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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Leinöl-us.

Als Gräfin Catarina vorhin neben der Herzogin die mächtige Palasttreppc
emporgestiegen war, die zu ihrer gemeinsamen Wohnung führte, hatten die
Damen an der Schwelle des großen Vorgemachs beinahe ihre ganze zahlreiche
Dienerschaft versammelt gefunden. Kammerfrauen, Diener und selbst die Pagen
der Herzogin umringten den riesigen grauköpfigen Neger Absalon, der vor langen
Jahren mit dem Vater der Herzogin von der Guineaküste nach Lissabon ge¬
kommen war. In seinem noch immer gebrochnen Portugiesisch hatte der Mohr
den Erstaunten berichtet, daß ihm vor einer Stunde, als er vom Flecken nach
den Gärten des Schlosses emporgestiegen sei, einer der Verschnittnen des Prinzen
Mnlei Muhamed angesprochen und ihm eine hohe Belohnung verheißen habe,
wenn er dem fremden, im Hause der Herzogin aufgenommenen Mädchen den
Inhalt eines kleinen Krystallglases in ihren Mvrgcntrank schütten wolle. In
seiner Bestürzung hatte Absalon mit sinnlosem Nicken geantwortet und das
Glas war in seine Hände geglitten. Als aber der Versucher eine Hand voll
Goldstücke nachfolgen zu lassen gedachte, hatte der Betroffene seine Besinnung
zurückgewonnen und war in die nächtig dunkeln Gänge des Gartens entflohen.
Das Glas mit wenigen Tropfen von duukelgelber Flüssigkeit war in dem Augen¬
blicke von Hand zu Hand gegangen, als die Herzogin und Catarina hinter den
voranleuchteuden Fackelträgern über die Schwelle ihrer Wohnung getreten waren.
Sobald der Herzogin der Vorfall berichtet worden war, hatte sie ihrer greisen
Kammerfrau das verhängnisvolle Krystallgefäß aus der Hand genommen und
streng gefragt, ob Esmah etwas von der Erzählung des Negers erfahre" habe?
Und als ihr die Antwort zu Teil geworden war, daß die junge Maurin schon
zur Ruhe gegangen und bis jetzt ohne Ahnung von der ihr drohenden Gefahr
geblieben sei, hatte die Gebieterin im strengsten Tone jede Mitteilung an das
fremde Mädchen untersagt. Sie hatte die überlieferte Flüssigkeit mit gering¬
schätzigen Lächeln geprüft und der Dienerschaft zugerufen, daß dieselbe nichts
weniger als ein Gift sei -- dann aber doch ernst befohlen, keine fremden Diener
und überhaupt keine Unbekannten die Wohnung betreten zu lassen. Dann hatte
die Herzogin selbst die tiefcrgriffeue und bestürzte Catarina in ihre Zimmer
geleitet und hier war es gewesen, wo die feste, willensstarke Frau in einen lauten
Weheruf ausgebrochen war und den Einfall des träumenden Poeten verwünscht
hatte, Esmah unter den Schutz dieses Daches und ihres geliebten Pfleglings
zu steilem Umsonst hatte Catarina die Erzürnte und Erregte zu beruhigen
gestrebt. Indem die Herzogin die kleine Phiole, in der sie ein tötliches Gift
ganz wohl erkannt hatte, im Vadegemach in das große wcissergcfüllte Marmor-
becken ausgoß und eigenhändig das Wasser entranschen ließ, hatte sie wiederholt
ausgerufen, daß Camoens ihr und Catarina und selbst der Fremden eine Lage
geschaffen habe, in der sie keine Stunde vor Erneuerung solcher Frevel sicher
wären. Für den Augenblick hatten selbst die Erlebnisse des Abends vergessen
geschienen, und erst als Catarina, wieder gefaßt, der Herzogin zugerufen hatte,


Leinöl-us.

Als Gräfin Catarina vorhin neben der Herzogin die mächtige Palasttreppc
emporgestiegen war, die zu ihrer gemeinsamen Wohnung führte, hatten die
Damen an der Schwelle des großen Vorgemachs beinahe ihre ganze zahlreiche
Dienerschaft versammelt gefunden. Kammerfrauen, Diener und selbst die Pagen
der Herzogin umringten den riesigen grauköpfigen Neger Absalon, der vor langen
Jahren mit dem Vater der Herzogin von der Guineaküste nach Lissabon ge¬
kommen war. In seinem noch immer gebrochnen Portugiesisch hatte der Mohr
den Erstaunten berichtet, daß ihm vor einer Stunde, als er vom Flecken nach
den Gärten des Schlosses emporgestiegen sei, einer der Verschnittnen des Prinzen
Mnlei Muhamed angesprochen und ihm eine hohe Belohnung verheißen habe,
wenn er dem fremden, im Hause der Herzogin aufgenommenen Mädchen den
Inhalt eines kleinen Krystallglases in ihren Mvrgcntrank schütten wolle. In
seiner Bestürzung hatte Absalon mit sinnlosem Nicken geantwortet und das
Glas war in seine Hände geglitten. Als aber der Versucher eine Hand voll
Goldstücke nachfolgen zu lassen gedachte, hatte der Betroffene seine Besinnung
zurückgewonnen und war in die nächtig dunkeln Gänge des Gartens entflohen.
Das Glas mit wenigen Tropfen von duukelgelber Flüssigkeit war in dem Augen¬
blicke von Hand zu Hand gegangen, als die Herzogin und Catarina hinter den
voranleuchteuden Fackelträgern über die Schwelle ihrer Wohnung getreten waren.
Sobald der Herzogin der Vorfall berichtet worden war, hatte sie ihrer greisen
Kammerfrau das verhängnisvolle Krystallgefäß aus der Hand genommen und
streng gefragt, ob Esmah etwas von der Erzählung des Negers erfahre« habe?
Und als ihr die Antwort zu Teil geworden war, daß die junge Maurin schon
zur Ruhe gegangen und bis jetzt ohne Ahnung von der ihr drohenden Gefahr
geblieben sei, hatte die Gebieterin im strengsten Tone jede Mitteilung an das
fremde Mädchen untersagt. Sie hatte die überlieferte Flüssigkeit mit gering¬
schätzigen Lächeln geprüft und der Dienerschaft zugerufen, daß dieselbe nichts
weniger als ein Gift sei — dann aber doch ernst befohlen, keine fremden Diener
und überhaupt keine Unbekannten die Wohnung betreten zu lassen. Dann hatte
die Herzogin selbst die tiefcrgriffeue und bestürzte Catarina in ihre Zimmer
geleitet und hier war es gewesen, wo die feste, willensstarke Frau in einen lauten
Weheruf ausgebrochen war und den Einfall des träumenden Poeten verwünscht
hatte, Esmah unter den Schutz dieses Daches und ihres geliebten Pfleglings
zu steilem Umsonst hatte Catarina die Erzürnte und Erregte zu beruhigen
gestrebt. Indem die Herzogin die kleine Phiole, in der sie ein tötliches Gift
ganz wohl erkannt hatte, im Vadegemach in das große wcissergcfüllte Marmor-
becken ausgoß und eigenhändig das Wasser entranschen ließ, hatte sie wiederholt
ausgerufen, daß Camoens ihr und Catarina und selbst der Fremden eine Lage
geschaffen habe, in der sie keine Stunde vor Erneuerung solcher Frevel sicher
wären. Für den Augenblick hatten selbst die Erlebnisse des Abends vergessen
geschienen, und erst als Catarina, wieder gefaßt, der Herzogin zugerufen hatte,


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[0196] Leinöl-us. Als Gräfin Catarina vorhin neben der Herzogin die mächtige Palasttreppc emporgestiegen war, die zu ihrer gemeinsamen Wohnung führte, hatten die Damen an der Schwelle des großen Vorgemachs beinahe ihre ganze zahlreiche Dienerschaft versammelt gefunden. Kammerfrauen, Diener und selbst die Pagen der Herzogin umringten den riesigen grauköpfigen Neger Absalon, der vor langen Jahren mit dem Vater der Herzogin von der Guineaküste nach Lissabon ge¬ kommen war. In seinem noch immer gebrochnen Portugiesisch hatte der Mohr den Erstaunten berichtet, daß ihm vor einer Stunde, als er vom Flecken nach den Gärten des Schlosses emporgestiegen sei, einer der Verschnittnen des Prinzen Mnlei Muhamed angesprochen und ihm eine hohe Belohnung verheißen habe, wenn er dem fremden, im Hause der Herzogin aufgenommenen Mädchen den Inhalt eines kleinen Krystallglases in ihren Mvrgcntrank schütten wolle. In seiner Bestürzung hatte Absalon mit sinnlosem Nicken geantwortet und das Glas war in seine Hände geglitten. Als aber der Versucher eine Hand voll Goldstücke nachfolgen zu lassen gedachte, hatte der Betroffene seine Besinnung zurückgewonnen und war in die nächtig dunkeln Gänge des Gartens entflohen. Das Glas mit wenigen Tropfen von duukelgelber Flüssigkeit war in dem Augen¬ blicke von Hand zu Hand gegangen, als die Herzogin und Catarina hinter den voranleuchteuden Fackelträgern über die Schwelle ihrer Wohnung getreten waren. Sobald der Herzogin der Vorfall berichtet worden war, hatte sie ihrer greisen Kammerfrau das verhängnisvolle Krystallgefäß aus der Hand genommen und streng gefragt, ob Esmah etwas von der Erzählung des Negers erfahre« habe? Und als ihr die Antwort zu Teil geworden war, daß die junge Maurin schon zur Ruhe gegangen und bis jetzt ohne Ahnung von der ihr drohenden Gefahr geblieben sei, hatte die Gebieterin im strengsten Tone jede Mitteilung an das fremde Mädchen untersagt. Sie hatte die überlieferte Flüssigkeit mit gering¬ schätzigen Lächeln geprüft und der Dienerschaft zugerufen, daß dieselbe nichts weniger als ein Gift sei — dann aber doch ernst befohlen, keine fremden Diener und überhaupt keine Unbekannten die Wohnung betreten zu lassen. Dann hatte die Herzogin selbst die tiefcrgriffeue und bestürzte Catarina in ihre Zimmer geleitet und hier war es gewesen, wo die feste, willensstarke Frau in einen lauten Weheruf ausgebrochen war und den Einfall des träumenden Poeten verwünscht hatte, Esmah unter den Schutz dieses Daches und ihres geliebten Pfleglings zu steilem Umsonst hatte Catarina die Erzürnte und Erregte zu beruhigen gestrebt. Indem die Herzogin die kleine Phiole, in der sie ein tötliches Gift ganz wohl erkannt hatte, im Vadegemach in das große wcissergcfüllte Marmor- becken ausgoß und eigenhändig das Wasser entranschen ließ, hatte sie wiederholt ausgerufen, daß Camoens ihr und Catarina und selbst der Fremden eine Lage geschaffen habe, in der sie keine Stunde vor Erneuerung solcher Frevel sicher wären. Für den Augenblick hatten selbst die Erlebnisse des Abends vergessen geschienen, und erst als Catarina, wieder gefaßt, der Herzogin zugerufen hatte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/196>, abgerufen am 03.07.2024.