeutendste. Obwohl nun Frankfurt erst verhältnismäßig spät in den
Kreis der den Buchdruck übenden Städte eingetreten ist, so haben doch die
Frankfurter die längste Zeit hindurch den Buchhandel an ihre Messer zu fesseln
verstanden. Koberger hat sich diesen Verhältnissen nicht zu entziehen vermocht
und hat selbst funfzehnmal die Frankfurter Messe besucht, während er sich sonst
durch seine Diener oder Geschäftsgenossen vertreten ließ. Der Besuch derselben
hatte für ihn namentlich dadurch Wert, daß er hier in persönlichen Verkehr
mit den Großhändlern treten konnte und auf die bequemste Weise die gegen¬
seitige Ausgleichung der Rechnungen erzielte. Die Frankfurter Messe diente
ihm überhaupt weniger als Verkaufsplatz, als vielmehr als Zahlungsplatz.

Erwägt man die großen Kosten und Gefahren, welchen damals der Buchhandel
unterlag, so muß man den von Koberger erzielten Geschäftsgewinn als einen ge¬
ringen bezeichnen. Bei seinen soliden Grundsätzen hielt er an einem Ladenpreise
für die Nichtbuchhändler fest, gewährte aber den Geschäftsgenossen einen Nachlaß
von zwanzig Prozent, den er für die ihm näher verbundenen Baseler Drucker-
Verleger derartig erweiterte, daß sie sich in den Stand gesetzt sahen, auch
ihrerseits den Händlern gegenüber seine Bedingungen einzuhalten. Häufig genng
wurden die Abschlüsse gegen Bcmrzahlungen gemacht, obwohl man, um der Ge¬
fahr, ausgeraubt zu werden, zu entgehen, Baarsendungen nach Kräften vermied.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/379>, abgerufen am 02.07.2024.