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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens.

daß ja Esinah im besondern Schutze des Königs stehe, da hatte die Herzogin
ihre Pflegebefohlene umarmt und leidenschaftlich gerufen: Möchtest du wahr
sprechen, Kind, und zur Macht auch bald, bald das Recht erhalten, den König
an seine Pflicht zu mahnen. Immer bleibt es ein Mißgeschick, daß uns Senhor
Luis mit der Sorge um jenes Mädchen belastet hat, während wir um dich
sorgen müssen, Catarina! Der König ist des reinsten Willens voll und liebt
dich, wie du es verdienst, und dennoch -- dennoch sehe ich Schatten über deinen
Weg fallen. Es wäre besser gewesen, wenn es heute nicht Hunderte von Neidern
und geheimen Gegnern vernommen hätten, daß er dich zu seiner Königin begehrt.
Gute Nacht, Catarina, mögen alle guten Engel um dich sein, der neue Tag
uns Licht in jedem Sinne bringen und den Willen des Königs stärken.

Catarina hatte zu diesen zweifelnden Worten der mütterlichen Freundin
nur gelächelt, hatte leise erwiedert: Der König wird das Rechte finden und
thun! und darnach der Herzogin sorglose, erquickliche Ruhe gewünscht. Sie
hatte noch den Gutenachtkuß auf ihrer Stirn gefühlt, als sie an das breite
offne Fenster getreten war. Und nun lauschte sie seit langen, langen Viertel
stunden in die lautlose Stille der Gärten hinaus, suchte vergebens im Dunkel
Berge und Wolken zu unterscheiden, vergebens ihre Gedanken bei dem König,
bei den Blicken und Worten festzuhalten, welche an diesem Abend zwischen ihm
und ihr gewechselt worden waren. Wider Willen entsann sie sich jetzt, wie
bleich Camoens drunten in dem schimmernden Kreise im Königssaal gestanden
hatte, wie leidvoll der Ausdruck seiner Züge, wie unverwandt sein Blick ihr
zugekehrt gewesen war. Es fiel ihr ein, daß sie nur flüchtige Worte mit ihm
gewechselt hatte und daß er Wohl auf mehr gehofft haben könnte. Catarina
wußte nicht, unter welchem geheimen Zwang sie jeder Begegnung gedachte, die
sie seither mit dem Dichter gehabt. Ein Ton in seiner Stimme, ein ernster Zug
um die geschlossenen Lippen, deren sie sich erinnerte, offenbarten ihr jetzt mit
einemmale, daß der Freund ihrer Mutter wenig Glück gelaunt habe, ein tiefes
und zartes Mitleid mit dem einsamen Manne beschlich sie und mischte sich mit
den frohen Schauern, die jeder Gedanke an den jungen König ihr erweckte.
Und seltsam, indem sie hier, in der nächtlichen Ruhe, wechselnd Esmahs,
Camoens' und des Königs gedachte, stand plötzlich der sonnenhelle Morgen
vor ihrem Blick, an dem sie mit Camoens im Hochthal der Mutter aller
Gnaden verweilt hatte, und dann wieder der schwüle Mittag und die wilden
Unwetter, durch welche sie an Dom Sebastians Seite geritten war. Eine tiefe
Sehnsucht, dem Freunde ihrer Mutter mehr und besseres zu sein, als die
Verklärte es jemals vermocht hatte, ergriff sie mit geheimer Gewalt. Und
dazwischen wogte dann das Bewußtsein auf, daß Dom Sebastian in seiner
Weise nicht minder glücklos sei als Luis Camoens; mit der Nachtluft. der sie
ihre brennende Stirn bot, drangen die Laute wieder an ihre Seele, in denen
der junge König ihr sein tiefstes Leben vertraut hatte. Als sich die wider-


Camoens.

daß ja Esinah im besondern Schutze des Königs stehe, da hatte die Herzogin
ihre Pflegebefohlene umarmt und leidenschaftlich gerufen: Möchtest du wahr
sprechen, Kind, und zur Macht auch bald, bald das Recht erhalten, den König
an seine Pflicht zu mahnen. Immer bleibt es ein Mißgeschick, daß uns Senhor
Luis mit der Sorge um jenes Mädchen belastet hat, während wir um dich
sorgen müssen, Catarina! Der König ist des reinsten Willens voll und liebt
dich, wie du es verdienst, und dennoch — dennoch sehe ich Schatten über deinen
Weg fallen. Es wäre besser gewesen, wenn es heute nicht Hunderte von Neidern
und geheimen Gegnern vernommen hätten, daß er dich zu seiner Königin begehrt.
Gute Nacht, Catarina, mögen alle guten Engel um dich sein, der neue Tag
uns Licht in jedem Sinne bringen und den Willen des Königs stärken.

Catarina hatte zu diesen zweifelnden Worten der mütterlichen Freundin
nur gelächelt, hatte leise erwiedert: Der König wird das Rechte finden und
thun! und darnach der Herzogin sorglose, erquickliche Ruhe gewünscht. Sie
hatte noch den Gutenachtkuß auf ihrer Stirn gefühlt, als sie an das breite
offne Fenster getreten war. Und nun lauschte sie seit langen, langen Viertel
stunden in die lautlose Stille der Gärten hinaus, suchte vergebens im Dunkel
Berge und Wolken zu unterscheiden, vergebens ihre Gedanken bei dem König,
bei den Blicken und Worten festzuhalten, welche an diesem Abend zwischen ihm
und ihr gewechselt worden waren. Wider Willen entsann sie sich jetzt, wie
bleich Camoens drunten in dem schimmernden Kreise im Königssaal gestanden
hatte, wie leidvoll der Ausdruck seiner Züge, wie unverwandt sein Blick ihr
zugekehrt gewesen war. Es fiel ihr ein, daß sie nur flüchtige Worte mit ihm
gewechselt hatte und daß er Wohl auf mehr gehofft haben könnte. Catarina
wußte nicht, unter welchem geheimen Zwang sie jeder Begegnung gedachte, die
sie seither mit dem Dichter gehabt. Ein Ton in seiner Stimme, ein ernster Zug
um die geschlossenen Lippen, deren sie sich erinnerte, offenbarten ihr jetzt mit
einemmale, daß der Freund ihrer Mutter wenig Glück gelaunt habe, ein tiefes
und zartes Mitleid mit dem einsamen Manne beschlich sie und mischte sich mit
den frohen Schauern, die jeder Gedanke an den jungen König ihr erweckte.
Und seltsam, indem sie hier, in der nächtlichen Ruhe, wechselnd Esmahs,
Camoens' und des Königs gedachte, stand plötzlich der sonnenhelle Morgen
vor ihrem Blick, an dem sie mit Camoens im Hochthal der Mutter aller
Gnaden verweilt hatte, und dann wieder der schwüle Mittag und die wilden
Unwetter, durch welche sie an Dom Sebastians Seite geritten war. Eine tiefe
Sehnsucht, dem Freunde ihrer Mutter mehr und besseres zu sein, als die
Verklärte es jemals vermocht hatte, ergriff sie mit geheimer Gewalt. Und
dazwischen wogte dann das Bewußtsein auf, daß Dom Sebastian in seiner
Weise nicht minder glücklos sei als Luis Camoens; mit der Nachtluft. der sie
ihre brennende Stirn bot, drangen die Laute wieder an ihre Seele, in denen
der junge König ihr sein tiefstes Leben vertraut hatte. Als sich die wider-


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[0197] Camoens. daß ja Esinah im besondern Schutze des Königs stehe, da hatte die Herzogin ihre Pflegebefohlene umarmt und leidenschaftlich gerufen: Möchtest du wahr sprechen, Kind, und zur Macht auch bald, bald das Recht erhalten, den König an seine Pflicht zu mahnen. Immer bleibt es ein Mißgeschick, daß uns Senhor Luis mit der Sorge um jenes Mädchen belastet hat, während wir um dich sorgen müssen, Catarina! Der König ist des reinsten Willens voll und liebt dich, wie du es verdienst, und dennoch — dennoch sehe ich Schatten über deinen Weg fallen. Es wäre besser gewesen, wenn es heute nicht Hunderte von Neidern und geheimen Gegnern vernommen hätten, daß er dich zu seiner Königin begehrt. Gute Nacht, Catarina, mögen alle guten Engel um dich sein, der neue Tag uns Licht in jedem Sinne bringen und den Willen des Königs stärken. Catarina hatte zu diesen zweifelnden Worten der mütterlichen Freundin nur gelächelt, hatte leise erwiedert: Der König wird das Rechte finden und thun! und darnach der Herzogin sorglose, erquickliche Ruhe gewünscht. Sie hatte noch den Gutenachtkuß auf ihrer Stirn gefühlt, als sie an das breite offne Fenster getreten war. Und nun lauschte sie seit langen, langen Viertel stunden in die lautlose Stille der Gärten hinaus, suchte vergebens im Dunkel Berge und Wolken zu unterscheiden, vergebens ihre Gedanken bei dem König, bei den Blicken und Worten festzuhalten, welche an diesem Abend zwischen ihm und ihr gewechselt worden waren. Wider Willen entsann sie sich jetzt, wie bleich Camoens drunten in dem schimmernden Kreise im Königssaal gestanden hatte, wie leidvoll der Ausdruck seiner Züge, wie unverwandt sein Blick ihr zugekehrt gewesen war. Es fiel ihr ein, daß sie nur flüchtige Worte mit ihm gewechselt hatte und daß er Wohl auf mehr gehofft haben könnte. Catarina wußte nicht, unter welchem geheimen Zwang sie jeder Begegnung gedachte, die sie seither mit dem Dichter gehabt. Ein Ton in seiner Stimme, ein ernster Zug um die geschlossenen Lippen, deren sie sich erinnerte, offenbarten ihr jetzt mit einemmale, daß der Freund ihrer Mutter wenig Glück gelaunt habe, ein tiefes und zartes Mitleid mit dem einsamen Manne beschlich sie und mischte sich mit den frohen Schauern, die jeder Gedanke an den jungen König ihr erweckte. Und seltsam, indem sie hier, in der nächtlichen Ruhe, wechselnd Esmahs, Camoens' und des Königs gedachte, stand plötzlich der sonnenhelle Morgen vor ihrem Blick, an dem sie mit Camoens im Hochthal der Mutter aller Gnaden verweilt hatte, und dann wieder der schwüle Mittag und die wilden Unwetter, durch welche sie an Dom Sebastians Seite geritten war. Eine tiefe Sehnsucht, dem Freunde ihrer Mutter mehr und besseres zu sein, als die Verklärte es jemals vermocht hatte, ergriff sie mit geheimer Gewalt. Und dazwischen wogte dann das Bewußtsein auf, daß Dom Sebastian in seiner Weise nicht minder glücklos sei als Luis Camoens; mit der Nachtluft. der sie ihre brennende Stirn bot, drangen die Laute wieder an ihre Seele, in denen der junge König ihr sein tiefstes Leben vertraut hatte. Als sich die wider-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/197>, abgerufen am 01.07.2024.