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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens,

Er trieb das Pferd so ungeduldig dem Klostergebäude entgegen, das; der be¬
gleitende Waldhüter zum erstenmale hinter ihm zurückbleibe" mußte. Es drängte
ihn, aus der Gesellschaft des Kaplans hinwegzukommen, sein Geschäft im
Kloster so rasch als uur immer möglich abzuthun; er sehnte sich, allein zu sein,
allein mit sich und der wilden Unruhe, dem zornigen Weh, die ihn während
des Gesprächs mit Tellcz Alucita ergriffen hatten. Und so waren sie kaum
am Klosterthore angelangt, als Camoens sich fast ungestüm von dem Kaplan
trennte und das Anerbieten des Priesters, seine Bitten bei der Äbtissin zu be¬
fürworten, nicht einmal mehr vernahm.

Er begehrte von dem erstaunten Pförtner rasche Meldung bei der hoch¬
würdigen Oberin des Klosters und Kost und Erquickung sür sein Pferd, da er
noch diesen Abend nach Cintra zurück müsse. Der alte Thorhüter wandte um¬
sonst ein, das; die Äbtissin zu dieser Stunde niemand, am wenigsten einen
Fremden, empfangen werde. Camoens beharrte darauf, daß sein Geschüft keinen
Aufschub bis zum andern Tage leide. Der Waldhüter, der ihn von der Hütte
Joanas bis hierher geführt hatte, war inzwischen gleichfalls in das Pförtner-
Hans getreten, und seine Erzühlnng von dem, was im Hochthal der Mutter aller
Gnaden geschehen sei, machte den Pförtner doch wankend, ob er das unge¬
wöhnliche Verlangen des Ankömmlings nicht erfüllen müsse. Während Camoens
noch einmal wiederholte, daß und warum er die Äbtissin sprechen müsse, und
der Pförtner zögernd nach dem Strange der Glocke griff, dnrch welche in
dringenden Fällen der Klvsterschafsner herzugernsen ward, kam schon eine die¬
nende Schwester mit dem Auftrage, den Edelmann, der in den Vorhalle weile,
auf der Stelle in das Kloster selbst und zur Äbtissin zu führen.

Nicht zwei Stauden später, doch schon bei völliger Nacht, bestieg der rastlos
Nmhergetriebne hente zum drittenmale sein Pfetd, um auf der geraden Straße,
die über Kloster Flores nach Cintra führte, den Rückweg nnzntreten. Er hatte
seinen Führer von vorhin nach Kräften belohnt und das Anerbieten desselben,
ihn auch nach Cintra zu begleiten, freundlich zurückgewiesen. Er hatte ihm wie
dem Pförtner vertraut, daß die hochwürdige Oberin von Santa Enfemia
schmerzliche Teilnahme an dem Schicksale ihrer jungen Hirtin gezeigt, die Be¬
stattung Joanas auf dem Friedhofe des Klosters ohne Zögern bewilligt, ja
selbst erlaubt habe, daß die kleine Zahl von Männern, welche heute in der Hütte
der Ermordeten versammelt gewesen sei, morgen in der Frühe den Sarg Joanas
zur Gruft geleiten dürfe. Er hatte darnach jede Erfrischung, die Pförtner und
Schaffner gastfrei anboten, bis ans einen Trunk des brauugvldnen Klosterwcins
abgelehnt, und nun rückte er sich im Sattel zurecht und ermunterte mit kurzem
Zurufe das Pferd, zum Galopp aufzugreifen. Noch als er schon im Bügel
stand, hatte ihn der Waldhüter gefragt, ob er keine Besorgnisse wegen der ver¬
ruchten Mohren hege. Er hatte nur zurückgerufen: Ich fürchte sie nicht! als
er bereits die Straße dahinbrauste. Unwillkürlich hatte er bei diesen Worten


Lamoens,

Er trieb das Pferd so ungeduldig dem Klostergebäude entgegen, das; der be¬
gleitende Waldhüter zum erstenmale hinter ihm zurückbleibe» mußte. Es drängte
ihn, aus der Gesellschaft des Kaplans hinwegzukommen, sein Geschäft im
Kloster so rasch als uur immer möglich abzuthun; er sehnte sich, allein zu sein,
allein mit sich und der wilden Unruhe, dem zornigen Weh, die ihn während
des Gesprächs mit Tellcz Alucita ergriffen hatten. Und so waren sie kaum
am Klosterthore angelangt, als Camoens sich fast ungestüm von dem Kaplan
trennte und das Anerbieten des Priesters, seine Bitten bei der Äbtissin zu be¬
fürworten, nicht einmal mehr vernahm.

Er begehrte von dem erstaunten Pförtner rasche Meldung bei der hoch¬
würdigen Oberin des Klosters und Kost und Erquickung sür sein Pferd, da er
noch diesen Abend nach Cintra zurück müsse. Der alte Thorhüter wandte um¬
sonst ein, das; die Äbtissin zu dieser Stunde niemand, am wenigsten einen
Fremden, empfangen werde. Camoens beharrte darauf, daß sein Geschüft keinen
Aufschub bis zum andern Tage leide. Der Waldhüter, der ihn von der Hütte
Joanas bis hierher geführt hatte, war inzwischen gleichfalls in das Pförtner-
Hans getreten, und seine Erzühlnng von dem, was im Hochthal der Mutter aller
Gnaden geschehen sei, machte den Pförtner doch wankend, ob er das unge¬
wöhnliche Verlangen des Ankömmlings nicht erfüllen müsse. Während Camoens
noch einmal wiederholte, daß und warum er die Äbtissin sprechen müsse, und
der Pförtner zögernd nach dem Strange der Glocke griff, dnrch welche in
dringenden Fällen der Klvsterschafsner herzugernsen ward, kam schon eine die¬
nende Schwester mit dem Auftrage, den Edelmann, der in den Vorhalle weile,
auf der Stelle in das Kloster selbst und zur Äbtissin zu führen.

Nicht zwei Stauden später, doch schon bei völliger Nacht, bestieg der rastlos
Nmhergetriebne hente zum drittenmale sein Pfetd, um auf der geraden Straße,
die über Kloster Flores nach Cintra führte, den Rückweg nnzntreten. Er hatte
seinen Führer von vorhin nach Kräften belohnt und das Anerbieten desselben,
ihn auch nach Cintra zu begleiten, freundlich zurückgewiesen. Er hatte ihm wie
dem Pförtner vertraut, daß die hochwürdige Oberin von Santa Enfemia
schmerzliche Teilnahme an dem Schicksale ihrer jungen Hirtin gezeigt, die Be¬
stattung Joanas auf dem Friedhofe des Klosters ohne Zögern bewilligt, ja
selbst erlaubt habe, daß die kleine Zahl von Männern, welche heute in der Hütte
der Ermordeten versammelt gewesen sei, morgen in der Frühe den Sarg Joanas
zur Gruft geleiten dürfe. Er hatte darnach jede Erfrischung, die Pförtner und
Schaffner gastfrei anboten, bis ans einen Trunk des brauugvldnen Klosterwcins
abgelehnt, und nun rückte er sich im Sattel zurecht und ermunterte mit kurzem
Zurufe das Pferd, zum Galopp aufzugreifen. Noch als er schon im Bügel
stand, hatte ihn der Waldhüter gefragt, ob er keine Besorgnisse wegen der ver¬
ruchten Mohren hege. Er hatte nur zurückgerufen: Ich fürchte sie nicht! als
er bereits die Straße dahinbrauste. Unwillkürlich hatte er bei diesen Worten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/348>, abgerufen am 30.06.2024.