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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens.

ans solcher Ehe den Anspruch auf die Krone dieses Reiches zu bestreiten, ja
mau würde Gut und Blut fiir die Nachkommen des alten Königshauses umso
williger einsetzen, je trotziger ihr Spanier das Erbrecht derselben bestrittne. Sagte
Euch König Philipp nicht ein Wort, daß Ihr in portugiesischen Dingen vor
allem meiner Erfahrung vertrauen solltet, Graf Navarrete?

Gewiß, gewiß, Dom Joao! antwortete der Gesandte. Ihr seht jedoch die
Dinge in einem Lichte, das mir völlig neu ist. Und wenn ich Euch Recht gäbe,
Hochwürdiger, was würdet Ihr mir nun raten? Ihr könnt nicht leugnen, daß
meine alte Kunst diesmal unanwendbar ist. Es war leicht, den König im allge¬
meinen zu einer Vermählung zuzureden und darnach jedem einzelnen Vor¬
schlage schwere Bedenke" gcgenüberzusctzen, spottleicht, so lange es sich um ferne
Prinzessinnen handelte, von denen Dom Sebastian höchstens ein Bild erblickte.
Doch damit gegen die junge Schönheit zu streiten, in deren Augenschimmer er
wandelt --

Dennoch werdet Ihr Eure Pflicht wie seither thun müssen, unterbrach der
Prior die Auseinandersetzungen Navarrctes. Ihr als Weltmann habt den
unschätzbaren Vorteil, der Leidenschaft des Königs schmeicheln zu dürfen, Ihr
könnt ihm selbst andeuten, daß es einem großen Fürsten unverwehrt sei, sich
eine Herzensfreundin so schön und klug wie Donna Catarina zu gesellen. Aber
laßt ihn keinen Augenblick in Zweifel, daß Euer königlicher Herr gegen die
Rechtmäßigkeit solcher Heirat protestirt und Himmel und Erde in Bewegung
setzen wird, sein besseres Recht gegen unebenbürtige Kinder König Sebastians
zu wahren.

Graf Navarrete lauschte bestürzt und verdrossen den Worten des Priors,
deren Ton immer schärfer und fast gebieterisch geworden war. So sehr er be¬
müht war, sich der höher" Einsicht Dom Joaos unterzuordnen, so konnte er
doch nicht umhin, noch einmal einzuwenden: Und wenn ich thue, was Ihr ratet,
und Euer König dennoch bei seinem Entschlüsse beharrt, steht die Angelegenheit
dann nicht umsoviel schlimmer für uus?

Er wird aber seine" Entschluß nicht festhalten, wenn Ihr den rechten Ton
anschlägt, antwortete der Prior. Ihr solltet Dom Sebastian kennen, solltet
wissen, daß er vor keiner Gefahr zurückschreckt, aber in seinem Gewissen wie in
seine" Vorsätzen leicht beirrt wird. Ihr müßt reden, denn wir können es nicht
sein, die ihm von einer christlichen Ehe mit Donna Catarina abraten.

Der Gesandte hatte inzwischen ans den Mienen des Priors mancherlei
herausgelesen, was unausgesprochen blieb. Er seufzte und sagte, indem er sich
langsam von seinem Sitze erhob: Ihr werdet Recht behalten wie immer, Dom
Joao. Und wenn Ihr Euch zufällig einmal irren solltet, so wird der Irrtum
nichts kosten als einen Gesandten; König Philipp kann mich ja abberufen und
erklären, daß ich meine Vollmachten überschritten Hütte. Habe ich Euch jetzt
ganz verstanden, Hochwürdigster?


Lamoens.

ans solcher Ehe den Anspruch auf die Krone dieses Reiches zu bestreiten, ja
mau würde Gut und Blut fiir die Nachkommen des alten Königshauses umso
williger einsetzen, je trotziger ihr Spanier das Erbrecht derselben bestrittne. Sagte
Euch König Philipp nicht ein Wort, daß Ihr in portugiesischen Dingen vor
allem meiner Erfahrung vertrauen solltet, Graf Navarrete?

Gewiß, gewiß, Dom Joao! antwortete der Gesandte. Ihr seht jedoch die
Dinge in einem Lichte, das mir völlig neu ist. Und wenn ich Euch Recht gäbe,
Hochwürdiger, was würdet Ihr mir nun raten? Ihr könnt nicht leugnen, daß
meine alte Kunst diesmal unanwendbar ist. Es war leicht, den König im allge¬
meinen zu einer Vermählung zuzureden und darnach jedem einzelnen Vor¬
schlage schwere Bedenke» gcgenüberzusctzen, spottleicht, so lange es sich um ferne
Prinzessinnen handelte, von denen Dom Sebastian höchstens ein Bild erblickte.
Doch damit gegen die junge Schönheit zu streiten, in deren Augenschimmer er
wandelt —

Dennoch werdet Ihr Eure Pflicht wie seither thun müssen, unterbrach der
Prior die Auseinandersetzungen Navarrctes. Ihr als Weltmann habt den
unschätzbaren Vorteil, der Leidenschaft des Königs schmeicheln zu dürfen, Ihr
könnt ihm selbst andeuten, daß es einem großen Fürsten unverwehrt sei, sich
eine Herzensfreundin so schön und klug wie Donna Catarina zu gesellen. Aber
laßt ihn keinen Augenblick in Zweifel, daß Euer königlicher Herr gegen die
Rechtmäßigkeit solcher Heirat protestirt und Himmel und Erde in Bewegung
setzen wird, sein besseres Recht gegen unebenbürtige Kinder König Sebastians
zu wahren.

Graf Navarrete lauschte bestürzt und verdrossen den Worten des Priors,
deren Ton immer schärfer und fast gebieterisch geworden war. So sehr er be¬
müht war, sich der höher» Einsicht Dom Joaos unterzuordnen, so konnte er
doch nicht umhin, noch einmal einzuwenden: Und wenn ich thue, was Ihr ratet,
und Euer König dennoch bei seinem Entschlüsse beharrt, steht die Angelegenheit
dann nicht umsoviel schlimmer für uus?

Er wird aber seine» Entschluß nicht festhalten, wenn Ihr den rechten Ton
anschlägt, antwortete der Prior. Ihr solltet Dom Sebastian kennen, solltet
wissen, daß er vor keiner Gefahr zurückschreckt, aber in seinem Gewissen wie in
seine» Vorsätzen leicht beirrt wird. Ihr müßt reden, denn wir können es nicht
sein, die ihm von einer christlichen Ehe mit Donna Catarina abraten.

Der Gesandte hatte inzwischen ans den Mienen des Priors mancherlei
herausgelesen, was unausgesprochen blieb. Er seufzte und sagte, indem er sich
langsam von seinem Sitze erhob: Ihr werdet Recht behalten wie immer, Dom
Joao. Und wenn Ihr Euch zufällig einmal irren solltet, so wird der Irrtum
nichts kosten als einen Gesandten; König Philipp kann mich ja abberufen und
erklären, daß ich meine Vollmachten überschritten Hütte. Habe ich Euch jetzt
ganz verstanden, Hochwürdigster?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/99>, abgerufen am 04.07.2024.