Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Wie das Verhältnis der Zugehörigkeit zur Zunft genannt wurde. So heißt Wichtiger ist die innere Einrichtung der Zünfte, da sich ja ans ihr der Wie das Verhältnis der Zugehörigkeit zur Zunft genannt wurde. So heißt Wichtiger ist die innere Einrichtung der Zünfte, da sich ja ans ihr der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198425"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1029" prev="#ID_1028"> Wie das Verhältnis der Zugehörigkeit zur Zunft genannt wurde. So heißt<lb/> es von Calvin ausdrücklich, er „diente bei den Snidern." Zur Schneiderzunft<lb/> muß übrigens auch Goethe während seiner hiesigen Studienzeit 1770/71 einen<lb/> unbestimmten wahlverwandten Zug gefühlt habe», denn er schlug sein Haupt¬<lb/> quartier behufs Ergründung des Straßburger Bierstoffes in der alten Schneider-<lb/> zuuftstube, LrüWvi'Jo du v-rnpllin, am Schneidcrgraben auf. Die mitunter<lb/> etwas seltsam klingenden Zunftuameu siud wohl auf Häusernameu zurückzuführen.<lb/> Die „Mohrin" besteht noch heute als L-re« av 1^ Ng-urssss; die „Blum" der<lb/> Metzger war wohl ein Wahrzeichen, vielleicht das der alten Straßburger Lilie<lb/> am Zunfthause. Ebenso zu erklären ist vielleicht die „Steitz" oder Stelze; wie<lb/> es heute noch ein Haus „zur Meise" genannt giebt. Die unter ihnen geltenden<lb/> Vorrechte hielten die Zünfte sehr hoch. Beispielsweise hatte der Ratsherr derer<lb/> „zum Encker", der Schiffleute, wegen der hohen Bedeutung der Schifffahrt für<lb/> das alte Straßburg den Ehrensitz im Rat, nächst dem Stettmeister. Als aber<lb/> die Bäcker im Jahre 1448 durch ihre Tapferkeit die Beste Wasselnheim zu<lb/> Falle gebracht hatten, wurde ihnen dieser Ehrensitz feierlich zuerkannt; auch<lb/> durften sie alljährlich am Gedenktage, bis an die Zähne bewaffnet, mit Fahne<lb/> und Musik einen festlichen Umzug durch die Stadt halten. Tapfer und zugleich<lb/> vaterlandsliebend im höchsten Grade zeigten sich die Schneider. Als an dem<lb/> verhängnisvollen 30. September 1081 die dreihundert Schöffen über den An-<lb/> schluß an Frankreich ihren Rat abgeben sollten, erhob allein die Schneiderznnft<lb/> den kräftigsten Widerspruch: eher müsse mau sich bis in den Tod verteidigen,<lb/> als die Freiheit Straßburgs aufgeben! Und als 109 Jahre später der fran¬<lb/> zösische Kommissar Dietrich in glatter Rede die Schöffen zur Niederlegung<lb/> ihres Amtes und zur Anerkennung der neuen revolutionären Gemeindeordnung<lb/> aufforderte, traten wiederum die Schneider voll Zorn dagegen auf und bewirkten<lb/> wenigstens einen mehrmonatlichen Aufschub. Das Gegenteil von diesem Vater¬<lb/> lands gefühl finden wir bei dem Gewerbe der Leineweber, welche sich bei Auf-<lb/> hebung der Zünfte 1791 nicht genug beeilen konnten, ihren Bruderschaftspokal und<lb/> andre kostbare Silber- und Goldgefäße, 14 Mark an Gewicht, auf die Münze<lb/> zu tragen und der rmUon damit ein Geschenk zu machen. Diese kleinen Züge<lb/> mögen für die Charakteristik des Zunftlebens genügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> Wichtiger ist die innere Einrichtung der Zünfte, da sich ja ans ihr der<lb/> Verfassungsbau erhob. Wer als Bürger in Straßburg wohnte, mußte sich bei<lb/> einer Zunft einschreiben lassen, ihr „dienen"; und zwar ging, »verein Gewerbe<lb/> betrieb, dahin, wo seine Gewerbsgenossen waren, als „lcibzünftigcr Handwerks-<lb/> mann." Die Standespersonen, die Studirten und Rentner, wählten sich eine<lb/> Zunft und dienten dort als „lcibzünftige Herren Gelehrte und Zudieuer", die<lb/> Armen oder „NichtHandwerker" als einfache „Zudieuer." Wer an eine andre<lb/> Zunft noch Abgaben zu zahlen hatte, war letzterer „geldzüuftig"; so waren<lb/> alle, welche eignes Land bebauten, den Gärtnern geldzünftig. Wenn eines</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
Wie das Verhältnis der Zugehörigkeit zur Zunft genannt wurde. So heißt
es von Calvin ausdrücklich, er „diente bei den Snidern." Zur Schneiderzunft
muß übrigens auch Goethe während seiner hiesigen Studienzeit 1770/71 einen
unbestimmten wahlverwandten Zug gefühlt habe», denn er schlug sein Haupt¬
quartier behufs Ergründung des Straßburger Bierstoffes in der alten Schneider-
zuuftstube, LrüWvi'Jo du v-rnpllin, am Schneidcrgraben auf. Die mitunter
etwas seltsam klingenden Zunftuameu siud wohl auf Häusernameu zurückzuführen.
Die „Mohrin" besteht noch heute als L-re« av 1^ Ng-urssss; die „Blum" der
Metzger war wohl ein Wahrzeichen, vielleicht das der alten Straßburger Lilie
am Zunfthause. Ebenso zu erklären ist vielleicht die „Steitz" oder Stelze; wie
es heute noch ein Haus „zur Meise" genannt giebt. Die unter ihnen geltenden
Vorrechte hielten die Zünfte sehr hoch. Beispielsweise hatte der Ratsherr derer
„zum Encker", der Schiffleute, wegen der hohen Bedeutung der Schifffahrt für
das alte Straßburg den Ehrensitz im Rat, nächst dem Stettmeister. Als aber
die Bäcker im Jahre 1448 durch ihre Tapferkeit die Beste Wasselnheim zu
Falle gebracht hatten, wurde ihnen dieser Ehrensitz feierlich zuerkannt; auch
durften sie alljährlich am Gedenktage, bis an die Zähne bewaffnet, mit Fahne
und Musik einen festlichen Umzug durch die Stadt halten. Tapfer und zugleich
vaterlandsliebend im höchsten Grade zeigten sich die Schneider. Als an dem
verhängnisvollen 30. September 1081 die dreihundert Schöffen über den An-
schluß an Frankreich ihren Rat abgeben sollten, erhob allein die Schneiderznnft
den kräftigsten Widerspruch: eher müsse mau sich bis in den Tod verteidigen,
als die Freiheit Straßburgs aufgeben! Und als 109 Jahre später der fran¬
zösische Kommissar Dietrich in glatter Rede die Schöffen zur Niederlegung
ihres Amtes und zur Anerkennung der neuen revolutionären Gemeindeordnung
aufforderte, traten wiederum die Schneider voll Zorn dagegen auf und bewirkten
wenigstens einen mehrmonatlichen Aufschub. Das Gegenteil von diesem Vater¬
lands gefühl finden wir bei dem Gewerbe der Leineweber, welche sich bei Auf-
hebung der Zünfte 1791 nicht genug beeilen konnten, ihren Bruderschaftspokal und
andre kostbare Silber- und Goldgefäße, 14 Mark an Gewicht, auf die Münze
zu tragen und der rmUon damit ein Geschenk zu machen. Diese kleinen Züge
mögen für die Charakteristik des Zunftlebens genügen.
Wichtiger ist die innere Einrichtung der Zünfte, da sich ja ans ihr der
Verfassungsbau erhob. Wer als Bürger in Straßburg wohnte, mußte sich bei
einer Zunft einschreiben lassen, ihr „dienen"; und zwar ging, »verein Gewerbe
betrieb, dahin, wo seine Gewerbsgenossen waren, als „lcibzünftigcr Handwerks-
mann." Die Standespersonen, die Studirten und Rentner, wählten sich eine
Zunft und dienten dort als „lcibzünftige Herren Gelehrte und Zudieuer", die
Armen oder „NichtHandwerker" als einfache „Zudieuer." Wer an eine andre
Zunft noch Abgaben zu zahlen hatte, war letzterer „geldzüuftig"; so waren
alle, welche eignes Land bebauten, den Gärtnern geldzünftig. Wenn eines
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |