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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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die Einwirkung der Umwälzung in Frankreich, Zuerst waren es Presbyterianer
und Dissidenten, welche Feuer fingen, dann ergriff die Glut auch einzelne ka¬
tholische Verbindungen, Bald ahmte der Bund der Iliiitvä Irislurrui,, der
sich rasch über das ganze Land verbreitet hatte, mit allen Kräften die Pariser
Jakobiner nach, allen Mitgliedern voran der Protestantische Advokat Wolfe Tone,
der wie Hannibal den Feinden seines Volkes Tod und Verderben geschworen
hatte und mit seinen Gesinnungsgenossen rastlos auf die Losreißung von Eng¬
land und die Errichtung einer irischen Republik hinarbeitete. Die Verschwörung
brach endlich in der entsetzlichen Rebellion von 1798 ans, welche das Land mit
Blut überschwemmte und mit rücksichtsloser Grausamkeit niedergeschlagen wurde.
Das waren die Folgen eines irischen Svuderparlaments, welches Grattan und
seine Anhänger anfangs befriedigte, aber weder die Republikaner des Nordens
beruhigte, noch die Katholiken zufriedenstellte und niemals imstande war, der
unglücklichen Insel gesetzliche Zustände zu sichern.

Hierbei darf nicht außer Acht gelassen werden, daß dieser im vorigen Jahr¬
hundert unternommene Versuch, Irland sich selbst regieren zu lassen, unter viel
günstigern Umständen gewagt wurde, als die sind, über welche Gladstone jetzt
verfügen kann. England besaß damals eine Exekutive, die nicht nur durch deu Ein¬
fluß der Krone, sondern auch durch ihre Beziehungen zu einem irischen Parla¬
mente stark war, wo die Mehrheit der Sitze sich durch Kauf erwerben ließ. Die
irischen Parlamentsmitglieder waren allesamt Protestanten und meist von eng¬
lischer Abstammung, an die Verbindung mit England durch Baude der Loya¬
lität, der Religion und des Blutes geknüpft. Sie blickten auf die Engländer,
weil sie deren Unterstützung zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft über die
Katholiken der Insel wünschte,, und hofften. Und doch empfanden die letzter,,,
daß Grattans Parlament, solange es bestand, ihnen ein Pfahl im Fleische war.
Dasselbe war in Betreff der Rechte des Prinzen von Wales auf die Regentschaft
völlig andrer Meinung als die Mehrheit des Londoner Parlaments, und es zeigte
sich bei jeder Gelegenheit als erfüllt von einem Geiste aggressiver Feindschaft gegen
England. Wem, dies, so dürfen wir jetzt fragen, am grünen Holze geschah,
was wird am dürren geschehen? Die Mitglieder des neuen irischen Parlaments
werden zu zwei Dritteln katholisch sein. Es wird die Krönung und das Shmbol
einer erfolgreichen Verschwörung oder mehrerer, der Fenier und der Landliga,
sein. Es wird die freundschaftlichen Veziehuugen zu den amerikanischen Jrländern,
Englands bittersten Gegnern, wo nicht offen, so doch insgeheim unterhalten.
Wem, Grattans Parlament den Unitoä IriswriLQ nicht genügte, glaubt jemand,
daß Gladstones Parlament, das auf dem Papier weit mehr beschränkt ist, in
Irland auf die Dauer sich größer" Wohlgefallens erfreuen wird? Die Loha-
litätsversicherungeu der damaligen Pnrlameutsführer wurden von Lord Fitz¬
gerald und Wolfe Tone zurückgenommen. Ist ähnliches jetzt nicht zu erwarten?
Was zwang Gladstone,, Parnell zu Willen zu sein? Daß dieser jenem nud der


die Einwirkung der Umwälzung in Frankreich, Zuerst waren es Presbyterianer
und Dissidenten, welche Feuer fingen, dann ergriff die Glut auch einzelne ka¬
tholische Verbindungen, Bald ahmte der Bund der Iliiitvä Irislurrui,, der
sich rasch über das ganze Land verbreitet hatte, mit allen Kräften die Pariser
Jakobiner nach, allen Mitgliedern voran der Protestantische Advokat Wolfe Tone,
der wie Hannibal den Feinden seines Volkes Tod und Verderben geschworen
hatte und mit seinen Gesinnungsgenossen rastlos auf die Losreißung von Eng¬
land und die Errichtung einer irischen Republik hinarbeitete. Die Verschwörung
brach endlich in der entsetzlichen Rebellion von 1798 ans, welche das Land mit
Blut überschwemmte und mit rücksichtsloser Grausamkeit niedergeschlagen wurde.
Das waren die Folgen eines irischen Svuderparlaments, welches Grattan und
seine Anhänger anfangs befriedigte, aber weder die Republikaner des Nordens
beruhigte, noch die Katholiken zufriedenstellte und niemals imstande war, der
unglücklichen Insel gesetzliche Zustände zu sichern.

Hierbei darf nicht außer Acht gelassen werden, daß dieser im vorigen Jahr¬
hundert unternommene Versuch, Irland sich selbst regieren zu lassen, unter viel
günstigern Umständen gewagt wurde, als die sind, über welche Gladstone jetzt
verfügen kann. England besaß damals eine Exekutive, die nicht nur durch deu Ein¬
fluß der Krone, sondern auch durch ihre Beziehungen zu einem irischen Parla¬
mente stark war, wo die Mehrheit der Sitze sich durch Kauf erwerben ließ. Die
irischen Parlamentsmitglieder waren allesamt Protestanten und meist von eng¬
lischer Abstammung, an die Verbindung mit England durch Baude der Loya¬
lität, der Religion und des Blutes geknüpft. Sie blickten auf die Engländer,
weil sie deren Unterstützung zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft über die
Katholiken der Insel wünschte,, und hofften. Und doch empfanden die letzter,,,
daß Grattans Parlament, solange es bestand, ihnen ein Pfahl im Fleische war.
Dasselbe war in Betreff der Rechte des Prinzen von Wales auf die Regentschaft
völlig andrer Meinung als die Mehrheit des Londoner Parlaments, und es zeigte
sich bei jeder Gelegenheit als erfüllt von einem Geiste aggressiver Feindschaft gegen
England. Wem, dies, so dürfen wir jetzt fragen, am grünen Holze geschah,
was wird am dürren geschehen? Die Mitglieder des neuen irischen Parlaments
werden zu zwei Dritteln katholisch sein. Es wird die Krönung und das Shmbol
einer erfolgreichen Verschwörung oder mehrerer, der Fenier und der Landliga,
sein. Es wird die freundschaftlichen Veziehuugen zu den amerikanischen Jrländern,
Englands bittersten Gegnern, wo nicht offen, so doch insgeheim unterhalten.
Wem, Grattans Parlament den Unitoä IriswriLQ nicht genügte, glaubt jemand,
daß Gladstones Parlament, das auf dem Papier weit mehr beschränkt ist, in
Irland auf die Dauer sich größer» Wohlgefallens erfreuen wird? Die Loha-
litätsversicherungeu der damaligen Pnrlameutsführer wurden von Lord Fitz¬
gerald und Wolfe Tone zurückgenommen. Ist ähnliches jetzt nicht zu erwarten?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/143>, abgerufen am 30.06.2024.