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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Aritische Beiträge zur sozialen Frage.

drückt diese Thatsache besonders scharf so aus, "daß bei steigender Produktivität
der gesellschaftlichen Arbeit der Lohn der arbeitenden Klassen ein immer kleinerer
Teil des Nationalprodukts wird," und fügt erklärend hinzu: "Nicht um die
Quantität des Lohnes handelt es sich hier, nicht um den Betrag an Brot,
Fleisch, Zeug u. s. w., den der Arbeiter am Produkt erhält, sondern um den
verhältnismäßigen Anteil. Wenn z. B hunderttausend Arbeiter vor fünfzig
Jahren eine Million Scheffel Getreide, heute aber zwei Millionen herstellen,
jeder Arbeiter indessen heute wie vor fünfzig Jahren nur fünfzig Scheffel als
Lohn empfängt, so wird der Arbeitslohn seiner Quantität nach gleich geblieben,
aber als Quote, als verhältnismäßiger Anteil am Produkt uoch einmal so
niedrig sein wie früher. Er wäre als Anteil am Produkt nur dann sich
gleich geblieben, wenn er von fünfzig Scheffeln auf hundert Scheffel gestiegen
wäre."

Infolge der durch die verbesserte Maschinentechnik überflüssig gewordenen
menschlichen Arbeitskräfte und das Wachsen der Bevölkerung ist nun, wie wir
schon gesehen haben, das Angebot von menschlicher Arbeitskraft im letzten
Menschenalter mit wenigen Unterbrechungen durch Kriege?c. im großen Ganzen
fortwährend gestiegen, sodaß es den Besitzern des Arbeitsstoffes möglich wurde,
den verhältnismäßigen Anteil der Arbeitskraftbesitzer am Produkt stetig herab¬
zusetzen und einen immer größern Anteil am Produkt für sich selbst zu behalten
und aufzuspeichern.

Nachdem wir bis zu diesem Punkte gekommen sind, ist es um Zeit, auf
den Arbeitsstoff als solchen etwas näher einzugehen. Erstes und wichtigstes
Mittel zur Bethätigung der menschlichen Arbeitskraft ist der Erdboden. Er ist
die Urquelle aller Produktion, der ewige Born, aus dem der Mensch immer
neue Produkte schöpft und zu dem alle Produkte im Kreislauf des Lebens
wieder zurückkehren. So besteht denn auch im Anfang jeder Wirtschaft die
menschliche Arbeit lediglich darin, daß der Mensch mittels seiner Arbeitskraft
dem Erdboden als einzigem Arbeitsstoffe die zur Befriedigung seiner einfachen
Bedürfnisse nötigen Produkte abnimmt. Das gewonnene Produkt wird hierbei
lediglich als Gebrauchsvermögen dienen, insofern der Besitzer dasselbe entweder
sofort verbraucht oder zu späterem Verbrauch aufspeichert. Bald aber wird
sich mit dem Fortschreiten der Technik herausstellen, wie praktisch es ist, das
aufgespeicherte Produkt zu weiterer Produktion der verschiedensten Art zu ver¬
werten. An die Stelle der einfachen Ernte wildwachsender Früchte wird der
Ackerbau treten, der in Gestalt der Saatfrucht und nmninchfacher Geräte u. s. w. die
Verwendung von aufgespeicherten Produkt zu weiterer Produktiv" mit sich bringt,
mehr und mehr gesellt sich zur sogenannten Rohprvduktion mit der zunehmenden
Kultur die Fabrikationsproduktion oder die Weiterverarbeitung der dem Boden
abgewonnenen Rohprodukte und führt zu wachsender Bedeutung des seitherigen
aufgespeicherten Produkts, indem sie dieses mit einem Wort aus bloßem Ge-


Aritische Beiträge zur sozialen Frage.

drückt diese Thatsache besonders scharf so aus, „daß bei steigender Produktivität
der gesellschaftlichen Arbeit der Lohn der arbeitenden Klassen ein immer kleinerer
Teil des Nationalprodukts wird," und fügt erklärend hinzu: „Nicht um die
Quantität des Lohnes handelt es sich hier, nicht um den Betrag an Brot,
Fleisch, Zeug u. s. w., den der Arbeiter am Produkt erhält, sondern um den
verhältnismäßigen Anteil. Wenn z. B hunderttausend Arbeiter vor fünfzig
Jahren eine Million Scheffel Getreide, heute aber zwei Millionen herstellen,
jeder Arbeiter indessen heute wie vor fünfzig Jahren nur fünfzig Scheffel als
Lohn empfängt, so wird der Arbeitslohn seiner Quantität nach gleich geblieben,
aber als Quote, als verhältnismäßiger Anteil am Produkt uoch einmal so
niedrig sein wie früher. Er wäre als Anteil am Produkt nur dann sich
gleich geblieben, wenn er von fünfzig Scheffeln auf hundert Scheffel gestiegen
wäre."

Infolge der durch die verbesserte Maschinentechnik überflüssig gewordenen
menschlichen Arbeitskräfte und das Wachsen der Bevölkerung ist nun, wie wir
schon gesehen haben, das Angebot von menschlicher Arbeitskraft im letzten
Menschenalter mit wenigen Unterbrechungen durch Kriege?c. im großen Ganzen
fortwährend gestiegen, sodaß es den Besitzern des Arbeitsstoffes möglich wurde,
den verhältnismäßigen Anteil der Arbeitskraftbesitzer am Produkt stetig herab¬
zusetzen und einen immer größern Anteil am Produkt für sich selbst zu behalten
und aufzuspeichern.

Nachdem wir bis zu diesem Punkte gekommen sind, ist es um Zeit, auf
den Arbeitsstoff als solchen etwas näher einzugehen. Erstes und wichtigstes
Mittel zur Bethätigung der menschlichen Arbeitskraft ist der Erdboden. Er ist
die Urquelle aller Produktion, der ewige Born, aus dem der Mensch immer
neue Produkte schöpft und zu dem alle Produkte im Kreislauf des Lebens
wieder zurückkehren. So besteht denn auch im Anfang jeder Wirtschaft die
menschliche Arbeit lediglich darin, daß der Mensch mittels seiner Arbeitskraft
dem Erdboden als einzigem Arbeitsstoffe die zur Befriedigung seiner einfachen
Bedürfnisse nötigen Produkte abnimmt. Das gewonnene Produkt wird hierbei
lediglich als Gebrauchsvermögen dienen, insofern der Besitzer dasselbe entweder
sofort verbraucht oder zu späterem Verbrauch aufspeichert. Bald aber wird
sich mit dem Fortschreiten der Technik herausstellen, wie praktisch es ist, das
aufgespeicherte Produkt zu weiterer Produktion der verschiedensten Art zu ver¬
werten. An die Stelle der einfachen Ernte wildwachsender Früchte wird der
Ackerbau treten, der in Gestalt der Saatfrucht und nmninchfacher Geräte u. s. w. die
Verwendung von aufgespeicherten Produkt zu weiterer Produktiv» mit sich bringt,
mehr und mehr gesellt sich zur sogenannten Rohprvduktion mit der zunehmenden
Kultur die Fabrikationsproduktion oder die Weiterverarbeitung der dem Boden
abgewonnenen Rohprodukte und führt zu wachsender Bedeutung des seitherigen
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[0165] Aritische Beiträge zur sozialen Frage. drückt diese Thatsache besonders scharf so aus, „daß bei steigender Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit der Lohn der arbeitenden Klassen ein immer kleinerer Teil des Nationalprodukts wird," und fügt erklärend hinzu: „Nicht um die Quantität des Lohnes handelt es sich hier, nicht um den Betrag an Brot, Fleisch, Zeug u. s. w., den der Arbeiter am Produkt erhält, sondern um den verhältnismäßigen Anteil. Wenn z. B hunderttausend Arbeiter vor fünfzig Jahren eine Million Scheffel Getreide, heute aber zwei Millionen herstellen, jeder Arbeiter indessen heute wie vor fünfzig Jahren nur fünfzig Scheffel als Lohn empfängt, so wird der Arbeitslohn seiner Quantität nach gleich geblieben, aber als Quote, als verhältnismäßiger Anteil am Produkt uoch einmal so niedrig sein wie früher. Er wäre als Anteil am Produkt nur dann sich gleich geblieben, wenn er von fünfzig Scheffeln auf hundert Scheffel gestiegen wäre." Infolge der durch die verbesserte Maschinentechnik überflüssig gewordenen menschlichen Arbeitskräfte und das Wachsen der Bevölkerung ist nun, wie wir schon gesehen haben, das Angebot von menschlicher Arbeitskraft im letzten Menschenalter mit wenigen Unterbrechungen durch Kriege?c. im großen Ganzen fortwährend gestiegen, sodaß es den Besitzern des Arbeitsstoffes möglich wurde, den verhältnismäßigen Anteil der Arbeitskraftbesitzer am Produkt stetig herab¬ zusetzen und einen immer größern Anteil am Produkt für sich selbst zu behalten und aufzuspeichern. Nachdem wir bis zu diesem Punkte gekommen sind, ist es um Zeit, auf den Arbeitsstoff als solchen etwas näher einzugehen. Erstes und wichtigstes Mittel zur Bethätigung der menschlichen Arbeitskraft ist der Erdboden. Er ist die Urquelle aller Produktion, der ewige Born, aus dem der Mensch immer neue Produkte schöpft und zu dem alle Produkte im Kreislauf des Lebens wieder zurückkehren. So besteht denn auch im Anfang jeder Wirtschaft die menschliche Arbeit lediglich darin, daß der Mensch mittels seiner Arbeitskraft dem Erdboden als einzigem Arbeitsstoffe die zur Befriedigung seiner einfachen Bedürfnisse nötigen Produkte abnimmt. Das gewonnene Produkt wird hierbei lediglich als Gebrauchsvermögen dienen, insofern der Besitzer dasselbe entweder sofort verbraucht oder zu späterem Verbrauch aufspeichert. Bald aber wird sich mit dem Fortschreiten der Technik herausstellen, wie praktisch es ist, das aufgespeicherte Produkt zu weiterer Produktion der verschiedensten Art zu ver¬ werten. An die Stelle der einfachen Ernte wildwachsender Früchte wird der Ackerbau treten, der in Gestalt der Saatfrucht und nmninchfacher Geräte u. s. w. die Verwendung von aufgespeicherten Produkt zu weiterer Produktiv» mit sich bringt, mehr und mehr gesellt sich zur sogenannten Rohprvduktion mit der zunehmenden Kultur die Fabrikationsproduktion oder die Weiterverarbeitung der dem Boden abgewonnenen Rohprodukte und führt zu wachsender Bedeutung des seitherigen aufgespeicherten Produkts, indem sie dieses mit einem Wort aus bloßem Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/165>, abgerufen am 22.07.2024.