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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

unter diesen Umständen die Fäden verwirren, erkennt man daraus, daß die deutschen
Protestanten hofften, die Republik ganz in die Union hineinzuziehen, weil damals
Paolo Sarpi die schärfste Opposition gegen das Papsttum vertrat und die Union
im letzten Ende doch gegen den Papismus gerichtet sei: ja der Gesandte
Jakobs I. von England, Wotton, arbeitete geradezu darauf hin, in Venedig
der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen, hart vor dem Ausbruch des
dreißigjährigen Krieges, am Vorabend der gewaltsamen Wiederkatholisirnug
Steiermarks, Österreichs und Böhmens.

Diese" Dingen ins einzelne nachzugehen ist das Verdienst eines kürzlich
zum Abschlüsse gelangten Buches/") auf dessen reichen archivalischen Mitteilungen
wir im folgenden fußen. Das Ganze der Situation haben wir gezeichnet; ihr
in allen ihren einzelnen Wandlungen zu folgen sind wir freilich bei dem Charakter,
den diese Studie haben soll, und bei dem Raum dieser Blätter nicht imstande,
aber auf die Hauptthatsachen wollen wir doch hinweisen.

Gleich der Ausbruch der böhmischen Revolution im Mai 1618 wurde für
Venedig von großer Bedeutung. Man freute sich über dieselbe, weil sie deu
damals erst mit der Königswürde bekleideten Ferdinand notwendig gegenüber
von Venedig nachgiebiger stimmen mußte; aber man konnte sich auch wieder
der Sorgen nicht entschlagen, weil Spanien sich möglicherweise für einen
Verlust der deutscheu Habsburger würde in Italien schadlos halten wollen; auch
war es möglich, daß es sich für die Truppenhilfc, die es den deutschen Vettern
gegen die böhmischen Rebellen sandte, in Italien bezahlen ließ; man Hai
eine Zeit lang in Venedig befürchtet, daß Ferdinand Jstrien und Friaul an
Spanien abtreten könne, eine Gebietsvcrändernng, die für die Republik die größten
Unzntrüglichteiten herbeigeführt hätte. König Ferdinand gab sich freilich alle
Mühe, diese Befürchtungen zu zerstreuen; er war in einer Unterredung, welche
er am 7. Juli mit dem Gesandten Zorzi Giustiniani hatte, so freundlich als
möglich; mit Bewunderung sprach er von den großen Galeonen der Venetianer,
die er vor zwanzig Jahren auf seiner Reise nach Loreto selbst gesehen habe,
und berührte dann anch andre Dinge, die ihm in der Stadt besonders gefallen
hätten; der Gesandte war ganz eingenommen von der Imumnitü, ALlltiloMl
des hohen Herrn; aber dabei ließ doch jeder die Krallen ein klein wenig sehen:
der Kaiser ließ einige Worte über die Größe und Stärke der neapolitanischen
Flotte fallen, mit welcher der Herzog von Ossuna jeden Augenblick über die
Republik herzufallen bereit war, und der Gesandte erwiederte darauf mit Lob¬
sprüchen über die venetianische Flotte, welche schlagfertig und nach Zahl und
Tüchtigkeit der Schiffe geeignet sei, das Ansehen der Republik in jeder Weise auf¬
recht zu erhalten. So blieb die Lage stets eine gespannte, und bald bemühte mau



*) Die Politik der Republik Venedig während des dreißigjährigen Krieges. Bon
Hans von Zwicdinek-Südenhorst. Zwei Bände. Stuttgart, Cotta, IL32, 188S.
Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

unter diesen Umständen die Fäden verwirren, erkennt man daraus, daß die deutschen
Protestanten hofften, die Republik ganz in die Union hineinzuziehen, weil damals
Paolo Sarpi die schärfste Opposition gegen das Papsttum vertrat und die Union
im letzten Ende doch gegen den Papismus gerichtet sei: ja der Gesandte
Jakobs I. von England, Wotton, arbeitete geradezu darauf hin, in Venedig
der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen, hart vor dem Ausbruch des
dreißigjährigen Krieges, am Vorabend der gewaltsamen Wiederkatholisirnug
Steiermarks, Österreichs und Böhmens.

Diese» Dingen ins einzelne nachzugehen ist das Verdienst eines kürzlich
zum Abschlüsse gelangten Buches/") auf dessen reichen archivalischen Mitteilungen
wir im folgenden fußen. Das Ganze der Situation haben wir gezeichnet; ihr
in allen ihren einzelnen Wandlungen zu folgen sind wir freilich bei dem Charakter,
den diese Studie haben soll, und bei dem Raum dieser Blätter nicht imstande,
aber auf die Hauptthatsachen wollen wir doch hinweisen.

Gleich der Ausbruch der böhmischen Revolution im Mai 1618 wurde für
Venedig von großer Bedeutung. Man freute sich über dieselbe, weil sie deu
damals erst mit der Königswürde bekleideten Ferdinand notwendig gegenüber
von Venedig nachgiebiger stimmen mußte; aber man konnte sich auch wieder
der Sorgen nicht entschlagen, weil Spanien sich möglicherweise für einen
Verlust der deutscheu Habsburger würde in Italien schadlos halten wollen; auch
war es möglich, daß es sich für die Truppenhilfc, die es den deutschen Vettern
gegen die böhmischen Rebellen sandte, in Italien bezahlen ließ; man Hai
eine Zeit lang in Venedig befürchtet, daß Ferdinand Jstrien und Friaul an
Spanien abtreten könne, eine Gebietsvcrändernng, die für die Republik die größten
Unzntrüglichteiten herbeigeführt hätte. König Ferdinand gab sich freilich alle
Mühe, diese Befürchtungen zu zerstreuen; er war in einer Unterredung, welche
er am 7. Juli mit dem Gesandten Zorzi Giustiniani hatte, so freundlich als
möglich; mit Bewunderung sprach er von den großen Galeonen der Venetianer,
die er vor zwanzig Jahren auf seiner Reise nach Loreto selbst gesehen habe,
und berührte dann anch andre Dinge, die ihm in der Stadt besonders gefallen
hätten; der Gesandte war ganz eingenommen von der Imumnitü, ALlltiloMl
des hohen Herrn; aber dabei ließ doch jeder die Krallen ein klein wenig sehen:
der Kaiser ließ einige Worte über die Größe und Stärke der neapolitanischen
Flotte fallen, mit welcher der Herzog von Ossuna jeden Augenblick über die
Republik herzufallen bereit war, und der Gesandte erwiederte darauf mit Lob¬
sprüchen über die venetianische Flotte, welche schlagfertig und nach Zahl und
Tüchtigkeit der Schiffe geeignet sei, das Ansehen der Republik in jeder Weise auf¬
recht zu erhalten. So blieb die Lage stets eine gespannte, und bald bemühte mau



*) Die Politik der Republik Venedig während des dreißigjährigen Krieges. Bon
Hans von Zwicdinek-Südenhorst. Zwei Bände. Stuttgart, Cotta, IL32, 188S.
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[0175] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. unter diesen Umständen die Fäden verwirren, erkennt man daraus, daß die deutschen Protestanten hofften, die Republik ganz in die Union hineinzuziehen, weil damals Paolo Sarpi die schärfste Opposition gegen das Papsttum vertrat und die Union im letzten Ende doch gegen den Papismus gerichtet sei: ja der Gesandte Jakobs I. von England, Wotton, arbeitete geradezu darauf hin, in Venedig der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen, hart vor dem Ausbruch des dreißigjährigen Krieges, am Vorabend der gewaltsamen Wiederkatholisirnug Steiermarks, Österreichs und Böhmens. Diese» Dingen ins einzelne nachzugehen ist das Verdienst eines kürzlich zum Abschlüsse gelangten Buches/") auf dessen reichen archivalischen Mitteilungen wir im folgenden fußen. Das Ganze der Situation haben wir gezeichnet; ihr in allen ihren einzelnen Wandlungen zu folgen sind wir freilich bei dem Charakter, den diese Studie haben soll, und bei dem Raum dieser Blätter nicht imstande, aber auf die Hauptthatsachen wollen wir doch hinweisen. Gleich der Ausbruch der böhmischen Revolution im Mai 1618 wurde für Venedig von großer Bedeutung. Man freute sich über dieselbe, weil sie deu damals erst mit der Königswürde bekleideten Ferdinand notwendig gegenüber von Venedig nachgiebiger stimmen mußte; aber man konnte sich auch wieder der Sorgen nicht entschlagen, weil Spanien sich möglicherweise für einen Verlust der deutscheu Habsburger würde in Italien schadlos halten wollen; auch war es möglich, daß es sich für die Truppenhilfc, die es den deutschen Vettern gegen die böhmischen Rebellen sandte, in Italien bezahlen ließ; man Hai eine Zeit lang in Venedig befürchtet, daß Ferdinand Jstrien und Friaul an Spanien abtreten könne, eine Gebietsvcrändernng, die für die Republik die größten Unzntrüglichteiten herbeigeführt hätte. König Ferdinand gab sich freilich alle Mühe, diese Befürchtungen zu zerstreuen; er war in einer Unterredung, welche er am 7. Juli mit dem Gesandten Zorzi Giustiniani hatte, so freundlich als möglich; mit Bewunderung sprach er von den großen Galeonen der Venetianer, die er vor zwanzig Jahren auf seiner Reise nach Loreto selbst gesehen habe, und berührte dann anch andre Dinge, die ihm in der Stadt besonders gefallen hätten; der Gesandte war ganz eingenommen von der Imumnitü, ALlltiloMl des hohen Herrn; aber dabei ließ doch jeder die Krallen ein klein wenig sehen: der Kaiser ließ einige Worte über die Größe und Stärke der neapolitanischen Flotte fallen, mit welcher der Herzog von Ossuna jeden Augenblick über die Republik herzufallen bereit war, und der Gesandte erwiederte darauf mit Lob¬ sprüchen über die venetianische Flotte, welche schlagfertig und nach Zahl und Tüchtigkeit der Schiffe geeignet sei, das Ansehen der Republik in jeder Weise auf¬ recht zu erhalten. So blieb die Lage stets eine gespannte, und bald bemühte mau *) Die Politik der Republik Venedig während des dreißigjährigen Krieges. Bon Hans von Zwicdinek-Südenhorst. Zwei Bände. Stuttgart, Cotta, IL32, 188S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/175>, abgerufen am 23.07.2024.