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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Uarl Friedrich von Buden als Neubcgründer der Universität Heidelberg,

Wedekind und Jnnson? Nicht besser stand es mit der medizinischen Fakultät;
sie zählte mir dunkle Namen außer Franz Anton Mai, 1805 dem ersten und
einzigen Geheimrat der Hochschule; an ihm hingen mit innigster Hochachtung
die Studenten, denen er auch darüber vortrug, wie sie im Berufe lange und
gesund leben könnten; ohne einen Orden zu stiften, bildete er in populären Vor¬
trägen barmherzige Schwestern heran, und die Kranken blickten mit unbedingtem
Vertrauen auf den "alten Mai," den praktischsten aller praktischen Ärzte, den
Wohlthäter der Armen und Verlassenen; vor Thibaut hat kein Professor ein
solches Leichengeleite gehabt wie 1814 Mai. Die staatswirtschaftlichc Fa¬
kultät bestand ans den ordentlichen Professoren Georg Adolph Suckow, der
die Aufsicht über die bald sehr bereicherten physikalischen Sammlungen führte'
und an der Universität hohes Ansehen genoß, Gatterer und Seiner, dessen hell¬
grauer Frack mit rosa Sammetkragen, gepudertes Haar und langer Zopf an
cntschwnndne frohe Tage erinnerten. Sehr öde sah es in der philosophischen
Fakultät aus: von ihren vier Ordinarien besaß nur Jakob Schmitt, ein früherer
Mönch, einige Bedeutung, Verstand, Geist und Kenninisse, aber seine exzentrische
Natur führte ihn mit den Jahren dahin, ein Hanswurst zu werden; stand er
jetzt noch dnrch seine Vorzüge in Geltung, so wurde er in Freiburg, wohin er
später übersiedelte, zur komischen Figur, forderte gebieterisch von seinen Zu¬
hörern unbändiges Lachen über seine schlechten Witze, tyrannisirte die Stipen¬
diaten und als Ephorus des Gymnasiums die Lehrer und sandte, von einem
Korpsburschen eingeschult, seinem Kollegen, dem Theologen Hug, zwei Heraus¬
forderungen; da aber erging es ihm wie Schnnppinger, es erfolgte seine Ab¬
setzung. Die Philologie war in Heidelberg ohne alle Vertretung, hier that
Hilfe am meisten Not.

Es lag nicht in der konservativen Natur Karl Friedrichs, alles umzustoßen
und ans Ruine" einen Neubau zu errichten; vielmehr fügte er gerne auf er¬
probte Grundsteine kräftige neue Pfeiler und hielt darum mit Opfern und
eifrigem Bemühen die wenigen tüchtigen Gelehrten der kurpfälzischen Zeit in
Heidelberg. Da aber mit ihnen allein die Hochschule nicht gedeihen konnte, so
ließen Karl Friedrich und Reitzenstein, der ihm wie einst Johann vou Dcilberg
dem Kurfürsten Philipp dem Aufrichtigen von der Pfalz zur Seite stand, ihr
Auge durch ganz Deutschland schweifen, um Namen von Autorität für Heidel¬
berg zu gewinnen. Am empfindlichsten klafften die Lücken in der juristischen
Fakultät und in der Philologie; so ergingen denn die ersten Berufungen nach
Marburg an den jungen Friedrich Karl von Savigny und auf Dands An¬
regung an Georg Friedrich Creuzer. Savigny lehnte ab, weil er noch in Paris
Studien machen wollte, ließ aber eine spätere Annahme in Aussicht und torre-
spondirte lange mit dem Kurator von Hofer, machte mit ihm Projekte für die
neue juristische Fakultät und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Putz und den
scharfsinnigen Heise, der bald zu den Zierden Heidelbergs gehören sollte. Creuzer


Uarl Friedrich von Buden als Neubcgründer der Universität Heidelberg,

Wedekind und Jnnson? Nicht besser stand es mit der medizinischen Fakultät;
sie zählte mir dunkle Namen außer Franz Anton Mai, 1805 dem ersten und
einzigen Geheimrat der Hochschule; an ihm hingen mit innigster Hochachtung
die Studenten, denen er auch darüber vortrug, wie sie im Berufe lange und
gesund leben könnten; ohne einen Orden zu stiften, bildete er in populären Vor¬
trägen barmherzige Schwestern heran, und die Kranken blickten mit unbedingtem
Vertrauen auf den „alten Mai," den praktischsten aller praktischen Ärzte, den
Wohlthäter der Armen und Verlassenen; vor Thibaut hat kein Professor ein
solches Leichengeleite gehabt wie 1814 Mai. Die staatswirtschaftlichc Fa¬
kultät bestand ans den ordentlichen Professoren Georg Adolph Suckow, der
die Aufsicht über die bald sehr bereicherten physikalischen Sammlungen führte'
und an der Universität hohes Ansehen genoß, Gatterer und Seiner, dessen hell¬
grauer Frack mit rosa Sammetkragen, gepudertes Haar und langer Zopf an
cntschwnndne frohe Tage erinnerten. Sehr öde sah es in der philosophischen
Fakultät aus: von ihren vier Ordinarien besaß nur Jakob Schmitt, ein früherer
Mönch, einige Bedeutung, Verstand, Geist und Kenninisse, aber seine exzentrische
Natur führte ihn mit den Jahren dahin, ein Hanswurst zu werden; stand er
jetzt noch dnrch seine Vorzüge in Geltung, so wurde er in Freiburg, wohin er
später übersiedelte, zur komischen Figur, forderte gebieterisch von seinen Zu¬
hörern unbändiges Lachen über seine schlechten Witze, tyrannisirte die Stipen¬
diaten und als Ephorus des Gymnasiums die Lehrer und sandte, von einem
Korpsburschen eingeschult, seinem Kollegen, dem Theologen Hug, zwei Heraus¬
forderungen; da aber erging es ihm wie Schnnppinger, es erfolgte seine Ab¬
setzung. Die Philologie war in Heidelberg ohne alle Vertretung, hier that
Hilfe am meisten Not.

Es lag nicht in der konservativen Natur Karl Friedrichs, alles umzustoßen
und ans Ruine» einen Neubau zu errichten; vielmehr fügte er gerne auf er¬
probte Grundsteine kräftige neue Pfeiler und hielt darum mit Opfern und
eifrigem Bemühen die wenigen tüchtigen Gelehrten der kurpfälzischen Zeit in
Heidelberg. Da aber mit ihnen allein die Hochschule nicht gedeihen konnte, so
ließen Karl Friedrich und Reitzenstein, der ihm wie einst Johann vou Dcilberg
dem Kurfürsten Philipp dem Aufrichtigen von der Pfalz zur Seite stand, ihr
Auge durch ganz Deutschland schweifen, um Namen von Autorität für Heidel¬
berg zu gewinnen. Am empfindlichsten klafften die Lücken in der juristischen
Fakultät und in der Philologie; so ergingen denn die ersten Berufungen nach
Marburg an den jungen Friedrich Karl von Savigny und auf Dands An¬
regung an Georg Friedrich Creuzer. Savigny lehnte ab, weil er noch in Paris
Studien machen wollte, ließ aber eine spätere Annahme in Aussicht und torre-
spondirte lange mit dem Kurator von Hofer, machte mit ihm Projekte für die
neue juristische Fakultät und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Putz und den
scharfsinnigen Heise, der bald zu den Zierden Heidelbergs gehören sollte. Creuzer


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[0124] Uarl Friedrich von Buden als Neubcgründer der Universität Heidelberg, Wedekind und Jnnson? Nicht besser stand es mit der medizinischen Fakultät; sie zählte mir dunkle Namen außer Franz Anton Mai, 1805 dem ersten und einzigen Geheimrat der Hochschule; an ihm hingen mit innigster Hochachtung die Studenten, denen er auch darüber vortrug, wie sie im Berufe lange und gesund leben könnten; ohne einen Orden zu stiften, bildete er in populären Vor¬ trägen barmherzige Schwestern heran, und die Kranken blickten mit unbedingtem Vertrauen auf den „alten Mai," den praktischsten aller praktischen Ärzte, den Wohlthäter der Armen und Verlassenen; vor Thibaut hat kein Professor ein solches Leichengeleite gehabt wie 1814 Mai. Die staatswirtschaftlichc Fa¬ kultät bestand ans den ordentlichen Professoren Georg Adolph Suckow, der die Aufsicht über die bald sehr bereicherten physikalischen Sammlungen führte' und an der Universität hohes Ansehen genoß, Gatterer und Seiner, dessen hell¬ grauer Frack mit rosa Sammetkragen, gepudertes Haar und langer Zopf an cntschwnndne frohe Tage erinnerten. Sehr öde sah es in der philosophischen Fakultät aus: von ihren vier Ordinarien besaß nur Jakob Schmitt, ein früherer Mönch, einige Bedeutung, Verstand, Geist und Kenninisse, aber seine exzentrische Natur führte ihn mit den Jahren dahin, ein Hanswurst zu werden; stand er jetzt noch dnrch seine Vorzüge in Geltung, so wurde er in Freiburg, wohin er später übersiedelte, zur komischen Figur, forderte gebieterisch von seinen Zu¬ hörern unbändiges Lachen über seine schlechten Witze, tyrannisirte die Stipen¬ diaten und als Ephorus des Gymnasiums die Lehrer und sandte, von einem Korpsburschen eingeschult, seinem Kollegen, dem Theologen Hug, zwei Heraus¬ forderungen; da aber erging es ihm wie Schnnppinger, es erfolgte seine Ab¬ setzung. Die Philologie war in Heidelberg ohne alle Vertretung, hier that Hilfe am meisten Not. Es lag nicht in der konservativen Natur Karl Friedrichs, alles umzustoßen und ans Ruine» einen Neubau zu errichten; vielmehr fügte er gerne auf er¬ probte Grundsteine kräftige neue Pfeiler und hielt darum mit Opfern und eifrigem Bemühen die wenigen tüchtigen Gelehrten der kurpfälzischen Zeit in Heidelberg. Da aber mit ihnen allein die Hochschule nicht gedeihen konnte, so ließen Karl Friedrich und Reitzenstein, der ihm wie einst Johann vou Dcilberg dem Kurfürsten Philipp dem Aufrichtigen von der Pfalz zur Seite stand, ihr Auge durch ganz Deutschland schweifen, um Namen von Autorität für Heidel¬ berg zu gewinnen. Am empfindlichsten klafften die Lücken in der juristischen Fakultät und in der Philologie; so ergingen denn die ersten Berufungen nach Marburg an den jungen Friedrich Karl von Savigny und auf Dands An¬ regung an Georg Friedrich Creuzer. Savigny lehnte ab, weil er noch in Paris Studien machen wollte, ließ aber eine spätere Annahme in Aussicht und torre- spondirte lange mit dem Kurator von Hofer, machte mit ihm Projekte für die neue juristische Fakultät und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Putz und den scharfsinnigen Heise, der bald zu den Zierden Heidelbergs gehören sollte. Creuzer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/124>, abgerufen am 29.12.2024.