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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse.

Die regierungsfreundlichen Parteien und der Fortschritt hielten diesmal gegen
das Zentrum zusammen Stand, und so kam es, daß die Kommissionsbeschlüsse
im Reichstage -- hier auch wohl zur Freude mancher Zentrumsmitglieder, die
dem Abgeordneten Windthorst nicht aus eignem Triebe, sondern aus Not ge¬
horchen -- und im Bundesrate angenommen wurden. Am 17. April 1886 hat
der Kaiser das Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz¬
gebiete vollzogen.

Dieses Gesetz stellt einen weitern bedeutsamen Abschnitt in der Geschichte der
deutschen Kolonialpolitik dar. Wie bereits erwähnt, hat der Reichstag bisher nur
Pauschquanta zur Befriedigung der Geldbedürfnisfe für die Schutzgebiete be¬
willigt. Damit war der Charakter des Provisorischen noch immer nicht verlassen;
in den Augen des Auslandes wie in den Augen des deutschen Volkes mußte es den
Anschein gewinnen, als handle es sich um Versuche, die jeden Augenblick wieder
aufgegeben werden könnten. Durch das Gesetz ist zum erstenmale für die Schutz¬
gebiete etwas Endgiltiges geschaffen, es ist ein sicherer Rechtsboden für die
Verwaltung derselben gewonnen, es ist -- wenn auch den Verhältnissen ent¬
sprechend nur lose -- doch immer ein Band zwischen dem Reiche und seinen
auswärtigen Besitzungen hergestellt.

Auch für das innere Staatsrecht des Reiches ist das Gesetz nicht ohne
Bedeutung; gegenüber den mehr zentrifugalen Richtungen der letzten Jahre ist
hier wieder einmal dem Kaiser gegeben, was des Kaisers ist. Es ist zum Aus¬
druck gelangt, daß der deutsche Kaiser der erbliche Träger der beim Reiche be¬
ruhenden Souveränität ist, und an dieser Sanktion scheiterten auch die Be¬
mühungen des Abgeordneten Dr. Windthorst, der den deutschen Kaiser zu dem
Präsidenten eines Bundes machen wollte, welchem nur widerruflich gewisse Vor¬
rechte erteilt sind.

Inhaltlich steht das Gesetz in einem Gegensatze zu seiner Form insofern,
als die Gewichtigkeit des Inhalts mit der Kürze der Form wächst. Es in
Kraft treten zu lassen, was noch verschiedne und eingehende Erwägungen der
kaiserlichen Regierung erfordert, ist kaiserlicher Verordnung vorbehalten.

Vorbildlich für die Vorschriften war das Gesetz über die Konsulargerichts-
barkeit vom 10. Juli 1879, welches iusoferu auf die Schutzgebiete für anwendbar
erklärt wurde, als die besondern Verhältnisse derselben nicht Abweichungen er¬
fordern. Wie in den Kvnsularbezirkeu des Reiches, sollen auch in den Schutz¬
gebieten die privatrechtlichen Bestimmungen der Reichsgesetze und des preußischen
Landrechts, das Strafrecht, die Prozeßordnungen und die Gerichtsverfassung
Geltung erlangen. Doch erstrecken sich die Bestimmungen des Gesetzes nicht
bloß auf Neichsangehörige, sondern auf alle Personen, welche sich in den
Schutzgebieten aufhalten, auf die Eingebornen jedoch nur nach Maßgabe der
Rechte, welche das Reich durch die Verträge mit den Häuptlingen erworben hat.
Besondre Abweichungen von dem 5l!onsularge>.ichtsbarkeitsgesetze sind namentlich,


Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse.

Die regierungsfreundlichen Parteien und der Fortschritt hielten diesmal gegen
das Zentrum zusammen Stand, und so kam es, daß die Kommissionsbeschlüsse
im Reichstage — hier auch wohl zur Freude mancher Zentrumsmitglieder, die
dem Abgeordneten Windthorst nicht aus eignem Triebe, sondern aus Not ge¬
horchen — und im Bundesrate angenommen wurden. Am 17. April 1886 hat
der Kaiser das Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz¬
gebiete vollzogen.

Dieses Gesetz stellt einen weitern bedeutsamen Abschnitt in der Geschichte der
deutschen Kolonialpolitik dar. Wie bereits erwähnt, hat der Reichstag bisher nur
Pauschquanta zur Befriedigung der Geldbedürfnisfe für die Schutzgebiete be¬
willigt. Damit war der Charakter des Provisorischen noch immer nicht verlassen;
in den Augen des Auslandes wie in den Augen des deutschen Volkes mußte es den
Anschein gewinnen, als handle es sich um Versuche, die jeden Augenblick wieder
aufgegeben werden könnten. Durch das Gesetz ist zum erstenmale für die Schutz¬
gebiete etwas Endgiltiges geschaffen, es ist ein sicherer Rechtsboden für die
Verwaltung derselben gewonnen, es ist — wenn auch den Verhältnissen ent¬
sprechend nur lose — doch immer ein Band zwischen dem Reiche und seinen
auswärtigen Besitzungen hergestellt.

Auch für das innere Staatsrecht des Reiches ist das Gesetz nicht ohne
Bedeutung; gegenüber den mehr zentrifugalen Richtungen der letzten Jahre ist
hier wieder einmal dem Kaiser gegeben, was des Kaisers ist. Es ist zum Aus¬
druck gelangt, daß der deutsche Kaiser der erbliche Träger der beim Reiche be¬
ruhenden Souveränität ist, und an dieser Sanktion scheiterten auch die Be¬
mühungen des Abgeordneten Dr. Windthorst, der den deutschen Kaiser zu dem
Präsidenten eines Bundes machen wollte, welchem nur widerruflich gewisse Vor¬
rechte erteilt sind.

Inhaltlich steht das Gesetz in einem Gegensatze zu seiner Form insofern,
als die Gewichtigkeit des Inhalts mit der Kürze der Form wächst. Es in
Kraft treten zu lassen, was noch verschiedne und eingehende Erwägungen der
kaiserlichen Regierung erfordert, ist kaiserlicher Verordnung vorbehalten.

Vorbildlich für die Vorschriften war das Gesetz über die Konsulargerichts-
barkeit vom 10. Juli 1879, welches iusoferu auf die Schutzgebiete für anwendbar
erklärt wurde, als die besondern Verhältnisse derselben nicht Abweichungen er¬
fordern. Wie in den Kvnsularbezirkeu des Reiches, sollen auch in den Schutz¬
gebieten die privatrechtlichen Bestimmungen der Reichsgesetze und des preußischen
Landrechts, das Strafrecht, die Prozeßordnungen und die Gerichtsverfassung
Geltung erlangen. Doch erstrecken sich die Bestimmungen des Gesetzes nicht
bloß auf Neichsangehörige, sondern auf alle Personen, welche sich in den
Schutzgebieten aufhalten, auf die Eingebornen jedoch nur nach Maßgabe der
Rechte, welche das Reich durch die Verträge mit den Häuptlingen erworben hat.
Besondre Abweichungen von dem 5l!onsularge>.ichtsbarkeitsgesetze sind namentlich,


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[0270] Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse. Die regierungsfreundlichen Parteien und der Fortschritt hielten diesmal gegen das Zentrum zusammen Stand, und so kam es, daß die Kommissionsbeschlüsse im Reichstage — hier auch wohl zur Freude mancher Zentrumsmitglieder, die dem Abgeordneten Windthorst nicht aus eignem Triebe, sondern aus Not ge¬ horchen — und im Bundesrate angenommen wurden. Am 17. April 1886 hat der Kaiser das Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz¬ gebiete vollzogen. Dieses Gesetz stellt einen weitern bedeutsamen Abschnitt in der Geschichte der deutschen Kolonialpolitik dar. Wie bereits erwähnt, hat der Reichstag bisher nur Pauschquanta zur Befriedigung der Geldbedürfnisfe für die Schutzgebiete be¬ willigt. Damit war der Charakter des Provisorischen noch immer nicht verlassen; in den Augen des Auslandes wie in den Augen des deutschen Volkes mußte es den Anschein gewinnen, als handle es sich um Versuche, die jeden Augenblick wieder aufgegeben werden könnten. Durch das Gesetz ist zum erstenmale für die Schutz¬ gebiete etwas Endgiltiges geschaffen, es ist ein sicherer Rechtsboden für die Verwaltung derselben gewonnen, es ist — wenn auch den Verhältnissen ent¬ sprechend nur lose — doch immer ein Band zwischen dem Reiche und seinen auswärtigen Besitzungen hergestellt. Auch für das innere Staatsrecht des Reiches ist das Gesetz nicht ohne Bedeutung; gegenüber den mehr zentrifugalen Richtungen der letzten Jahre ist hier wieder einmal dem Kaiser gegeben, was des Kaisers ist. Es ist zum Aus¬ druck gelangt, daß der deutsche Kaiser der erbliche Träger der beim Reiche be¬ ruhenden Souveränität ist, und an dieser Sanktion scheiterten auch die Be¬ mühungen des Abgeordneten Dr. Windthorst, der den deutschen Kaiser zu dem Präsidenten eines Bundes machen wollte, welchem nur widerruflich gewisse Vor¬ rechte erteilt sind. Inhaltlich steht das Gesetz in einem Gegensatze zu seiner Form insofern, als die Gewichtigkeit des Inhalts mit der Kürze der Form wächst. Es in Kraft treten zu lassen, was noch verschiedne und eingehende Erwägungen der kaiserlichen Regierung erfordert, ist kaiserlicher Verordnung vorbehalten. Vorbildlich für die Vorschriften war das Gesetz über die Konsulargerichts- barkeit vom 10. Juli 1879, welches iusoferu auf die Schutzgebiete für anwendbar erklärt wurde, als die besondern Verhältnisse derselben nicht Abweichungen er¬ fordern. Wie in den Kvnsularbezirkeu des Reiches, sollen auch in den Schutz¬ gebieten die privatrechtlichen Bestimmungen der Reichsgesetze und des preußischen Landrechts, das Strafrecht, die Prozeßordnungen und die Gerichtsverfassung Geltung erlangen. Doch erstrecken sich die Bestimmungen des Gesetzes nicht bloß auf Neichsangehörige, sondern auf alle Personen, welche sich in den Schutzgebieten aufhalten, auf die Eingebornen jedoch nur nach Maßgabe der Rechte, welche das Reich durch die Verträge mit den Häuptlingen erworben hat. Besondre Abweichungen von dem 5l!onsularge>.ichtsbarkeitsgesetze sind namentlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/270>, abgerufen am 02.07.2024.