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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

sich Vonseiten der antihabsburgischen Liga, Venedig zum Angriff auf Österreich
zu bestimmen, wozu es an brauchbaren Vorwänden nicht fehlte; "noch sei kein
Dieb bestraft, konnte die Signoria klagen; keiner von den vielen verbrecherischen
Uskoken sei um seinen Kopf gekommen; man sperre sie ein und lasse sie ent¬
wischen, und daher sei es kein Wunder, wenn dieselben wieder Zutrauen faßten
und ihre gewohnten Verbrechen wieder aufnahmen, wie dies die Berichte der
Mftenkapitäne darthaten." Und während sich die österreichische Regierung so
benahm, hatte Venedig die böhmischen Rebellen noch mit nichts unterstützt: "sein
eignes Interesse verlangte die Aufrechterhaltung guter Beziehungen bei Wahrung
aller bereits anerkannten oder vertragsmäßig stipulirten Rechte." Während es aber
an diesen denn auch zäh festhielt, zeigte sich ein neuer Streitgegenstand: die Spanier
wollten 6000 Mann Fußsoldaten "zum Schutz der gefährdeten Religion" durch
den venetianischen Golf nach Trieft gehen lassen, von wo sie nach Böhmen
weiter ziehen sollten; über das lief wider das Recht der Republik, in ihren
Gewässern keine fremden bewaffneten Schiffe zu dulden, und wer bürgte dafür,
daß die Spanier wirtlich Trieft wieder räumen, daß sie nach Böhmen gehen
würden? "Das Ziel der Spanier, sagte der Senat, sei immer verborgen.
Die Republik sei überzeugt, daß der König nicht nur den verwirrenden Plänen
der Spanier fern bleiben wolle, sondern daß er auch alle Gelegenheiten dazu
abwenden werde, wie es seine Güte und Weisheit verlange, und wie es auch die
aufrichtige Herzlichkeit ihrer (d. h. der Venetianer) Gesinnung erfordere, welche
mit aller Klarheit erwiedert zu werden verdiene." Man kannte überall die Ge¬
spanntheit der Beziehungen Venedigs zum Hause Habsburg; man wußte, daß
die spanischen Drohungen der Republik ein wahrhaft friedliches Verhältnis
zur deutschen Linie dieses Hauses nicht auskommen ließen, selbst wenn dazu in
Venedig und Wien die Bereitwilligkeit vorhanden war, und so rechnete man auch
überall auf die Geldhilfe der Republik wider Ferdinand. Nun geschah es im
Januar 1619, daß Graf Ernst von Mansfeld und der Geheimsekretär des Mark¬
grafen von Ansbach, Bcilthasar Reh, nach Turin reisten, um mit Karl Emanuel
einen Bund zu vereinbaren. Im Mürz ergab sich, daß der Herzog bereit war
loszuschlagen, wenn ihm die Kaiserkrone und der böhmische Thron zugesichert
würden; Friedrich von der Pfalz sollte die österreichischen Vorlande, die geist¬
lichen Gebiete im Elsaß und eventuell Ungarn erhalten. Man wollte gleichzeitig
in Böhmen und im Elsaß Krieg führen, um für Savvhen und die Pfalz je ein
Faustpfand zu erlangen; dazu bedürfte es einer Unterstützung von anderthalb
Millionen Dukaten für drei Jahre; die Hälfte wollte Savvhen aufbringen, die
andre Hälfte erwartete man von Venedig. Aber der Rat war doch zu vorsichtig,
um sofort ins Feuer zu gehen; auch die Aussicht auf Görz, Gradista und einen
Teil von Wcilschtirol verführte ihn nicht; unter sehr höflichen Wendungen wurde
der Antrag thatsächlich abgelehnt. Als dann die böhmische Revolution besiegt
war und Bethlen Gabor, den die Empörer zum König von Ungarn gewählt


Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

sich Vonseiten der antihabsburgischen Liga, Venedig zum Angriff auf Österreich
zu bestimmen, wozu es an brauchbaren Vorwänden nicht fehlte; „noch sei kein
Dieb bestraft, konnte die Signoria klagen; keiner von den vielen verbrecherischen
Uskoken sei um seinen Kopf gekommen; man sperre sie ein und lasse sie ent¬
wischen, und daher sei es kein Wunder, wenn dieselben wieder Zutrauen faßten
und ihre gewohnten Verbrechen wieder aufnahmen, wie dies die Berichte der
Mftenkapitäne darthaten." Und während sich die österreichische Regierung so
benahm, hatte Venedig die böhmischen Rebellen noch mit nichts unterstützt: „sein
eignes Interesse verlangte die Aufrechterhaltung guter Beziehungen bei Wahrung
aller bereits anerkannten oder vertragsmäßig stipulirten Rechte." Während es aber
an diesen denn auch zäh festhielt, zeigte sich ein neuer Streitgegenstand: die Spanier
wollten 6000 Mann Fußsoldaten „zum Schutz der gefährdeten Religion" durch
den venetianischen Golf nach Trieft gehen lassen, von wo sie nach Böhmen
weiter ziehen sollten; über das lief wider das Recht der Republik, in ihren
Gewässern keine fremden bewaffneten Schiffe zu dulden, und wer bürgte dafür,
daß die Spanier wirtlich Trieft wieder räumen, daß sie nach Böhmen gehen
würden? „Das Ziel der Spanier, sagte der Senat, sei immer verborgen.
Die Republik sei überzeugt, daß der König nicht nur den verwirrenden Plänen
der Spanier fern bleiben wolle, sondern daß er auch alle Gelegenheiten dazu
abwenden werde, wie es seine Güte und Weisheit verlange, und wie es auch die
aufrichtige Herzlichkeit ihrer (d. h. der Venetianer) Gesinnung erfordere, welche
mit aller Klarheit erwiedert zu werden verdiene." Man kannte überall die Ge¬
spanntheit der Beziehungen Venedigs zum Hause Habsburg; man wußte, daß
die spanischen Drohungen der Republik ein wahrhaft friedliches Verhältnis
zur deutschen Linie dieses Hauses nicht auskommen ließen, selbst wenn dazu in
Venedig und Wien die Bereitwilligkeit vorhanden war, und so rechnete man auch
überall auf die Geldhilfe der Republik wider Ferdinand. Nun geschah es im
Januar 1619, daß Graf Ernst von Mansfeld und der Geheimsekretär des Mark¬
grafen von Ansbach, Bcilthasar Reh, nach Turin reisten, um mit Karl Emanuel
einen Bund zu vereinbaren. Im Mürz ergab sich, daß der Herzog bereit war
loszuschlagen, wenn ihm die Kaiserkrone und der böhmische Thron zugesichert
würden; Friedrich von der Pfalz sollte die österreichischen Vorlande, die geist¬
lichen Gebiete im Elsaß und eventuell Ungarn erhalten. Man wollte gleichzeitig
in Böhmen und im Elsaß Krieg führen, um für Savvhen und die Pfalz je ein
Faustpfand zu erlangen; dazu bedürfte es einer Unterstützung von anderthalb
Millionen Dukaten für drei Jahre; die Hälfte wollte Savvhen aufbringen, die
andre Hälfte erwartete man von Venedig. Aber der Rat war doch zu vorsichtig,
um sofort ins Feuer zu gehen; auch die Aussicht auf Görz, Gradista und einen
Teil von Wcilschtirol verführte ihn nicht; unter sehr höflichen Wendungen wurde
der Antrag thatsächlich abgelehnt. Als dann die böhmische Revolution besiegt
war und Bethlen Gabor, den die Empörer zum König von Ungarn gewählt


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[0176] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. sich Vonseiten der antihabsburgischen Liga, Venedig zum Angriff auf Österreich zu bestimmen, wozu es an brauchbaren Vorwänden nicht fehlte; „noch sei kein Dieb bestraft, konnte die Signoria klagen; keiner von den vielen verbrecherischen Uskoken sei um seinen Kopf gekommen; man sperre sie ein und lasse sie ent¬ wischen, und daher sei es kein Wunder, wenn dieselben wieder Zutrauen faßten und ihre gewohnten Verbrechen wieder aufnahmen, wie dies die Berichte der Mftenkapitäne darthaten." Und während sich die österreichische Regierung so benahm, hatte Venedig die böhmischen Rebellen noch mit nichts unterstützt: „sein eignes Interesse verlangte die Aufrechterhaltung guter Beziehungen bei Wahrung aller bereits anerkannten oder vertragsmäßig stipulirten Rechte." Während es aber an diesen denn auch zäh festhielt, zeigte sich ein neuer Streitgegenstand: die Spanier wollten 6000 Mann Fußsoldaten „zum Schutz der gefährdeten Religion" durch den venetianischen Golf nach Trieft gehen lassen, von wo sie nach Böhmen weiter ziehen sollten; über das lief wider das Recht der Republik, in ihren Gewässern keine fremden bewaffneten Schiffe zu dulden, und wer bürgte dafür, daß die Spanier wirtlich Trieft wieder räumen, daß sie nach Böhmen gehen würden? „Das Ziel der Spanier, sagte der Senat, sei immer verborgen. Die Republik sei überzeugt, daß der König nicht nur den verwirrenden Plänen der Spanier fern bleiben wolle, sondern daß er auch alle Gelegenheiten dazu abwenden werde, wie es seine Güte und Weisheit verlange, und wie es auch die aufrichtige Herzlichkeit ihrer (d. h. der Venetianer) Gesinnung erfordere, welche mit aller Klarheit erwiedert zu werden verdiene." Man kannte überall die Ge¬ spanntheit der Beziehungen Venedigs zum Hause Habsburg; man wußte, daß die spanischen Drohungen der Republik ein wahrhaft friedliches Verhältnis zur deutschen Linie dieses Hauses nicht auskommen ließen, selbst wenn dazu in Venedig und Wien die Bereitwilligkeit vorhanden war, und so rechnete man auch überall auf die Geldhilfe der Republik wider Ferdinand. Nun geschah es im Januar 1619, daß Graf Ernst von Mansfeld und der Geheimsekretär des Mark¬ grafen von Ansbach, Bcilthasar Reh, nach Turin reisten, um mit Karl Emanuel einen Bund zu vereinbaren. Im Mürz ergab sich, daß der Herzog bereit war loszuschlagen, wenn ihm die Kaiserkrone und der böhmische Thron zugesichert würden; Friedrich von der Pfalz sollte die österreichischen Vorlande, die geist¬ lichen Gebiete im Elsaß und eventuell Ungarn erhalten. Man wollte gleichzeitig in Böhmen und im Elsaß Krieg führen, um für Savvhen und die Pfalz je ein Faustpfand zu erlangen; dazu bedürfte es einer Unterstützung von anderthalb Millionen Dukaten für drei Jahre; die Hälfte wollte Savvhen aufbringen, die andre Hälfte erwartete man von Venedig. Aber der Rat war doch zu vorsichtig, um sofort ins Feuer zu gehen; auch die Aussicht auf Görz, Gradista und einen Teil von Wcilschtirol verführte ihn nicht; unter sehr höflichen Wendungen wurde der Antrag thatsächlich abgelehnt. Als dann die böhmische Revolution besiegt war und Bethlen Gabor, den die Empörer zum König von Ungarn gewählt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/176>, abgerufen am 26.08.2024.