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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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lichen eine deutsche war und sich an das deutsche Volk wandte, so sah sich auch
der Buchhandel genötigt, bei seinem Vertriebe ausschließlich Deutschland ins
Auge zu fassen, und verlor dadurch seinen ursprünglichen internationalen Cha¬
rakter vollkommen.

Alle diese Wandlungen treten klar in dem Geschäfte der Kvberger zu Tage.
Das Absatzgebiet derselben umfaßte lange Jahre hindurch die gesamte gebildete
Welt des Abendlandes. In Deutschland kam namentlich der Süden in Betracht;
am lebhaftesten war der Verkehr in Franken, Schwaben, Baiern und am Ober¬
rhein; doch ist in den von Hase mitgeteilten Briefen auch vielfach von Geschäfts¬
freunden in Norddeutschland die Rede. Außerhalb des Reiches entwickelte Koberger
namentlich in der Schweiz eine rege Thätigkeit, ferner in Burgund, in Belgien
und in den heutigen Niederlanden, endlich in Oberitalien und in Südfrankreich.
Im Osten drangen seine Agenten bis nach Polen und Ungarn vor, ja selbst
mit England und Spanien wurden Verbindungen angeknüpft. Folgende haben
uuter den Außenplätzen des Kobergerschen Hauses besondre Bedeutung gehabt: im
Süden Mailand und Venedig, im Osten Ofen und Krakau, im Norden Lübeck
und Antwerpen, im Westen Paris und Lhvn. Alle diese Punkte waren jedoch
nicht etwa Grenzorte, sondern sind als "weitest hinausgeschobene Vorwerke" zu
bezeichnen, von denen aus die umliegenden Länder und Nachbarländer beherrscht
wurden.

Der Fortschritt der Unternehmungen Kvbergers gegenüber denen der Vor¬
gänger zeigt sich vor allem darin, daß er nicht bei dem üblichen Wanderverkehr
stehen blieb, bei welchem es galt, die Käufer aufzusuchen und ihnen die Waare
anzupreisen, souderu daß er durch Anlegung von Faktoreien in fremden Ländern
festen Fuß zu fassen versuchte. Welchen Vorteil ihm bei diesem Bestreben die
Bedeutung Nürnbergs für den deutschen und europäischen Handel gewährte, ist
leicht zu erraten. In einer Stadt, die Luther im Jahre 1528 "das Auge und
Ohr Deutschlands" nannte, war man stets über die dem Handel günstigen oder
ungünstigen Konjunkturell wohl unterrichtet, und so konnte Koberger von diesen:
Mittelpunkte aus auch die am weitesten entfernten Filialen seines Geschäftes
im Auge behalten.

Die bedeutendste der Kobergerschen Niederlassungen außerhalb Nürnbergs
befand sich in Lyon, welches als Vermittluugsplatz für den italienischen und
französischen Handel diente und sich schon in den ersten Zeiten des Buchdrucks
zu einem Druck- und Verlagsort ersten Ranges aufgeschwungen hatte. Neben
Lyon behauptete damals in Frankreich nur noch Paris eine ähnlich hervor¬
ragende Stellung; für Kobergers Handel hatte aber Lyon eine weit größere
Wichtigkeit wie Paris. Aus diesem Grnnde wählte Hans Kvberger, der Vetter
Anthonis, der das französische Geschäft leitete, nicht Paris, sondern Lyon zu
seinem Wohnsitz. Von dort aus unternahm er seine Geschäftsreisen, teils um
in Paris die beiden schönen Buchläden des Gehilfens Heidelberg zu inspiziren,


lichen eine deutsche war und sich an das deutsche Volk wandte, so sah sich auch
der Buchhandel genötigt, bei seinem Vertriebe ausschließlich Deutschland ins
Auge zu fassen, und verlor dadurch seinen ursprünglichen internationalen Cha¬
rakter vollkommen.

Alle diese Wandlungen treten klar in dem Geschäfte der Kvberger zu Tage.
Das Absatzgebiet derselben umfaßte lange Jahre hindurch die gesamte gebildete
Welt des Abendlandes. In Deutschland kam namentlich der Süden in Betracht;
am lebhaftesten war der Verkehr in Franken, Schwaben, Baiern und am Ober¬
rhein; doch ist in den von Hase mitgeteilten Briefen auch vielfach von Geschäfts¬
freunden in Norddeutschland die Rede. Außerhalb des Reiches entwickelte Koberger
namentlich in der Schweiz eine rege Thätigkeit, ferner in Burgund, in Belgien
und in den heutigen Niederlanden, endlich in Oberitalien und in Südfrankreich.
Im Osten drangen seine Agenten bis nach Polen und Ungarn vor, ja selbst
mit England und Spanien wurden Verbindungen angeknüpft. Folgende haben
uuter den Außenplätzen des Kobergerschen Hauses besondre Bedeutung gehabt: im
Süden Mailand und Venedig, im Osten Ofen und Krakau, im Norden Lübeck
und Antwerpen, im Westen Paris und Lhvn. Alle diese Punkte waren jedoch
nicht etwa Grenzorte, sondern sind als „weitest hinausgeschobene Vorwerke" zu
bezeichnen, von denen aus die umliegenden Länder und Nachbarländer beherrscht
wurden.

Der Fortschritt der Unternehmungen Kvbergers gegenüber denen der Vor¬
gänger zeigt sich vor allem darin, daß er nicht bei dem üblichen Wanderverkehr
stehen blieb, bei welchem es galt, die Käufer aufzusuchen und ihnen die Waare
anzupreisen, souderu daß er durch Anlegung von Faktoreien in fremden Ländern
festen Fuß zu fassen versuchte. Welchen Vorteil ihm bei diesem Bestreben die
Bedeutung Nürnbergs für den deutschen und europäischen Handel gewährte, ist
leicht zu erraten. In einer Stadt, die Luther im Jahre 1528 „das Auge und
Ohr Deutschlands" nannte, war man stets über die dem Handel günstigen oder
ungünstigen Konjunkturell wohl unterrichtet, und so konnte Koberger von diesen:
Mittelpunkte aus auch die am weitesten entfernten Filialen seines Geschäftes
im Auge behalten.

Die bedeutendste der Kobergerschen Niederlassungen außerhalb Nürnbergs
befand sich in Lyon, welches als Vermittluugsplatz für den italienischen und
französischen Handel diente und sich schon in den ersten Zeiten des Buchdrucks
zu einem Druck- und Verlagsort ersten Ranges aufgeschwungen hatte. Neben
Lyon behauptete damals in Frankreich nur noch Paris eine ähnlich hervor¬
ragende Stellung; für Kobergers Handel hatte aber Lyon eine weit größere
Wichtigkeit wie Paris. Aus diesem Grnnde wählte Hans Kvberger, der Vetter
Anthonis, der das französische Geschäft leitete, nicht Paris, sondern Lyon zu
seinem Wohnsitz. Von dort aus unternahm er seine Geschäftsreisen, teils um
in Paris die beiden schönen Buchläden des Gehilfens Heidelberg zu inspiziren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/378>, abgerufen am 04.07.2024.