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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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"Lamoens.

am wenigsten darf er seine Liebe entweihen und mit wilder Leidenschaft die
bedrängen, die seines Thrones wert wäre und mit der er seinen Thron nicht
teilen kann.

Er darf es nicht! er soll es nicht! sagte Camoens mit dumpfem Groll vor
sich hin.

Fras Tellez wußte jetzt, daß er den rechten Toi? angeschlagen habe, er
sah, daß der Dichter in wilder Unruhe im Sattel hin- und herrückte. Und wenn
Ihr tausendmal wahr spräche, was vermag ich dabei zu thun? Habe ich ein
Recht, dem König gegenüberzutreten, wie seine geistlichen Berater? Und hätte
ichs, was hofft Ihr von meinem Wort, wo das Eure sich machtlos erweist?

Der König muß hinweg ans der Nähe Donna Katarinas! sagte der Priester
jetzt wieder leiser als zuvor und noch feierlicher. Er muß sich stählen und
heiligen zugleich in dem Gedanken an seine große Pflicht. Er darf von nichts
anderen mehr träumen als vom heiligen Kriege und von dem großen Siege auf
afrikanischen Boden. Helft dazu, so werdet Ihr Ehre und Seligkeit der Jung¬
frau schirmen helfen, deren Bild Euch ins Herz gewachsen ist, Luis Camoens!

Camoens hatte uicht die Kraft, dem Pferde die Sporen zu geben, wie er
einen Augenblick in Versuchung war. Die Worte des Priesters schienen in
seinem Hirn hundert Bilder zugleich entfesselt zu haben, die einander jagten;
er wollte nichts erwiedern und stammelte doch willenlos: Und was vermochte
ich zu dem guten Werke beizutragen, Fras Tellez? Was gelte ich dem König?
Was wollt Ihr mit Eurer Lockung?

Wenn Euch mein Wort eine Lockung dünkt, so seht es als nngesprochen
an, versetzte der Kaplan. Was Ihr beim König vermögt? Nehmt an, die
Versuchung zu bleiben und der Drang zu gehen seien zwei glcichgefüllte Schalen;
der Tropfen, den Ihr in die eine gießt, bringt die Entscheidung, welche von
beiden steigen, welche fallen soll.

Genug und zu viel, Ehrwürdiger, rief Camoens, Ihr mögt es gut meinen,
mir aber kann Euer Wink nicht frommen. Laßt uns ein andermal über den
König sprechen, wenn ich meiner besser mächtig bin als heute, wo mir Weh und
Zorn den Sinn umnachten!

Richtet ihn zum ewigen Licht empor, so werdet Ihr Klarheit empfangen,
sagte der Priester. Wir sind übrigens zur Stelle; Ihr könnt Euerm Begleiter,
der schwer keucht, etwas Ruhe gönnen. Hier sind die Pforten von Santa
Enfcmia, und dort seitwärts vor der Kirche liegt der Friedhof, anf dem Ihr
für die arme Hirtin ein Grab sucht.

Die Straße trat aus den Wcinhügeln heraus, eine grüne Fläche, von der
jetzt die weiße Mauer des Klosters selbst im Halbdunkel sich deutlich abhob,
that sich vor Camoens' Augen auf. Über die Fläche schwoll deu Heran¬
kommenden ein kühler, beinahe kalter Abendwind entgegen. Camoens spürte ein
leises Frösteln und fühlte doch zugleich, daß sein Gesicht und sein Leib glühe.


«Lamoens.

am wenigsten darf er seine Liebe entweihen und mit wilder Leidenschaft die
bedrängen, die seines Thrones wert wäre und mit der er seinen Thron nicht
teilen kann.

Er darf es nicht! er soll es nicht! sagte Camoens mit dumpfem Groll vor
sich hin.

Fras Tellez wußte jetzt, daß er den rechten Toi? angeschlagen habe, er
sah, daß der Dichter in wilder Unruhe im Sattel hin- und herrückte. Und wenn
Ihr tausendmal wahr spräche, was vermag ich dabei zu thun? Habe ich ein
Recht, dem König gegenüberzutreten, wie seine geistlichen Berater? Und hätte
ichs, was hofft Ihr von meinem Wort, wo das Eure sich machtlos erweist?

Der König muß hinweg ans der Nähe Donna Katarinas! sagte der Priester
jetzt wieder leiser als zuvor und noch feierlicher. Er muß sich stählen und
heiligen zugleich in dem Gedanken an seine große Pflicht. Er darf von nichts
anderen mehr träumen als vom heiligen Kriege und von dem großen Siege auf
afrikanischen Boden. Helft dazu, so werdet Ihr Ehre und Seligkeit der Jung¬
frau schirmen helfen, deren Bild Euch ins Herz gewachsen ist, Luis Camoens!

Camoens hatte uicht die Kraft, dem Pferde die Sporen zu geben, wie er
einen Augenblick in Versuchung war. Die Worte des Priesters schienen in
seinem Hirn hundert Bilder zugleich entfesselt zu haben, die einander jagten;
er wollte nichts erwiedern und stammelte doch willenlos: Und was vermochte
ich zu dem guten Werke beizutragen, Fras Tellez? Was gelte ich dem König?
Was wollt Ihr mit Eurer Lockung?

Wenn Euch mein Wort eine Lockung dünkt, so seht es als nngesprochen
an, versetzte der Kaplan. Was Ihr beim König vermögt? Nehmt an, die
Versuchung zu bleiben und der Drang zu gehen seien zwei glcichgefüllte Schalen;
der Tropfen, den Ihr in die eine gießt, bringt die Entscheidung, welche von
beiden steigen, welche fallen soll.

Genug und zu viel, Ehrwürdiger, rief Camoens, Ihr mögt es gut meinen,
mir aber kann Euer Wink nicht frommen. Laßt uns ein andermal über den
König sprechen, wenn ich meiner besser mächtig bin als heute, wo mir Weh und
Zorn den Sinn umnachten!

Richtet ihn zum ewigen Licht empor, so werdet Ihr Klarheit empfangen,
sagte der Priester. Wir sind übrigens zur Stelle; Ihr könnt Euerm Begleiter,
der schwer keucht, etwas Ruhe gönnen. Hier sind die Pforten von Santa
Enfcmia, und dort seitwärts vor der Kirche liegt der Friedhof, anf dem Ihr
für die arme Hirtin ein Grab sucht.

Die Straße trat aus den Wcinhügeln heraus, eine grüne Fläche, von der
jetzt die weiße Mauer des Klosters selbst im Halbdunkel sich deutlich abhob,
that sich vor Camoens' Augen auf. Über die Fläche schwoll deu Heran¬
kommenden ein kühler, beinahe kalter Abendwind entgegen. Camoens spürte ein
leises Frösteln und fühlte doch zugleich, daß sein Gesicht und sein Leib glühe.


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[0347] «Lamoens. am wenigsten darf er seine Liebe entweihen und mit wilder Leidenschaft die bedrängen, die seines Thrones wert wäre und mit der er seinen Thron nicht teilen kann. Er darf es nicht! er soll es nicht! sagte Camoens mit dumpfem Groll vor sich hin. Fras Tellez wußte jetzt, daß er den rechten Toi? angeschlagen habe, er sah, daß der Dichter in wilder Unruhe im Sattel hin- und herrückte. Und wenn Ihr tausendmal wahr spräche, was vermag ich dabei zu thun? Habe ich ein Recht, dem König gegenüberzutreten, wie seine geistlichen Berater? Und hätte ichs, was hofft Ihr von meinem Wort, wo das Eure sich machtlos erweist? Der König muß hinweg ans der Nähe Donna Katarinas! sagte der Priester jetzt wieder leiser als zuvor und noch feierlicher. Er muß sich stählen und heiligen zugleich in dem Gedanken an seine große Pflicht. Er darf von nichts anderen mehr träumen als vom heiligen Kriege und von dem großen Siege auf afrikanischen Boden. Helft dazu, so werdet Ihr Ehre und Seligkeit der Jung¬ frau schirmen helfen, deren Bild Euch ins Herz gewachsen ist, Luis Camoens! Camoens hatte uicht die Kraft, dem Pferde die Sporen zu geben, wie er einen Augenblick in Versuchung war. Die Worte des Priesters schienen in seinem Hirn hundert Bilder zugleich entfesselt zu haben, die einander jagten; er wollte nichts erwiedern und stammelte doch willenlos: Und was vermochte ich zu dem guten Werke beizutragen, Fras Tellez? Was gelte ich dem König? Was wollt Ihr mit Eurer Lockung? Wenn Euch mein Wort eine Lockung dünkt, so seht es als nngesprochen an, versetzte der Kaplan. Was Ihr beim König vermögt? Nehmt an, die Versuchung zu bleiben und der Drang zu gehen seien zwei glcichgefüllte Schalen; der Tropfen, den Ihr in die eine gießt, bringt die Entscheidung, welche von beiden steigen, welche fallen soll. Genug und zu viel, Ehrwürdiger, rief Camoens, Ihr mögt es gut meinen, mir aber kann Euer Wink nicht frommen. Laßt uns ein andermal über den König sprechen, wenn ich meiner besser mächtig bin als heute, wo mir Weh und Zorn den Sinn umnachten! Richtet ihn zum ewigen Licht empor, so werdet Ihr Klarheit empfangen, sagte der Priester. Wir sind übrigens zur Stelle; Ihr könnt Euerm Begleiter, der schwer keucht, etwas Ruhe gönnen. Hier sind die Pforten von Santa Enfcmia, und dort seitwärts vor der Kirche liegt der Friedhof, anf dem Ihr für die arme Hirtin ein Grab sucht. Die Straße trat aus den Wcinhügeln heraus, eine grüne Fläche, von der jetzt die weiße Mauer des Klosters selbst im Halbdunkel sich deutlich abhob, that sich vor Camoens' Augen auf. Über die Fläche schwoll deu Heran¬ kommenden ein kühler, beinahe kalter Abendwind entgegen. Camoens spürte ein leises Frösteln und fühlte doch zugleich, daß sein Gesicht und sein Leib glühe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/347>, abgerufen am 02.07.2024.