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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Irische Parlamente,

hatte. Dieser Akte folgten verschiedne andre, die gleichfalls den Zweck hatten,
die Versammlungen der weltlichen und geistlichen Lehnsleute und der Vertreter
der Städte Irlands an Beschlüssen zu verhindern, welche Gefahren für die
übrigen Teile des Reiches enthielten. Ein späterer Erlaß Heinrichs des Siebenten
erklärte die englischen Statuten zum obersten Gesetze auch für Irland, ähnlich
wie in der nordamerikanischen Union die Akten des Kongresses als Gesetze gelten,
gegen welche die Akten der Einzelstaaten nicht verstoßen dürfen. Unter der
Regierung Georgs des Ersten wurden die Rechte des irischen Oberhauses ein¬
geschränkt. Gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts gab es sechsund-
zwanzig Jahre hindurch überhaupt kein irisches Parlament. Im Jahre 1753
erhoben sich heftige Streitigkeiten zwischen der inzwischen wieder ausgelebten
Vertretung Irlands und der Krone, da die Mitglieder jener Vertretung über¬
schüssige Einnahmen des Landes schamlos zu ihrem Privatvorteile verschwendete".

Kurz vor dem letzten Dezennium des vorigen Jahrhunderts legte das
irische Parlament wiederholt an den Tag, daß es den Interessen Englands
feindlich gesinnt war, freilich in vielen Beziehungen nicht ohne gute Gründe
dazu zu haben. Mit der Erhebung der amerikanischen Kolonien hatte anch in
Irland eine völlig neue Entwicklung der politischen Dinge begonnen. Bis
dahin hatte das Parlament nur die Nachkommen der englische!? Eroberer und
Einwanderer vertreten, die überhaupt allem politische und religiöse Rechte be¬
saßen. Die keltische und katholische Bevölkerung des Landes war so gut wie
rechtlos und besitzlos. Jetzt erwachte in ihr die Hoffnung auf Befreiung von
diesem Zustande lebhafter als je vorher. Zugleich aber gedachte jener allein
begünstigte, aber immerhin von England bedrückte Teil des Volkes Irlands
sich mehr Rechte zu verschaffen. War man nicht auch eine Kolonie wie Massa¬
chusetts und Virginien, und hatte man nicht auch die Fesseln eines falschen
Mertantilsystems zu sprengen, das Recht zu eigner Erledigung seiner Angelegen¬
heiten ohne britische Bevormundung zu fordern und die Grundsätze der Freiheit
selbst zum Vorteile der nicht stammverwandten und andersgläubigen Landsleute
zur Geltung zu bringen? Die Bewegung nahm bald aufrührerische Gestalt an.
Da der Krieg mit Nordamerika das Land von Truppen entblößt hatte, beschloß
das Parlament in Dublin schon 1779 die Bildung von Freiwilligenkorps, und
Tausende ohne viel Unterschied des Glaubens griffen zu den Waffen, mit denen
sie aber nicht sowohl ausländischen Feinden, als dem Ministerium in London
gefährlich zu werden drohten. Die Führer der amerikanischen Insurgenten be¬
anspruchten in einer Adresse an die Jrländer deren Sympathien, "Wir haben,
sagten sie darin, keinen Streit mit euch, euer Parlament hat uns kein Unrecht
zugefügt." Und Grädten, der begabteste und eifrigste Wortführer der irischen
BewegnngSpartei, antwortete ihnen indirekt, indem er Flvod, der für die Krone
aufgetreten war, wegen seiner Feindschaft gegen die Amerikaner tadelte, "von
denen allein Freiheit für Irland zu hoffen sei." Als ein Offizier lieber sein


Irische Parlamente,

hatte. Dieser Akte folgten verschiedne andre, die gleichfalls den Zweck hatten,
die Versammlungen der weltlichen und geistlichen Lehnsleute und der Vertreter
der Städte Irlands an Beschlüssen zu verhindern, welche Gefahren für die
übrigen Teile des Reiches enthielten. Ein späterer Erlaß Heinrichs des Siebenten
erklärte die englischen Statuten zum obersten Gesetze auch für Irland, ähnlich
wie in der nordamerikanischen Union die Akten des Kongresses als Gesetze gelten,
gegen welche die Akten der Einzelstaaten nicht verstoßen dürfen. Unter der
Regierung Georgs des Ersten wurden die Rechte des irischen Oberhauses ein¬
geschränkt. Gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts gab es sechsund-
zwanzig Jahre hindurch überhaupt kein irisches Parlament. Im Jahre 1753
erhoben sich heftige Streitigkeiten zwischen der inzwischen wieder ausgelebten
Vertretung Irlands und der Krone, da die Mitglieder jener Vertretung über¬
schüssige Einnahmen des Landes schamlos zu ihrem Privatvorteile verschwendete».

Kurz vor dem letzten Dezennium des vorigen Jahrhunderts legte das
irische Parlament wiederholt an den Tag, daß es den Interessen Englands
feindlich gesinnt war, freilich in vielen Beziehungen nicht ohne gute Gründe
dazu zu haben. Mit der Erhebung der amerikanischen Kolonien hatte anch in
Irland eine völlig neue Entwicklung der politischen Dinge begonnen. Bis
dahin hatte das Parlament nur die Nachkommen der englische!? Eroberer und
Einwanderer vertreten, die überhaupt allem politische und religiöse Rechte be¬
saßen. Die keltische und katholische Bevölkerung des Landes war so gut wie
rechtlos und besitzlos. Jetzt erwachte in ihr die Hoffnung auf Befreiung von
diesem Zustande lebhafter als je vorher. Zugleich aber gedachte jener allein
begünstigte, aber immerhin von England bedrückte Teil des Volkes Irlands
sich mehr Rechte zu verschaffen. War man nicht auch eine Kolonie wie Massa¬
chusetts und Virginien, und hatte man nicht auch die Fesseln eines falschen
Mertantilsystems zu sprengen, das Recht zu eigner Erledigung seiner Angelegen¬
heiten ohne britische Bevormundung zu fordern und die Grundsätze der Freiheit
selbst zum Vorteile der nicht stammverwandten und andersgläubigen Landsleute
zur Geltung zu bringen? Die Bewegung nahm bald aufrührerische Gestalt an.
Da der Krieg mit Nordamerika das Land von Truppen entblößt hatte, beschloß
das Parlament in Dublin schon 1779 die Bildung von Freiwilligenkorps, und
Tausende ohne viel Unterschied des Glaubens griffen zu den Waffen, mit denen
sie aber nicht sowohl ausländischen Feinden, als dem Ministerium in London
gefährlich zu werden drohten. Die Führer der amerikanischen Insurgenten be¬
anspruchten in einer Adresse an die Jrländer deren Sympathien, „Wir haben,
sagten sie darin, keinen Streit mit euch, euer Parlament hat uns kein Unrecht
zugefügt." Und Grädten, der begabteste und eifrigste Wortführer der irischen
BewegnngSpartei, antwortete ihnen indirekt, indem er Flvod, der für die Krone
aufgetreten war, wegen seiner Feindschaft gegen die Amerikaner tadelte, „von
denen allein Freiheit für Irland zu hoffen sei." Als ein Offizier lieber sein


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[0141] Irische Parlamente, hatte. Dieser Akte folgten verschiedne andre, die gleichfalls den Zweck hatten, die Versammlungen der weltlichen und geistlichen Lehnsleute und der Vertreter der Städte Irlands an Beschlüssen zu verhindern, welche Gefahren für die übrigen Teile des Reiches enthielten. Ein späterer Erlaß Heinrichs des Siebenten erklärte die englischen Statuten zum obersten Gesetze auch für Irland, ähnlich wie in der nordamerikanischen Union die Akten des Kongresses als Gesetze gelten, gegen welche die Akten der Einzelstaaten nicht verstoßen dürfen. Unter der Regierung Georgs des Ersten wurden die Rechte des irischen Oberhauses ein¬ geschränkt. Gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts gab es sechsund- zwanzig Jahre hindurch überhaupt kein irisches Parlament. Im Jahre 1753 erhoben sich heftige Streitigkeiten zwischen der inzwischen wieder ausgelebten Vertretung Irlands und der Krone, da die Mitglieder jener Vertretung über¬ schüssige Einnahmen des Landes schamlos zu ihrem Privatvorteile verschwendete». Kurz vor dem letzten Dezennium des vorigen Jahrhunderts legte das irische Parlament wiederholt an den Tag, daß es den Interessen Englands feindlich gesinnt war, freilich in vielen Beziehungen nicht ohne gute Gründe dazu zu haben. Mit der Erhebung der amerikanischen Kolonien hatte anch in Irland eine völlig neue Entwicklung der politischen Dinge begonnen. Bis dahin hatte das Parlament nur die Nachkommen der englische!? Eroberer und Einwanderer vertreten, die überhaupt allem politische und religiöse Rechte be¬ saßen. Die keltische und katholische Bevölkerung des Landes war so gut wie rechtlos und besitzlos. Jetzt erwachte in ihr die Hoffnung auf Befreiung von diesem Zustande lebhafter als je vorher. Zugleich aber gedachte jener allein begünstigte, aber immerhin von England bedrückte Teil des Volkes Irlands sich mehr Rechte zu verschaffen. War man nicht auch eine Kolonie wie Massa¬ chusetts und Virginien, und hatte man nicht auch die Fesseln eines falschen Mertantilsystems zu sprengen, das Recht zu eigner Erledigung seiner Angelegen¬ heiten ohne britische Bevormundung zu fordern und die Grundsätze der Freiheit selbst zum Vorteile der nicht stammverwandten und andersgläubigen Landsleute zur Geltung zu bringen? Die Bewegung nahm bald aufrührerische Gestalt an. Da der Krieg mit Nordamerika das Land von Truppen entblößt hatte, beschloß das Parlament in Dublin schon 1779 die Bildung von Freiwilligenkorps, und Tausende ohne viel Unterschied des Glaubens griffen zu den Waffen, mit denen sie aber nicht sowohl ausländischen Feinden, als dem Ministerium in London gefährlich zu werden drohten. Die Führer der amerikanischen Insurgenten be¬ anspruchten in einer Adresse an die Jrländer deren Sympathien, „Wir haben, sagten sie darin, keinen Streit mit euch, euer Parlament hat uns kein Unrecht zugefügt." Und Grädten, der begabteste und eifrigste Wortführer der irischen BewegnngSpartei, antwortete ihnen indirekt, indem er Flvod, der für die Krone aufgetreten war, wegen seiner Feindschaft gegen die Amerikaner tadelte, „von denen allein Freiheit für Irland zu hoffen sei." Als ein Offizier lieber sein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/141>, abgerufen am 04.07.2024.