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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Tcnnoöns.

es der Zeit überlassen, Euch hierin eines Bessern zu belehren. Das aber werdet
Ihr empfinden wie ich, daß es einem König übel ansteht, seine Jugend, die
ruhmreich sein könnte, in richtigen Treiben zu vergeuden und im Müßiggang
die Töchter seines Landes zu verderben!

Überrascht, fast bestürzt, vernahm Camoens die heftigen Worte, die zu dem
Kleide und zu der demütigen Haltung, welche Fras Tellez selbst hier im Wagen
zeigte, wenig passen wollten. Rasch gab er zur Antwort: Ihr richtet streng und
sprecht kühn, ehrwürdiger Bruder -- ich wage Euch nicht auf diesem Pfade
zu folgen.

Hat man Euch auch erzählt, daß meinem Kleide zu mißtrauen sei? sagte
der Kaplan mit einem kurzen Lächeln. Ich will Euch nicht verhehlen, daß
ich von Herzen wünschte, Euch zu überzeugen, Eure Hilfe für meinen Zweck zu
gewinnen, den ich für einen Gott wohlgefälligen halten muß! Ich würde wie
tausende treuer Portugiesen Dom Sebastian freudig zugejauchzt haben, wenn
er die schöne Gräfin Palmeirim als Ehegemahl heimgeführt hätte. Ich weiß
besser als andre, wie oft der junge König dem Himmel ewige Keuschheit ge¬
lobt hat, doch ich hätte Tag und Nacht für ihn gebetet, daß ihm der Allmäch¬
tige den Bruch seiner Gelübde nicht anrechnen wolle! Nicht in Euch allein
wallt das Blut für dies Land und König Manuels ruhmreichen Stamm,
Senhor; auch unter diesem Kleide schlägt ein Herz dafür, und ich gestehe Euch,
daß ich schon den reichsten Segen des Himmels auf das Haupt der neuen Kö¬
nigin herabgerufen habe. Es sollte nicht sein.

Was sollte nicht sein? fragte Camoens ungestüm. Was der König hente
nicht thut, kann er morgen vollbringen, Hochzeit läßt sich an jedem Tage halten.
Was wißt Ihr, was könnt Ihr wissen, daß Ihr so bestimmt sprecht? Hinter
den rauhen, hastigen Worten barg sich eine heftige Bewegung; er beugte sich,
soviel er konnte, zu den Lippen des Kaplans hinüber.

Daß Gräfin Catarina niemals die Krone tragen wird, das weiß ich, er¬
wiederte Tellez Alucita. Ich sollte Euer Beichtiger sein, Ihr nicht der meine,
Senhor Luis; doch da es einmal so ist, so laßt mich gestehen, daß ich gegen
meinen Berus.und meine Gelübde Thränen darum geweint habe, das schöne
Haupt nicht ini königlichen Brautschmuck erblicken zu sollen. Doch was kümmert
es Euch, wie dem Kaplan des Königs zu Mute war! Nur wie ihm jetzt zu
Mute ist, sollt Ihr noch wissen, Senhor. Da der König den Schritt, den ihm
Gott um seines Volkes willen verzeihen würde, nicht wagen und thun wird
-- nein, er wird ihn nicht thun, und wenn Ihr mir noch tiefer grollt! -- so sehe
ich nur einen Weg für ihn. Er hat sich der irdischen Wünsche zu entschlagen,
die über ihn mächtig geworden sind, er muß sich der Sehnsucht vergangner
Jahre erinnern und der Welt das leuchtende Beispiel eines Herrschers geben,
der als Ritter Christi rein und makellos durch diese Welt der Sünde schreitet.
Der König darf sich nicht selbst verlieren, seine Seele nicht beschmutzen, und


Tcnnoöns.

es der Zeit überlassen, Euch hierin eines Bessern zu belehren. Das aber werdet
Ihr empfinden wie ich, daß es einem König übel ansteht, seine Jugend, die
ruhmreich sein könnte, in richtigen Treiben zu vergeuden und im Müßiggang
die Töchter seines Landes zu verderben!

Überrascht, fast bestürzt, vernahm Camoens die heftigen Worte, die zu dem
Kleide und zu der demütigen Haltung, welche Fras Tellez selbst hier im Wagen
zeigte, wenig passen wollten. Rasch gab er zur Antwort: Ihr richtet streng und
sprecht kühn, ehrwürdiger Bruder — ich wage Euch nicht auf diesem Pfade
zu folgen.

Hat man Euch auch erzählt, daß meinem Kleide zu mißtrauen sei? sagte
der Kaplan mit einem kurzen Lächeln. Ich will Euch nicht verhehlen, daß
ich von Herzen wünschte, Euch zu überzeugen, Eure Hilfe für meinen Zweck zu
gewinnen, den ich für einen Gott wohlgefälligen halten muß! Ich würde wie
tausende treuer Portugiesen Dom Sebastian freudig zugejauchzt haben, wenn
er die schöne Gräfin Palmeirim als Ehegemahl heimgeführt hätte. Ich weiß
besser als andre, wie oft der junge König dem Himmel ewige Keuschheit ge¬
lobt hat, doch ich hätte Tag und Nacht für ihn gebetet, daß ihm der Allmäch¬
tige den Bruch seiner Gelübde nicht anrechnen wolle! Nicht in Euch allein
wallt das Blut für dies Land und König Manuels ruhmreichen Stamm,
Senhor; auch unter diesem Kleide schlägt ein Herz dafür, und ich gestehe Euch,
daß ich schon den reichsten Segen des Himmels auf das Haupt der neuen Kö¬
nigin herabgerufen habe. Es sollte nicht sein.

Was sollte nicht sein? fragte Camoens ungestüm. Was der König hente
nicht thut, kann er morgen vollbringen, Hochzeit läßt sich an jedem Tage halten.
Was wißt Ihr, was könnt Ihr wissen, daß Ihr so bestimmt sprecht? Hinter
den rauhen, hastigen Worten barg sich eine heftige Bewegung; er beugte sich,
soviel er konnte, zu den Lippen des Kaplans hinüber.

Daß Gräfin Catarina niemals die Krone tragen wird, das weiß ich, er¬
wiederte Tellez Alucita. Ich sollte Euer Beichtiger sein, Ihr nicht der meine,
Senhor Luis; doch da es einmal so ist, so laßt mich gestehen, daß ich gegen
meinen Berus.und meine Gelübde Thränen darum geweint habe, das schöne
Haupt nicht ini königlichen Brautschmuck erblicken zu sollen. Doch was kümmert
es Euch, wie dem Kaplan des Königs zu Mute war! Nur wie ihm jetzt zu
Mute ist, sollt Ihr noch wissen, Senhor. Da der König den Schritt, den ihm
Gott um seines Volkes willen verzeihen würde, nicht wagen und thun wird
— nein, er wird ihn nicht thun, und wenn Ihr mir noch tiefer grollt! — so sehe
ich nur einen Weg für ihn. Er hat sich der irdischen Wünsche zu entschlagen,
die über ihn mächtig geworden sind, er muß sich der Sehnsucht vergangner
Jahre erinnern und der Welt das leuchtende Beispiel eines Herrschers geben,
der als Ritter Christi rein und makellos durch diese Welt der Sünde schreitet.
Der König darf sich nicht selbst verlieren, seine Seele nicht beschmutzen, und


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[0346] Tcnnoöns. es der Zeit überlassen, Euch hierin eines Bessern zu belehren. Das aber werdet Ihr empfinden wie ich, daß es einem König übel ansteht, seine Jugend, die ruhmreich sein könnte, in richtigen Treiben zu vergeuden und im Müßiggang die Töchter seines Landes zu verderben! Überrascht, fast bestürzt, vernahm Camoens die heftigen Worte, die zu dem Kleide und zu der demütigen Haltung, welche Fras Tellez selbst hier im Wagen zeigte, wenig passen wollten. Rasch gab er zur Antwort: Ihr richtet streng und sprecht kühn, ehrwürdiger Bruder — ich wage Euch nicht auf diesem Pfade zu folgen. Hat man Euch auch erzählt, daß meinem Kleide zu mißtrauen sei? sagte der Kaplan mit einem kurzen Lächeln. Ich will Euch nicht verhehlen, daß ich von Herzen wünschte, Euch zu überzeugen, Eure Hilfe für meinen Zweck zu gewinnen, den ich für einen Gott wohlgefälligen halten muß! Ich würde wie tausende treuer Portugiesen Dom Sebastian freudig zugejauchzt haben, wenn er die schöne Gräfin Palmeirim als Ehegemahl heimgeführt hätte. Ich weiß besser als andre, wie oft der junge König dem Himmel ewige Keuschheit ge¬ lobt hat, doch ich hätte Tag und Nacht für ihn gebetet, daß ihm der Allmäch¬ tige den Bruch seiner Gelübde nicht anrechnen wolle! Nicht in Euch allein wallt das Blut für dies Land und König Manuels ruhmreichen Stamm, Senhor; auch unter diesem Kleide schlägt ein Herz dafür, und ich gestehe Euch, daß ich schon den reichsten Segen des Himmels auf das Haupt der neuen Kö¬ nigin herabgerufen habe. Es sollte nicht sein. Was sollte nicht sein? fragte Camoens ungestüm. Was der König hente nicht thut, kann er morgen vollbringen, Hochzeit läßt sich an jedem Tage halten. Was wißt Ihr, was könnt Ihr wissen, daß Ihr so bestimmt sprecht? Hinter den rauhen, hastigen Worten barg sich eine heftige Bewegung; er beugte sich, soviel er konnte, zu den Lippen des Kaplans hinüber. Daß Gräfin Catarina niemals die Krone tragen wird, das weiß ich, er¬ wiederte Tellez Alucita. Ich sollte Euer Beichtiger sein, Ihr nicht der meine, Senhor Luis; doch da es einmal so ist, so laßt mich gestehen, daß ich gegen meinen Berus.und meine Gelübde Thränen darum geweint habe, das schöne Haupt nicht ini königlichen Brautschmuck erblicken zu sollen. Doch was kümmert es Euch, wie dem Kaplan des Königs zu Mute war! Nur wie ihm jetzt zu Mute ist, sollt Ihr noch wissen, Senhor. Da der König den Schritt, den ihm Gott um seines Volkes willen verzeihen würde, nicht wagen und thun wird — nein, er wird ihn nicht thun, und wenn Ihr mir noch tiefer grollt! — so sehe ich nur einen Weg für ihn. Er hat sich der irdischen Wünsche zu entschlagen, die über ihn mächtig geworden sind, er muß sich der Sehnsucht vergangner Jahre erinnern und der Welt das leuchtende Beispiel eines Herrschers geben, der als Ritter Christi rein und makellos durch diese Welt der Sünde schreitet. Der König darf sich nicht selbst verlieren, seine Seele nicht beschmutzen, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/346>, abgerufen am 04.07.2024.