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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Robert Schumann in seinen Jugendbriefen.

ponist nur überhaupt ein Dichter. Am Klavier und mit einigen Kindcrszenen
wollte ich dir dies alles beweisen." Einmal meint er, daß sie beide in ihrem
Urteil oft weit von einander wären. "Das; wir uns darüber später ja keine
bittern Stunden machen! Wieder vorgestern fiel es mir ein, als ich über die
Ouvertüren von Berlioz und Bennett in der Zeitung schrieb, wo ich gewiß wußte,
daß du nicht mit mir einverstanden warst, und doch nicht anders konnte. Nun,
wir wollen uns schon gegenseitig von einander belehren lassen."

Schumanns unbestechlicher Wahrheitssinn verleugnet sich auch seiner Braut
gegenüber nicht. "Wie geht das nur zu (schreibt er ihr), daß dir gerade meine
Bekannten so wenig zusagen -- das thut mir weh, ohne dir dadurch nahe treten
zu wollen --, aber du darfst dich auch uicht der bloßen Antipathie hingeben,
und mußt dir Rechenschaft ablegen, warum der oder jener dir nicht gefallen
will. Ich bin doch auch nicht verschwenderisch in Freundschaftsbezeugungen;
aber wo ich schöne Vorzüge sehe, die wahre ich fest, und ist der Künstler
nicht mein Freund, so soll es doch der Mensch sein, oder auch umgekehrt."
"Prümc^) schlage ich aber höher an als du. Klärchen, laß dir etwas
sagen: ich hab' oft gefunden, daß auf dein Urteil das persönliche Benehmen
viel Einfluß hat. Gestehe es! Einer, der es recht gut mit dir meint, dir zu
deinem Urteil beipflichtet, überhaupt jeder, der etwas Ähnlichkeit mit deinem
Bräutigam hat, steht bei dir gleich gut angeschrieben. Eine Menge Beispiele
wollte ich dir anführen. Da thust du aber manchem Unrecht, und das ist doch
sonst deine Art nicht. Ich wette, wenn Prümc einmal zu dir käme, sich eine
Zigarre anzündete und sagte: "nun spielen Sie mir einmal von den herrlichen
Novelletten ze.", dn schriebst mir dann: "der Prüme ist doch ein prächtiger
Mensch und als Künstler doch schon auf einer sehr hohen Stufe ?e." -- Hab'
ich Recht?"

Es kann nicht meine Absicht sein, hier auf alle Einzelheiten in den Briefen
näher einzugehen; nur der bedeutungsvollen Zeit sei noch mit wenigen Worten
gedacht, wo Schumann in so erstaunlicher Schnelle jene wunderbare" Lieder
schuf, die allein schon seinen Namen unvergänglich erhalten würden. Man kann
nicht ohne Bewegung die herzigen Zeilen lesen, die er überglücklich und wie
atemlos seiner Klara sendet. "Seit gestern früh habe ich gegen siebenundzwanzig
Seiten Musik niedergeschrieben, etwas neues, von dein ich dir weiter nichts sagen
kann, als daß ich dabei gelacht und geweint habe. . . . Das Tönen und Musi--
ziren macht mich beinahe tot jetzt; ich könnte darin untergehen. Ach, Klara,
was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange
entbehrt." Dies schreibt er am 22. Februar 1340 über die "Myrrhen"; der
"Liederkreis" von Heine war vorher entstanden. Drei Wochen später sendet er
die ersten gedruckten Lieder, die er sie "nicht zu start zu kritisiren" bittet. "Wie



Geigenvirtuose, der namentlich mit der "Melancholie" viel Glück machte.
Robert Schumann in seinen Jugendbriefen.

ponist nur überhaupt ein Dichter. Am Klavier und mit einigen Kindcrszenen
wollte ich dir dies alles beweisen." Einmal meint er, daß sie beide in ihrem
Urteil oft weit von einander wären. „Das; wir uns darüber später ja keine
bittern Stunden machen! Wieder vorgestern fiel es mir ein, als ich über die
Ouvertüren von Berlioz und Bennett in der Zeitung schrieb, wo ich gewiß wußte,
daß du nicht mit mir einverstanden warst, und doch nicht anders konnte. Nun,
wir wollen uns schon gegenseitig von einander belehren lassen."

Schumanns unbestechlicher Wahrheitssinn verleugnet sich auch seiner Braut
gegenüber nicht. „Wie geht das nur zu (schreibt er ihr), daß dir gerade meine
Bekannten so wenig zusagen — das thut mir weh, ohne dir dadurch nahe treten
zu wollen —, aber du darfst dich auch uicht der bloßen Antipathie hingeben,
und mußt dir Rechenschaft ablegen, warum der oder jener dir nicht gefallen
will. Ich bin doch auch nicht verschwenderisch in Freundschaftsbezeugungen;
aber wo ich schöne Vorzüge sehe, die wahre ich fest, und ist der Künstler
nicht mein Freund, so soll es doch der Mensch sein, oder auch umgekehrt."
„Prümc^) schlage ich aber höher an als du. Klärchen, laß dir etwas
sagen: ich hab' oft gefunden, daß auf dein Urteil das persönliche Benehmen
viel Einfluß hat. Gestehe es! Einer, der es recht gut mit dir meint, dir zu
deinem Urteil beipflichtet, überhaupt jeder, der etwas Ähnlichkeit mit deinem
Bräutigam hat, steht bei dir gleich gut angeschrieben. Eine Menge Beispiele
wollte ich dir anführen. Da thust du aber manchem Unrecht, und das ist doch
sonst deine Art nicht. Ich wette, wenn Prümc einmal zu dir käme, sich eine
Zigarre anzündete und sagte: »nun spielen Sie mir einmal von den herrlichen
Novelletten ze.«, dn schriebst mir dann: »der Prüme ist doch ein prächtiger
Mensch und als Künstler doch schon auf einer sehr hohen Stufe ?e.« — Hab'
ich Recht?"

Es kann nicht meine Absicht sein, hier auf alle Einzelheiten in den Briefen
näher einzugehen; nur der bedeutungsvollen Zeit sei noch mit wenigen Worten
gedacht, wo Schumann in so erstaunlicher Schnelle jene wunderbare» Lieder
schuf, die allein schon seinen Namen unvergänglich erhalten würden. Man kann
nicht ohne Bewegung die herzigen Zeilen lesen, die er überglücklich und wie
atemlos seiner Klara sendet. „Seit gestern früh habe ich gegen siebenundzwanzig
Seiten Musik niedergeschrieben, etwas neues, von dein ich dir weiter nichts sagen
kann, als daß ich dabei gelacht und geweint habe. . . . Das Tönen und Musi--
ziren macht mich beinahe tot jetzt; ich könnte darin untergehen. Ach, Klara,
was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange
entbehrt." Dies schreibt er am 22. Februar 1340 über die „Myrrhen"; der
„Liederkreis" von Heine war vorher entstanden. Drei Wochen später sendet er
die ersten gedruckten Lieder, die er sie „nicht zu start zu kritisiren" bittet. „Wie



Geigenvirtuose, der namentlich mit der „Melancholie" viel Glück machte.
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[0285] Robert Schumann in seinen Jugendbriefen. ponist nur überhaupt ein Dichter. Am Klavier und mit einigen Kindcrszenen wollte ich dir dies alles beweisen." Einmal meint er, daß sie beide in ihrem Urteil oft weit von einander wären. „Das; wir uns darüber später ja keine bittern Stunden machen! Wieder vorgestern fiel es mir ein, als ich über die Ouvertüren von Berlioz und Bennett in der Zeitung schrieb, wo ich gewiß wußte, daß du nicht mit mir einverstanden warst, und doch nicht anders konnte. Nun, wir wollen uns schon gegenseitig von einander belehren lassen." Schumanns unbestechlicher Wahrheitssinn verleugnet sich auch seiner Braut gegenüber nicht. „Wie geht das nur zu (schreibt er ihr), daß dir gerade meine Bekannten so wenig zusagen — das thut mir weh, ohne dir dadurch nahe treten zu wollen —, aber du darfst dich auch uicht der bloßen Antipathie hingeben, und mußt dir Rechenschaft ablegen, warum der oder jener dir nicht gefallen will. Ich bin doch auch nicht verschwenderisch in Freundschaftsbezeugungen; aber wo ich schöne Vorzüge sehe, die wahre ich fest, und ist der Künstler nicht mein Freund, so soll es doch der Mensch sein, oder auch umgekehrt." „Prümc^) schlage ich aber höher an als du. Klärchen, laß dir etwas sagen: ich hab' oft gefunden, daß auf dein Urteil das persönliche Benehmen viel Einfluß hat. Gestehe es! Einer, der es recht gut mit dir meint, dir zu deinem Urteil beipflichtet, überhaupt jeder, der etwas Ähnlichkeit mit deinem Bräutigam hat, steht bei dir gleich gut angeschrieben. Eine Menge Beispiele wollte ich dir anführen. Da thust du aber manchem Unrecht, und das ist doch sonst deine Art nicht. Ich wette, wenn Prümc einmal zu dir käme, sich eine Zigarre anzündete und sagte: »nun spielen Sie mir einmal von den herrlichen Novelletten ze.«, dn schriebst mir dann: »der Prüme ist doch ein prächtiger Mensch und als Künstler doch schon auf einer sehr hohen Stufe ?e.« — Hab' ich Recht?" Es kann nicht meine Absicht sein, hier auf alle Einzelheiten in den Briefen näher einzugehen; nur der bedeutungsvollen Zeit sei noch mit wenigen Worten gedacht, wo Schumann in so erstaunlicher Schnelle jene wunderbare» Lieder schuf, die allein schon seinen Namen unvergänglich erhalten würden. Man kann nicht ohne Bewegung die herzigen Zeilen lesen, die er überglücklich und wie atemlos seiner Klara sendet. „Seit gestern früh habe ich gegen siebenundzwanzig Seiten Musik niedergeschrieben, etwas neues, von dein ich dir weiter nichts sagen kann, als daß ich dabei gelacht und geweint habe. . . . Das Tönen und Musi-- ziren macht mich beinahe tot jetzt; ich könnte darin untergehen. Ach, Klara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt." Dies schreibt er am 22. Februar 1340 über die „Myrrhen"; der „Liederkreis" von Heine war vorher entstanden. Drei Wochen später sendet er die ersten gedruckten Lieder, die er sie „nicht zu start zu kritisiren" bittet. „Wie Geigenvirtuose, der namentlich mit der „Melancholie" viel Glück machte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/285>, abgerufen am 28.12.2024.