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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Karl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.

Zopf trugen, ergraute Mönche saßen neben den Pionieren einer neuen Zeit
voll Ruhm und Herrlichkeit. Am auffallendsten war diese Mischung in der theo¬
logischen Fakultät, und trotzdem bot sie ein Bild der Einigkeit, so ferne ihr auch
Einheit blieb. An ihrer Spitze stand der Karmeliter Bonifacius vom heiligen
Wunibald, der unter Karl Friedrich seinen Familiennamen Schnappiugcr wieder
annahm. Ein grenzenlos gutmütiger Mensch, paßte er nicht in seine Zeit,
höchstens ins dreizehnte Jahrhundert; seine Vernunftbeweise in der Dogmatik
waren stets die denkbar unvernünftigsten, und er besprach die einzelnen Para¬
graphen seiner in Augsburg erschienenen Oootrina, avg-ur^rum. erst "fusius,"
dann etwas "fusiusser," um absolut konfus zu enden; dabei behauptete er, Gedanken
' zu haben wie noch kein Sterblicher; seine Kollegien dienten der Jugend zur
Ergötzung und zu schrankenlosen Mutwillen. Der geistliche Rat trieb es schließlich,
nach Freiburg übergesiedelt, so arg, daß er abgesetzt wurde. Ein ganz andrer
war Matthäus Kübel, der Professor des kanonischen Rechts, ein hochgelehrter,
seiner Jurist vou ehrwürdigen Sitten, der sich die Hochachtung Savignys und
Thibauts errang und 1809 als Senior der Universität, lange unersetzlich, starb.
Eine gewisse Bedeutung ließ sich auch dem Karmeliter vom heiligen Adam,
Anton Thaddäus Dcreser, nicht absprechen, der einst ein begeisterter Jünger der jo-
sephinischen Ideen gewesen war, sich dann mit dem berüchtigten Eulogius Schneider
für die Greuel der Jakobiner erwärmt, durch schwere Kirchenbußen aber Ver¬
nunft und Ruhe wieder erlangt hatte; als Professor der biblischen Exegese und der
orientalischen Sprachen übte er bei weitem den größten Einfluß aus die Jugend
aus und galt für einen aufgeklärten Katholiken, bis er bei dem Tvtenamte
Karl Friedrichs in die gröbste Taktlosigkeit ausartete. Ganz bedeutungslos
hingegen war der Professor Saar, auch ein ehemaliger Mönch. Die prote¬
stantische Abteilung der theologischen Fakultät zählte jetzt mir zwei, dafür umso
hervorrageudere Ordinarien, den allseitig wohlbeschlagucu Daniel Ludwig Wundt,
der die pfälzische Kirchengeschichte schrieb, und den gewaltigen Vertreter des
eigentlich theologischen Prinzips, den großen philosophischen Denker Karl Daub.
Daub wußte durch den Reichtum seines Geistes die UnVollständigkeit der Fa¬
kultät weniger fühlbar zu machen, las über alle Gebiete der Theologie und
manche der Philosophie, die er mit jener zu versöhnen suchte, wie er auch die
Religion nicht im Verstände, sondern in, Herzen begründete; er galt für eine
der berühmtesten Stützen der Orthodoxie. Auf Karl Friedrichs dringende Bitten
lehnte er 1803 einen glänzenden Ruf nach Würzburg mit doppelt so hohem
Gehalte ab; er war zur Restauration der Hochschule am Neckar zu wichtig, auf
ihn rechnete der neue Rektor als auf die Bürgschaft einer bessern Zeit, und
Daub vergalt dies Vertrauen mit hingebender cinuudvierzigjähriger Wirksamkeit.
Weit schlimmer als mit der theologischen war es mit der juristischen Fakultät
bestellt; sie hatte nur zwei ordentliche und einen außerordentlichen Professor,
die alle drei Mittelmäßigkeiten waren; wer spricht heute noch von Gcimbsjäger,


Karl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.

Zopf trugen, ergraute Mönche saßen neben den Pionieren einer neuen Zeit
voll Ruhm und Herrlichkeit. Am auffallendsten war diese Mischung in der theo¬
logischen Fakultät, und trotzdem bot sie ein Bild der Einigkeit, so ferne ihr auch
Einheit blieb. An ihrer Spitze stand der Karmeliter Bonifacius vom heiligen
Wunibald, der unter Karl Friedrich seinen Familiennamen Schnappiugcr wieder
annahm. Ein grenzenlos gutmütiger Mensch, paßte er nicht in seine Zeit,
höchstens ins dreizehnte Jahrhundert; seine Vernunftbeweise in der Dogmatik
waren stets die denkbar unvernünftigsten, und er besprach die einzelnen Para¬
graphen seiner in Augsburg erschienenen Oootrina, avg-ur^rum. erst „fusius,"
dann etwas „fusiusser," um absolut konfus zu enden; dabei behauptete er, Gedanken
' zu haben wie noch kein Sterblicher; seine Kollegien dienten der Jugend zur
Ergötzung und zu schrankenlosen Mutwillen. Der geistliche Rat trieb es schließlich,
nach Freiburg übergesiedelt, so arg, daß er abgesetzt wurde. Ein ganz andrer
war Matthäus Kübel, der Professor des kanonischen Rechts, ein hochgelehrter,
seiner Jurist vou ehrwürdigen Sitten, der sich die Hochachtung Savignys und
Thibauts errang und 1809 als Senior der Universität, lange unersetzlich, starb.
Eine gewisse Bedeutung ließ sich auch dem Karmeliter vom heiligen Adam,
Anton Thaddäus Dcreser, nicht absprechen, der einst ein begeisterter Jünger der jo-
sephinischen Ideen gewesen war, sich dann mit dem berüchtigten Eulogius Schneider
für die Greuel der Jakobiner erwärmt, durch schwere Kirchenbußen aber Ver¬
nunft und Ruhe wieder erlangt hatte; als Professor der biblischen Exegese und der
orientalischen Sprachen übte er bei weitem den größten Einfluß aus die Jugend
aus und galt für einen aufgeklärten Katholiken, bis er bei dem Tvtenamte
Karl Friedrichs in die gröbste Taktlosigkeit ausartete. Ganz bedeutungslos
hingegen war der Professor Saar, auch ein ehemaliger Mönch. Die prote¬
stantische Abteilung der theologischen Fakultät zählte jetzt mir zwei, dafür umso
hervorrageudere Ordinarien, den allseitig wohlbeschlagucu Daniel Ludwig Wundt,
der die pfälzische Kirchengeschichte schrieb, und den gewaltigen Vertreter des
eigentlich theologischen Prinzips, den großen philosophischen Denker Karl Daub.
Daub wußte durch den Reichtum seines Geistes die UnVollständigkeit der Fa¬
kultät weniger fühlbar zu machen, las über alle Gebiete der Theologie und
manche der Philosophie, die er mit jener zu versöhnen suchte, wie er auch die
Religion nicht im Verstände, sondern in, Herzen begründete; er galt für eine
der berühmtesten Stützen der Orthodoxie. Auf Karl Friedrichs dringende Bitten
lehnte er 1803 einen glänzenden Ruf nach Würzburg mit doppelt so hohem
Gehalte ab; er war zur Restauration der Hochschule am Neckar zu wichtig, auf
ihn rechnete der neue Rektor als auf die Bürgschaft einer bessern Zeit, und
Daub vergalt dies Vertrauen mit hingebender cinuudvierzigjähriger Wirksamkeit.
Weit schlimmer als mit der theologischen war es mit der juristischen Fakultät
bestellt; sie hatte nur zwei ordentliche und einen außerordentlichen Professor,
die alle drei Mittelmäßigkeiten waren; wer spricht heute noch von Gcimbsjäger,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/123>, abgerufen am 25.07.2024.