Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Patent aufgab als gegen die transatlantischen Rebellen diente, sprach ihm die
Stadt Dublin durch ihre Vertreter ihren Dank aus. Das Ministerium North
mußte nachgeben. Es bewilligte zunächst ökonomische Reformen, Aufhebung der
Handelssperre, welche die Quellen des irischen Wohlstandes selbst gegen Eng¬
land verstopft hatte, denn parlamentarische, die auch im Parlamente Englands
und Schottlands durch die Jrlünder Burke und Sheridan befürwortet wurden.
1782 gewährte die geängstigte Negierung durch Widerruf der Statuten aus der
Zeit der Tudors und der Akte Georgs des Ersten eine Reform, nach welcher
das Dubliner Parlament hinfort dem Londoner ebenbürtig und nicht mehr wie
bisher von diesem abhängig sein sollte. Das war ein Zugeständnis, welches
zwei gesetzgebende Versammlungen mit dem Rechte der Entscheidung über Krieg
und Frieden nebeneinander uuter die Krone stellte, eine Ordnung, welche not¬
wendig über kurz oder lang zu vollständiger Trennung oder vollständiger Ver¬
einigung führen mußte. 1785 sagte der irische Schatzkanzler: "Die Dinge können
nicht bleiben, wie sie sind. Es ist kommerzielle Eifersucht erwacht, und dieselbe
wird bei zwei von einander unabhängigen gesetzgebenden Körperschaften zunehmen.
Trennung der Interessen bedroht uns mit Auflösung des politischen Zusammen¬
hanges, die jeder rechtschaffene Irländer als mögliches Ereignis mit Schauder
zu fürchten hat." Und fünf Jahre später fragte Grädten selbst: "Was hat
unsre neue Verfassung hervorgebracht? Irgendwelche große und gute Ma߬
regel? Nein. Nur ein Stadtpolizcigesetz, ein Preßgesctz, eine Aufruhraltc, be¬
deutende Vermehrung der Pensionen, vierzehn neue Sitze für Parlamentsmit¬
glieder und deu schändlichsten Verkauf von Peerswürden." Irland war als
selbständiger parlamentarischer Staat unfähig, mit den ihm gewährten Mitteln
sich ans sich selbst zu verjüngen. Bezeichnend ist, daß aus dem Dubliner Par¬
lamente kein eignes Ministerium hervorging wie ans dem Londoner, daß dieses
vielmehr die Regierung in Irland weiterführte. Pitt faßte, als er erster Mi¬
nister wurde, die vollständige politische Vereinigung beider Länder als das einzige
Heil ins Auge. Aber Jungirland durchkreuzte, berauscht von den scheinbaren
Erfolgen im eignen Parlamente, schon die Einleitung zur Allsführung dieses
Gedankens und warf sich später der Opposition der Whigs in die Arme. Die
englische Regierung griff daher, um den Gefahren des Dualismus zu begegnen,
zu dem verfänglichen Mittel, das Dubliner Ober- und Unterhalts durch gro߬
artigste Bestechung zu bewegen, hinfort sich Nieder mit den Klagen der keltisch
katholischen Bevölkerung noch mit den vorwaltende" Sonderinteressen Englands
zu befassen. Eine der Folgen hiervon war, daß der nationalirischc Teil des
Volkes in Verzweiflung verfiel. Die Lage Irlands war in der letzten Hälfte
der achtzehn Jahre von Grattans Parlament eine furchtbare. Die Distrikte des
platten Landes waren durch Fehden agrarischer und konfessioneller Art beun¬
ruhigt, die zahlreiche Verbrechen gegen Leben und Eigentum bezeichneten. Weder
politische Zufriedenheit noch soziale Sicherheit wollte sich einstellen. Dazu kam


Patent aufgab als gegen die transatlantischen Rebellen diente, sprach ihm die
Stadt Dublin durch ihre Vertreter ihren Dank aus. Das Ministerium North
mußte nachgeben. Es bewilligte zunächst ökonomische Reformen, Aufhebung der
Handelssperre, welche die Quellen des irischen Wohlstandes selbst gegen Eng¬
land verstopft hatte, denn parlamentarische, die auch im Parlamente Englands
und Schottlands durch die Jrlünder Burke und Sheridan befürwortet wurden.
1782 gewährte die geängstigte Negierung durch Widerruf der Statuten aus der
Zeit der Tudors und der Akte Georgs des Ersten eine Reform, nach welcher
das Dubliner Parlament hinfort dem Londoner ebenbürtig und nicht mehr wie
bisher von diesem abhängig sein sollte. Das war ein Zugeständnis, welches
zwei gesetzgebende Versammlungen mit dem Rechte der Entscheidung über Krieg
und Frieden nebeneinander uuter die Krone stellte, eine Ordnung, welche not¬
wendig über kurz oder lang zu vollständiger Trennung oder vollständiger Ver¬
einigung führen mußte. 1785 sagte der irische Schatzkanzler: „Die Dinge können
nicht bleiben, wie sie sind. Es ist kommerzielle Eifersucht erwacht, und dieselbe
wird bei zwei von einander unabhängigen gesetzgebenden Körperschaften zunehmen.
Trennung der Interessen bedroht uns mit Auflösung des politischen Zusammen¬
hanges, die jeder rechtschaffene Irländer als mögliches Ereignis mit Schauder
zu fürchten hat." Und fünf Jahre später fragte Grädten selbst: „Was hat
unsre neue Verfassung hervorgebracht? Irgendwelche große und gute Ma߬
regel? Nein. Nur ein Stadtpolizcigesetz, ein Preßgesctz, eine Aufruhraltc, be¬
deutende Vermehrung der Pensionen, vierzehn neue Sitze für Parlamentsmit¬
glieder und deu schändlichsten Verkauf von Peerswürden." Irland war als
selbständiger parlamentarischer Staat unfähig, mit den ihm gewährten Mitteln
sich ans sich selbst zu verjüngen. Bezeichnend ist, daß aus dem Dubliner Par¬
lamente kein eignes Ministerium hervorging wie ans dem Londoner, daß dieses
vielmehr die Regierung in Irland weiterführte. Pitt faßte, als er erster Mi¬
nister wurde, die vollständige politische Vereinigung beider Länder als das einzige
Heil ins Auge. Aber Jungirland durchkreuzte, berauscht von den scheinbaren
Erfolgen im eignen Parlamente, schon die Einleitung zur Allsführung dieses
Gedankens und warf sich später der Opposition der Whigs in die Arme. Die
englische Regierung griff daher, um den Gefahren des Dualismus zu begegnen,
zu dem verfänglichen Mittel, das Dubliner Ober- und Unterhalts durch gro߬
artigste Bestechung zu bewegen, hinfort sich Nieder mit den Klagen der keltisch
katholischen Bevölkerung noch mit den vorwaltende» Sonderinteressen Englands
zu befassen. Eine der Folgen hiervon war, daß der nationalirischc Teil des
Volkes in Verzweiflung verfiel. Die Lage Irlands war in der letzten Hälfte
der achtzehn Jahre von Grattans Parlament eine furchtbare. Die Distrikte des
platten Landes waren durch Fehden agrarischer und konfessioneller Art beun¬
ruhigt, die zahlreiche Verbrechen gegen Leben und Eigentum bezeichneten. Weder
politische Zufriedenheit noch soziale Sicherheit wollte sich einstellen. Dazu kam


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198208"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_376" prev="#ID_375" next="#ID_377"> Patent aufgab als gegen die transatlantischen Rebellen diente, sprach ihm die<lb/>
Stadt Dublin durch ihre Vertreter ihren Dank aus. Das Ministerium North<lb/>
mußte nachgeben. Es bewilligte zunächst ökonomische Reformen, Aufhebung der<lb/>
Handelssperre, welche die Quellen des irischen Wohlstandes selbst gegen Eng¬<lb/>
land verstopft hatte, denn parlamentarische, die auch im Parlamente Englands<lb/>
und Schottlands durch die Jrlünder Burke und Sheridan befürwortet wurden.<lb/>
1782 gewährte die geängstigte Negierung durch Widerruf der Statuten aus der<lb/>
Zeit der Tudors und der Akte Georgs des Ersten eine Reform, nach welcher<lb/>
das Dubliner Parlament hinfort dem Londoner ebenbürtig und nicht mehr wie<lb/>
bisher von diesem abhängig sein sollte. Das war ein Zugeständnis, welches<lb/>
zwei gesetzgebende Versammlungen mit dem Rechte der Entscheidung über Krieg<lb/>
und Frieden nebeneinander uuter die Krone stellte, eine Ordnung, welche not¬<lb/>
wendig über kurz oder lang zu vollständiger Trennung oder vollständiger Ver¬<lb/>
einigung führen mußte. 1785 sagte der irische Schatzkanzler: &#x201E;Die Dinge können<lb/>
nicht bleiben, wie sie sind. Es ist kommerzielle Eifersucht erwacht, und dieselbe<lb/>
wird bei zwei von einander unabhängigen gesetzgebenden Körperschaften zunehmen.<lb/>
Trennung der Interessen bedroht uns mit Auflösung des politischen Zusammen¬<lb/>
hanges, die jeder rechtschaffene Irländer als mögliches Ereignis mit Schauder<lb/>
zu fürchten hat." Und fünf Jahre später fragte Grädten selbst: &#x201E;Was hat<lb/>
unsre neue Verfassung hervorgebracht? Irgendwelche große und gute Ma߬<lb/>
regel? Nein. Nur ein Stadtpolizcigesetz, ein Preßgesctz, eine Aufruhraltc, be¬<lb/>
deutende Vermehrung der Pensionen, vierzehn neue Sitze für Parlamentsmit¬<lb/>
glieder und deu schändlichsten Verkauf von Peerswürden." Irland war als<lb/>
selbständiger parlamentarischer Staat unfähig, mit den ihm gewährten Mitteln<lb/>
sich ans sich selbst zu verjüngen. Bezeichnend ist, daß aus dem Dubliner Par¬<lb/>
lamente kein eignes Ministerium hervorging wie ans dem Londoner, daß dieses<lb/>
vielmehr die Regierung in Irland weiterführte. Pitt faßte, als er erster Mi¬<lb/>
nister wurde, die vollständige politische Vereinigung beider Länder als das einzige<lb/>
Heil ins Auge. Aber Jungirland durchkreuzte, berauscht von den scheinbaren<lb/>
Erfolgen im eignen Parlamente, schon die Einleitung zur Allsführung dieses<lb/>
Gedankens und warf sich später der Opposition der Whigs in die Arme. Die<lb/>
englische Regierung griff daher, um den Gefahren des Dualismus zu begegnen,<lb/>
zu dem verfänglichen Mittel, das Dubliner Ober- und Unterhalts durch gro߬<lb/>
artigste Bestechung zu bewegen, hinfort sich Nieder mit den Klagen der keltisch<lb/>
katholischen Bevölkerung noch mit den vorwaltende» Sonderinteressen Englands<lb/>
zu befassen. Eine der Folgen hiervon war, daß der nationalirischc Teil des<lb/>
Volkes in Verzweiflung verfiel. Die Lage Irlands war in der letzten Hälfte<lb/>
der achtzehn Jahre von Grattans Parlament eine furchtbare. Die Distrikte des<lb/>
platten Landes waren durch Fehden agrarischer und konfessioneller Art beun¬<lb/>
ruhigt, die zahlreiche Verbrechen gegen Leben und Eigentum bezeichneten. Weder<lb/>
politische Zufriedenheit noch soziale Sicherheit wollte sich einstellen. Dazu kam</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0142] Patent aufgab als gegen die transatlantischen Rebellen diente, sprach ihm die Stadt Dublin durch ihre Vertreter ihren Dank aus. Das Ministerium North mußte nachgeben. Es bewilligte zunächst ökonomische Reformen, Aufhebung der Handelssperre, welche die Quellen des irischen Wohlstandes selbst gegen Eng¬ land verstopft hatte, denn parlamentarische, die auch im Parlamente Englands und Schottlands durch die Jrlünder Burke und Sheridan befürwortet wurden. 1782 gewährte die geängstigte Negierung durch Widerruf der Statuten aus der Zeit der Tudors und der Akte Georgs des Ersten eine Reform, nach welcher das Dubliner Parlament hinfort dem Londoner ebenbürtig und nicht mehr wie bisher von diesem abhängig sein sollte. Das war ein Zugeständnis, welches zwei gesetzgebende Versammlungen mit dem Rechte der Entscheidung über Krieg und Frieden nebeneinander uuter die Krone stellte, eine Ordnung, welche not¬ wendig über kurz oder lang zu vollständiger Trennung oder vollständiger Ver¬ einigung führen mußte. 1785 sagte der irische Schatzkanzler: „Die Dinge können nicht bleiben, wie sie sind. Es ist kommerzielle Eifersucht erwacht, und dieselbe wird bei zwei von einander unabhängigen gesetzgebenden Körperschaften zunehmen. Trennung der Interessen bedroht uns mit Auflösung des politischen Zusammen¬ hanges, die jeder rechtschaffene Irländer als mögliches Ereignis mit Schauder zu fürchten hat." Und fünf Jahre später fragte Grädten selbst: „Was hat unsre neue Verfassung hervorgebracht? Irgendwelche große und gute Ma߬ regel? Nein. Nur ein Stadtpolizcigesetz, ein Preßgesctz, eine Aufruhraltc, be¬ deutende Vermehrung der Pensionen, vierzehn neue Sitze für Parlamentsmit¬ glieder und deu schändlichsten Verkauf von Peerswürden." Irland war als selbständiger parlamentarischer Staat unfähig, mit den ihm gewährten Mitteln sich ans sich selbst zu verjüngen. Bezeichnend ist, daß aus dem Dubliner Par¬ lamente kein eignes Ministerium hervorging wie ans dem Londoner, daß dieses vielmehr die Regierung in Irland weiterführte. Pitt faßte, als er erster Mi¬ nister wurde, die vollständige politische Vereinigung beider Länder als das einzige Heil ins Auge. Aber Jungirland durchkreuzte, berauscht von den scheinbaren Erfolgen im eignen Parlamente, schon die Einleitung zur Allsführung dieses Gedankens und warf sich später der Opposition der Whigs in die Arme. Die englische Regierung griff daher, um den Gefahren des Dualismus zu begegnen, zu dem verfänglichen Mittel, das Dubliner Ober- und Unterhalts durch gro߬ artigste Bestechung zu bewegen, hinfort sich Nieder mit den Klagen der keltisch katholischen Bevölkerung noch mit den vorwaltende» Sonderinteressen Englands zu befassen. Eine der Folgen hiervon war, daß der nationalirischc Teil des Volkes in Verzweiflung verfiel. Die Lage Irlands war in der letzten Hälfte der achtzehn Jahre von Grattans Parlament eine furchtbare. Die Distrikte des platten Landes waren durch Fehden agrarischer und konfessioneller Art beun¬ ruhigt, die zahlreiche Verbrechen gegen Leben und Eigentum bezeichneten. Weder politische Zufriedenheit noch soziale Sicherheit wollte sich einstellen. Dazu kam

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/142
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/142>, abgerufen am 02.07.2024.