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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Notizen.

Vollkommen, Herr Graf, erwiederte der Prior von Belem ruhig. Und nun
sorgt allein noch dafür, daß man Euch und mich heute Abend und in den
nächste" Tagen so wenig als nnr immer möglich bei einander sehe!

Graf Navarrete murmelte undeutlich etwas, das nicht für den Prior be¬
stimmt war, und aus dem er nur die Worte: Armer junger König! heraus¬
hören konnte. Dom Joao, der jetzt sicher wußte, daß der Spanier seine" Winken
gehorchen würde, versagte sich jede Entgegnung und verließ mit, höflichem Gruße
den kühlen Raum. Den zurückbleibenden Grafen verlangte es nicht, dem Ge¬
spräche zu lauschen, welches der Prior im nächsten Zimmer mit Tellez Alucita
anknüpfte. Er erriet, daß sich der erlauchte geistliche Herr wegwerfend genug
über sein langsames Verständnis äußern würde. Er wartete noch geraume Zeit,
nachdem die Priester ihren Rückweg angetreten hatten, ehe auch er die vordern
Räume wieder aufsuchte. Das Gewühl in den Festsälen war noch dichter und
bunter geworden als eine halbe Stunde zuvor, es schien unmöglich, daß irgend¬
wer unter den vielen Hunderten, die sich hier drängten, den Grafen Navarrete
vermißt haben sollte. Und doch war ihm unbehaglich zu Mute, und nachdem
er sich einen Augenblick in dem schimmernden Kreise gezeigt hatte, in dessen
Mitte der König stand, zog er sich in den Nebensaal zurück, wo er sich zu einer
Gruppe von portugiesischen Edelleuten gesellte. Er wechselte gleichgiltig-höfliche
Worte mit den ritterliche" Herren und sah seine Voraussicht erfüllt, daß in
Gegenwart des spanischen Gesandten das eine Gespräch verstummen werde,
welches sonst überall den Saal durchschwirrte. (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Die Ritter der Arbeit.

Die Vereinigten Staaten sind das Land der ge¬
heimen Orden, Verbrüderungen und Gesellschaften, wie sie das Land der wunder¬
lichen Sekten sind. Es scheint, daß die ungeheure Prosa des öffentlichen Lebens
die Leute bewegt, sich auf diese Art eine gewisse poetische Befriedigung zu verschaffen.
Ein Hauptreiz des Mormoncntums war anfangs sein mysteriöses Wesen. Neben
der Freimaurerei mit ihren Logen und ihren 33 Graden hat die Oddfellowship,
die Bruderschaft der "närrischen Kerle," in ihren "Lagern" mehrere hunderttausend
Mitglieder. Daneben bestehen in zahlreichen "Hainen" Druiden, Söhne der Freiheit
und ähnliche Verbindungen mit harmlosen Zwecken, die lediglich deshalb hinter
dichtem Vorhang "arbeiten," weil das Geheimnis wohlthut. Die Demokraten hatten
ihre Tammanyhall, ihre sechs Stämme, ihre "Beratungsfcuer" und "Wigwams."
Viel Aufsehen machte der Knklux-Klar mit seinen grotesken Masken, der sich
gegen die freigewvrdnen Neger richtete. Kein Wunder daher, daß sich auch die
mehr oder minder sozialistischen Bestrebungen der amerikanischen Arbeiter einen
Geheimbund geschaffen haben, und daß derselbe in der Stille rasch zu einer ein¬
flußreichen Organisation gediehen ist. Wir meinen damit den Orden der Kuigl>K


Notizen.

Vollkommen, Herr Graf, erwiederte der Prior von Belem ruhig. Und nun
sorgt allein noch dafür, daß man Euch und mich heute Abend und in den
nächste» Tagen so wenig als nnr immer möglich bei einander sehe!

Graf Navarrete murmelte undeutlich etwas, das nicht für den Prior be¬
stimmt war, und aus dem er nur die Worte: Armer junger König! heraus¬
hören konnte. Dom Joao, der jetzt sicher wußte, daß der Spanier seine» Winken
gehorchen würde, versagte sich jede Entgegnung und verließ mit, höflichem Gruße
den kühlen Raum. Den zurückbleibenden Grafen verlangte es nicht, dem Ge¬
spräche zu lauschen, welches der Prior im nächsten Zimmer mit Tellez Alucita
anknüpfte. Er erriet, daß sich der erlauchte geistliche Herr wegwerfend genug
über sein langsames Verständnis äußern würde. Er wartete noch geraume Zeit,
nachdem die Priester ihren Rückweg angetreten hatten, ehe auch er die vordern
Räume wieder aufsuchte. Das Gewühl in den Festsälen war noch dichter und
bunter geworden als eine halbe Stunde zuvor, es schien unmöglich, daß irgend¬
wer unter den vielen Hunderten, die sich hier drängten, den Grafen Navarrete
vermißt haben sollte. Und doch war ihm unbehaglich zu Mute, und nachdem
er sich einen Augenblick in dem schimmernden Kreise gezeigt hatte, in dessen
Mitte der König stand, zog er sich in den Nebensaal zurück, wo er sich zu einer
Gruppe von portugiesischen Edelleuten gesellte. Er wechselte gleichgiltig-höfliche
Worte mit den ritterliche» Herren und sah seine Voraussicht erfüllt, daß in
Gegenwart des spanischen Gesandten das eine Gespräch verstummen werde,
welches sonst überall den Saal durchschwirrte. (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Die Ritter der Arbeit.

Die Vereinigten Staaten sind das Land der ge¬
heimen Orden, Verbrüderungen und Gesellschaften, wie sie das Land der wunder¬
lichen Sekten sind. Es scheint, daß die ungeheure Prosa des öffentlichen Lebens
die Leute bewegt, sich auf diese Art eine gewisse poetische Befriedigung zu verschaffen.
Ein Hauptreiz des Mormoncntums war anfangs sein mysteriöses Wesen. Neben
der Freimaurerei mit ihren Logen und ihren 33 Graden hat die Oddfellowship,
die Bruderschaft der „närrischen Kerle," in ihren „Lagern" mehrere hunderttausend
Mitglieder. Daneben bestehen in zahlreichen „Hainen" Druiden, Söhne der Freiheit
und ähnliche Verbindungen mit harmlosen Zwecken, die lediglich deshalb hinter
dichtem Vorhang „arbeiten," weil das Geheimnis wohlthut. Die Demokraten hatten
ihre Tammanyhall, ihre sechs Stämme, ihre „Beratungsfcuer" und „Wigwams."
Viel Aufsehen machte der Knklux-Klar mit seinen grotesken Masken, der sich
gegen die freigewvrdnen Neger richtete. Kein Wunder daher, daß sich auch die
mehr oder minder sozialistischen Bestrebungen der amerikanischen Arbeiter einen
Geheimbund geschaffen haben, und daß derselbe in der Stille rasch zu einer ein¬
flußreichen Organisation gediehen ist. Wir meinen damit den Orden der Kuigl>K


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/100>, abgerufen am 02.07.2024.