Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Rcirl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg. spruchslosigkeit und eminentes Wissen, Bescheidenheit und Vielseitigkeit, Wahr¬ Rcirl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg. spruchslosigkeit und eminentes Wissen, Bescheidenheit und Vielseitigkeit, Wahr¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198192"/> <fw type="header" place="top"> Rcirl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.</fw><lb/> <p xml:id="ID_340" prev="#ID_339" next="#ID_341"> spruchslosigkeit und eminentes Wissen, Bescheidenheit und Vielseitigkeit, Wahr¬<lb/> heitsliebe, Freisinn und Gründlichkeit? Die juristische Fakultät aber wurde bald<lb/> für die Universität die entscheidende; nicht mehr die theologischen, sondern die<lb/> juristischen Studenten bildeten das Hauptkontingent, und Heidelberg ward, was<lb/> es seitdem blieb, eine in erster Linie juristische Universität; damals konnte es<lb/> sich rühmen, die größte juristische Fakultät Deutschlands zu besitzen: an ihr<lb/> leuchteten Sterne ersten Glanzes, neben Heise Christoph Reinhard Dietrich<lb/> Martin, der berühmte Publizist Johann Ludwig Klüber, der ungewöhnlich geist¬<lb/> volle und vielseitige Karl Salomo Zachariä, der auch durch zahlreiche Anek¬<lb/> doten als Original im Gedächtnisse der Bürgerschaft fortlebt, und der unbe¬<lb/> strittene König von Heidelberg während fünfunddreißig Jahren, Anton Friedrich<lb/> Justus Thibaut, eine wahrhaft europäische Persönlichkeit, der Gegner Savignys.<lb/> Die medizinische Fakultät erhielt eine belebende Kraft in dem genialen Anatomen<lb/> Ackermann, dem Schöpfer der Poliklinik, die außer der fünfhundert Gulden be¬<lb/> tragenden Staatsdvtation von den Studenten der Medizin Beiträge empfing;<lb/> wie er, kam von Jena Schelver, der Schwiegervater unsers Gervinus, und<lb/> neben ihnen und Heger stand seit 1807 als Autorität Franz Karl Nügcle, einer<lb/> von Deutschlands ersten Geburtshelfern und bestimmt, der große Vater eines großen<lb/> Sohnes zu werden, der Schwiegersohn des „alten Mai." Die philosophische<lb/> Fakultät rechnete zu ihren Zierden den Dichter Johann Heinrich Voß, der zu<lb/> cimtlvscr Mitwirkung an der Hochschule berufen worden war und sich an ihr<lb/> „zu Eutinischer Heiterkeit verjüngte," bald aber mit Creuzer in einen gelehrten<lb/> Streit geriet, und seinen Sohn, den Philologen Heinrich Voß; mit großem<lb/> Beifalle wirkten neben ihnen der tüchtige Philosoph Jakob Friedrich Fries, der<lb/> als Ästhetiker und Historiker geschätzte Aloys Schreiber, der Orientalist Friedrich<lb/> Willen, dessen Geschichte der Kreuzzüge noch immer gern gelesen wird, und<lb/> leider nur ein Jahr der Philologe August Böckh, den uns wiederum Berlin<lb/> 1810 entriß, um ihn volle 37 Jahre den Seinen zu nennen. Welch eine Fülle<lb/> berühmter Namen, die von den Ahnen zu deu Enkeln fortklingen, welch eine<lb/> Legion Unsterblicher! Karl Friedrich und Reitzenstein hatten wahrlich ihr Bestes<lb/> gethan, um die ^.Inn iriatsr zu heben; einige Tage bekleidete letzterer im April<lb/> 1807 selbst das Kuratorium; als unbefugte Hände in sein Werk cingrifsen, zog<lb/> er es zwar vor, dem Amte zu entsagen, kämpfte jedoch nach wie vor mit offenem<lb/> Visir gegen römische Verdummuugs- und Herrschsucht und nährte mit uner¬<lb/> müdlichem Eifer die heilige Flamme des Geisteslebens, der Wahrheit und des<lb/> Rechts. Als 1806 mit dem Breisgau eine zweite Universität, die Albertina<lb/> in Freiburg, an Baden gefallen war, verlegte der Großherzog Ostern 1807 die<lb/> katholische theologische Fakultät von Heidelberg dorthin; so ließ sich besser die<lb/> protestantische Richtung in Heidelberg konzentriren. Am 26. Juli 1810 hob er<lb/> für das Grvßherzvgtum den Universitätsbann auf, der ihm in wissenschaftlicher<lb/> Beziehung hinderlich und für mancherlei Verhältnisse drückend erschien; von nun</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
Rcirl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.
spruchslosigkeit und eminentes Wissen, Bescheidenheit und Vielseitigkeit, Wahr¬
heitsliebe, Freisinn und Gründlichkeit? Die juristische Fakultät aber wurde bald
für die Universität die entscheidende; nicht mehr die theologischen, sondern die
juristischen Studenten bildeten das Hauptkontingent, und Heidelberg ward, was
es seitdem blieb, eine in erster Linie juristische Universität; damals konnte es
sich rühmen, die größte juristische Fakultät Deutschlands zu besitzen: an ihr
leuchteten Sterne ersten Glanzes, neben Heise Christoph Reinhard Dietrich
Martin, der berühmte Publizist Johann Ludwig Klüber, der ungewöhnlich geist¬
volle und vielseitige Karl Salomo Zachariä, der auch durch zahlreiche Anek¬
doten als Original im Gedächtnisse der Bürgerschaft fortlebt, und der unbe¬
strittene König von Heidelberg während fünfunddreißig Jahren, Anton Friedrich
Justus Thibaut, eine wahrhaft europäische Persönlichkeit, der Gegner Savignys.
Die medizinische Fakultät erhielt eine belebende Kraft in dem genialen Anatomen
Ackermann, dem Schöpfer der Poliklinik, die außer der fünfhundert Gulden be¬
tragenden Staatsdvtation von den Studenten der Medizin Beiträge empfing;
wie er, kam von Jena Schelver, der Schwiegervater unsers Gervinus, und
neben ihnen und Heger stand seit 1807 als Autorität Franz Karl Nügcle, einer
von Deutschlands ersten Geburtshelfern und bestimmt, der große Vater eines großen
Sohnes zu werden, der Schwiegersohn des „alten Mai." Die philosophische
Fakultät rechnete zu ihren Zierden den Dichter Johann Heinrich Voß, der zu
cimtlvscr Mitwirkung an der Hochschule berufen worden war und sich an ihr
„zu Eutinischer Heiterkeit verjüngte," bald aber mit Creuzer in einen gelehrten
Streit geriet, und seinen Sohn, den Philologen Heinrich Voß; mit großem
Beifalle wirkten neben ihnen der tüchtige Philosoph Jakob Friedrich Fries, der
als Ästhetiker und Historiker geschätzte Aloys Schreiber, der Orientalist Friedrich
Willen, dessen Geschichte der Kreuzzüge noch immer gern gelesen wird, und
leider nur ein Jahr der Philologe August Böckh, den uns wiederum Berlin
1810 entriß, um ihn volle 37 Jahre den Seinen zu nennen. Welch eine Fülle
berühmter Namen, die von den Ahnen zu deu Enkeln fortklingen, welch eine
Legion Unsterblicher! Karl Friedrich und Reitzenstein hatten wahrlich ihr Bestes
gethan, um die ^.Inn iriatsr zu heben; einige Tage bekleidete letzterer im April
1807 selbst das Kuratorium; als unbefugte Hände in sein Werk cingrifsen, zog
er es zwar vor, dem Amte zu entsagen, kämpfte jedoch nach wie vor mit offenem
Visir gegen römische Verdummuugs- und Herrschsucht und nährte mit uner¬
müdlichem Eifer die heilige Flamme des Geisteslebens, der Wahrheit und des
Rechts. Als 1806 mit dem Breisgau eine zweite Universität, die Albertina
in Freiburg, an Baden gefallen war, verlegte der Großherzog Ostern 1807 die
katholische theologische Fakultät von Heidelberg dorthin; so ließ sich besser die
protestantische Richtung in Heidelberg konzentriren. Am 26. Juli 1810 hob er
für das Grvßherzvgtum den Universitätsbann auf, der ihm in wissenschaftlicher
Beziehung hinderlich und für mancherlei Verhältnisse drückend erschien; von nun
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