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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lmnoöns.

Dort habt Ihr mich, wie ich bin, Manuel, Die verschwimmende Glut
dort, den letzten Wiederschein der niedergehenden Sonne habe ich für eine
Morgenröte gehalten. Das letzte Licht erlischt beim Hinabtauchen in die große
Flut -- möchte es auch mit meinen Tagen so sein.

Ihr sprecht in Rätseln, erwiederte Manuel, indem er sich vergewisserte,
daß ihnen niemand von drinnen auf die Terrasse gefolgt sei. Kommt zu Euch
selbst zurück, Luis, und was Ihr auch in diesen Tagen geträumt habt -- Ihr
konntet doch in Wahrheit keine Hoffnung hegen, konntet nicht wähnen, daß Euch
die Tochter an die Stelle der Mutter treten würde!

Wißt Ihr so genau, Manuel, wo ein Mensch innehält, der nach neuem,
nie gekanntem, stets ersehnten Leben lechzt? Wußte ichs doch selbst nicht bis
diesen Abend, wie verwegen ich träumte! Ihr habt ganz Recht: es ist Wahn¬
sinn, zu erwarten, daß das Glück dem Alternden in den Schooß werfen werde,
was es dem Jngendmntigen, in der Fülle der Kraft stehenden versagte. Und
doch, doch! in mir Schreies auf -- jene Stimme, die mich nie betrog, daß ohne
den König ein Wunder geschehen sein würde.

Eure innere Stimme täuscht Euch gleichwohl, versetzte Barrcto, Über den
Ausgang dieser plötzlichen Werbung des Königs um Catarina Palmeirim habe
ich meine eignen Gedanken -- Euch würde es wenig geholfen haben -- wenn
auch das Auge des Gebieters nie auf die Schöne gefallen wäre. Ihr müßt
Euch sammeln -- und wir müssen hinweg, so bald als möglich.

Müssen wir? fragte Camoens halblaut und in einem Tone, der sein schmerz¬
liches Widerstreben verriet. Und glaubt Ihr im Ernste, daß es helfen werde?
Mir ist, als wäre ich an den Boden dieses Schlosses festgeheftet und solle
schauen und schauen, wie mein Traum Stück um Stück dahinsinkt, und mich
selbst verhöhnen, daß ich ihn geträumt habe. Es wird schwerlich lange währen,
bis die Entscheidung da ist!

Viel zu lang für Euch -- für uns, Camoens! entgegnete der Edelmann.
Laßt uns noch diesen Abend den König um Urlaub bitten -- und morgen in
der Frühe uach Almocegema reiten. Ich bin sicher, daß Ihr an meinem Herde
von dem Fieber genesen werdet, das Euch erfaßt hat. Ich tadle Euch uicht
und werde Euch nicht mit armselig verständigem Geschwätz Gift in die Wunde
träufeln. Aber wenn Ihr Euch nicht selbst aufgeben, wenn Ihr auch mir
um Euers Werkes willen leben wollt, so muß das erste sein, daß wir gehen.

So kommt denn -- kommt! sagte Camoens, sich plötzlich gewaltsam auf¬
raffend. Wenn ich den König noch einmal sehen lind verehren muß, kann es
nicht bald geung geschehen. Ich möchte mein Auge auf den Grund seiner
Seele senken, um zu wissen, was er der Herrlichen sein wird. Dürfte ich es
ihm mit einem Blicke ins Herz glühen, daß nur der ihrer wert ist, der um
ihretwillen alles vergessen, sür sie alles opfern kann.

Im Dunkel vermochte Barrcto die Züge des Freundes nicht zu unter-


Lmnoöns.

Dort habt Ihr mich, wie ich bin, Manuel, Die verschwimmende Glut
dort, den letzten Wiederschein der niedergehenden Sonne habe ich für eine
Morgenröte gehalten. Das letzte Licht erlischt beim Hinabtauchen in die große
Flut — möchte es auch mit meinen Tagen so sein.

Ihr sprecht in Rätseln, erwiederte Manuel, indem er sich vergewisserte,
daß ihnen niemand von drinnen auf die Terrasse gefolgt sei. Kommt zu Euch
selbst zurück, Luis, und was Ihr auch in diesen Tagen geträumt habt — Ihr
konntet doch in Wahrheit keine Hoffnung hegen, konntet nicht wähnen, daß Euch
die Tochter an die Stelle der Mutter treten würde!

Wißt Ihr so genau, Manuel, wo ein Mensch innehält, der nach neuem,
nie gekanntem, stets ersehnten Leben lechzt? Wußte ichs doch selbst nicht bis
diesen Abend, wie verwegen ich träumte! Ihr habt ganz Recht: es ist Wahn¬
sinn, zu erwarten, daß das Glück dem Alternden in den Schooß werfen werde,
was es dem Jngendmntigen, in der Fülle der Kraft stehenden versagte. Und
doch, doch! in mir Schreies auf — jene Stimme, die mich nie betrog, daß ohne
den König ein Wunder geschehen sein würde.

Eure innere Stimme täuscht Euch gleichwohl, versetzte Barrcto, Über den
Ausgang dieser plötzlichen Werbung des Königs um Catarina Palmeirim habe
ich meine eignen Gedanken — Euch würde es wenig geholfen haben — wenn
auch das Auge des Gebieters nie auf die Schöne gefallen wäre. Ihr müßt
Euch sammeln — und wir müssen hinweg, so bald als möglich.

Müssen wir? fragte Camoens halblaut und in einem Tone, der sein schmerz¬
liches Widerstreben verriet. Und glaubt Ihr im Ernste, daß es helfen werde?
Mir ist, als wäre ich an den Boden dieses Schlosses festgeheftet und solle
schauen und schauen, wie mein Traum Stück um Stück dahinsinkt, und mich
selbst verhöhnen, daß ich ihn geträumt habe. Es wird schwerlich lange währen,
bis die Entscheidung da ist!

Viel zu lang für Euch — für uns, Camoens! entgegnete der Edelmann.
Laßt uns noch diesen Abend den König um Urlaub bitten — und morgen in
der Frühe uach Almocegema reiten. Ich bin sicher, daß Ihr an meinem Herde
von dem Fieber genesen werdet, das Euch erfaßt hat. Ich tadle Euch uicht
und werde Euch nicht mit armselig verständigem Geschwätz Gift in die Wunde
träufeln. Aber wenn Ihr Euch nicht selbst aufgeben, wenn Ihr auch mir
um Euers Werkes willen leben wollt, so muß das erste sein, daß wir gehen.

So kommt denn — kommt! sagte Camoens, sich plötzlich gewaltsam auf¬
raffend. Wenn ich den König noch einmal sehen lind verehren muß, kann es
nicht bald geung geschehen. Ich möchte mein Auge auf den Grund seiner
Seele senken, um zu wissen, was er der Herrlichen sein wird. Dürfte ich es
ihm mit einem Blicke ins Herz glühen, daß nur der ihrer wert ist, der um
ihretwillen alles vergessen, sür sie alles opfern kann.

Im Dunkel vermochte Barrcto die Züge des Freundes nicht zu unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/194>, abgerufen am 04.07.2024.