Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.gebe" ist. Padua ist seiner Erzählung zufolge nur eine halbe Stunde von Noch größer aber ist der Widerspruch zwischen den Ansprüchen, mit denen Man könnte meinen, daß hier der Unsinn zu weit getrieben sei, und daß Über die Tendenz des Romanes hat man sich bisher nicht zu einigen ver¬ Greuzl'oder I. 1W6. 68
gebe» ist. Padua ist seiner Erzählung zufolge nur eine halbe Stunde von Noch größer aber ist der Widerspruch zwischen den Ansprüchen, mit denen Man könnte meinen, daß hier der Unsinn zu weit getrieben sei, und daß Über die Tendenz des Romanes hat man sich bisher nicht zu einigen ver¬ Greuzl'oder I. 1W6. 68
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197969"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1605" prev="#ID_1604"> gebe» ist. Padua ist seiner Erzählung zufolge nur eine halbe Stunde von<lb/> Rom entfernt, und Rom selbst liegt vom Tiberflusse umströmt mitten zwischen<lb/> Rohr und Schilf Trotzdem findet man hier vortreffliche Heringe, die in<lb/> Hamburg und Schweden gänzlich fehlen, da man dort nur Forellen zu essen<lb/> bekommt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1606"> Noch größer aber ist der Widerspruch zwischen den Ansprüchen, mit denen<lb/> Schelmuffsky auftritt, und dem zudringlichen Benehmen, das seiner Natur ent¬<lb/> spricht. Überall spielt er den großen Herrn, den Kavalier; immer weiß er sich<lb/> Ansehen zu verschaffen, und selbst die höchstgestellten Personen, Fürsten und<lb/> Potentaten, werden dnrch seine Bekanntschaft bezaubert. Kein Gegner, den er<lb/> »icht niederwirft, kein Frauenzimmer, das ihm nicht seine Huld gewährt. Bei<lb/> seiner impertinenten Großsprecherei übersieht Signor Schelmuffsky leider voll¬<lb/> ständig, daß die Erlebnisse, von denen er berichtet, ihn von einer ganz andern<lb/> Seite erscheinen lassen. So sehr er sich rühmt, ein feiner Mann zu sein, so roh<lb/> und tölpelhaft benimmt er sich. Seine dumme, rüpelhafte Natur kommt jeden<lb/> Augenblick zum Vorschein; die Gastfreundschaft, die ihm aller Orten zuteil wird,<lb/> vergilt er durch die größten Unslütereien. Dennoch glauben ihm alle Leute und<lb/> bestärken ihn dadurch in seinem rcnvmmistischen Gclmhren. Nur der kleine Vetter<lb/> Däfftle spielt den Zweifler und behauptet zum größten Verdruß des Bramarbas,<lb/> daß er überhaupt nicht weiter als eine halbe Meile über seine Heimat hinaus¬<lb/> gekommen sei und sich nur in den nächsten Bierdörfern herumgetrieben habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1607"> Man könnte meinen, daß hier der Unsinn zu weit getrieben sei, und daß<lb/> auf die Dauer solche Aufschneidereien ermüden müßten. Wie sich jeder selbst<lb/> überzeugen kann, ist dies nicht der Fall. Es kommt bei derartigen Geschichten<lb/> ganz auf die Darstellung an, und diese ist in unserm Romane überaus gelungen.<lb/> Der Stil der Erzählung ist so flott und knapp, so frisch und köstlich naiv, daß<lb/> der Leser vom Anfange bis zum Schlüsse mit gleichem Behagen dem Verfasser<lb/> folgt. Der einmal angeschlagene Ton wird in dem ganzen Buche glücklich fest¬<lb/> gehalten, und die immer sich wiederholenden Wendungen, wie z. B. die Be-<lb/> teuernngsformel: „Der Tebel hohl mer," die wir uns mit englischem Accent<lb/> gesprochen denken müssen, tragen nicht wenig zur Steigerung des Humors bei.<lb/> Es ist daher kaum zu viel gesagt, wenn F. Zarncke, von dessen Forschungen<lb/> über den Schelmuffsky gleich die Rede sein wird, sein Urteil über das Werk<lb/> dahin zusammenfaßt: „Der Schelmuffsky ist in der Gestalt, in der wir ihn zu<lb/> lesen Pflegen, eine der klassischen Schöpfungen der humoristischen Poesie, eine<lb/> jener Typen, die, wenn auch einer bestimmten Zeit entstammend, doch dnrch die<lb/> geniale Abrundung, die bei ihnen dem Dichter gelungen, ein unvergängliches<lb/> Eigentum der Phantasie aller Zeiten geworden sind. Er stellt sich ebenbürtig<lb/> neben den Don Quixote und neben Falstaff."</p><lb/> <p xml:id="ID_1608" next="#ID_1609"> Über die Tendenz des Romanes hat man sich bisher nicht zu einigen ver¬<lb/> mocht. Die gewöhnliche Ansicht ist die, daß der Schelmuffsky eine Satire gegen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greuzl'oder I. 1W6. 68</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0545]
gebe» ist. Padua ist seiner Erzählung zufolge nur eine halbe Stunde von
Rom entfernt, und Rom selbst liegt vom Tiberflusse umströmt mitten zwischen
Rohr und Schilf Trotzdem findet man hier vortreffliche Heringe, die in
Hamburg und Schweden gänzlich fehlen, da man dort nur Forellen zu essen
bekommt.
Noch größer aber ist der Widerspruch zwischen den Ansprüchen, mit denen
Schelmuffsky auftritt, und dem zudringlichen Benehmen, das seiner Natur ent¬
spricht. Überall spielt er den großen Herrn, den Kavalier; immer weiß er sich
Ansehen zu verschaffen, und selbst die höchstgestellten Personen, Fürsten und
Potentaten, werden dnrch seine Bekanntschaft bezaubert. Kein Gegner, den er
»icht niederwirft, kein Frauenzimmer, das ihm nicht seine Huld gewährt. Bei
seiner impertinenten Großsprecherei übersieht Signor Schelmuffsky leider voll¬
ständig, daß die Erlebnisse, von denen er berichtet, ihn von einer ganz andern
Seite erscheinen lassen. So sehr er sich rühmt, ein feiner Mann zu sein, so roh
und tölpelhaft benimmt er sich. Seine dumme, rüpelhafte Natur kommt jeden
Augenblick zum Vorschein; die Gastfreundschaft, die ihm aller Orten zuteil wird,
vergilt er durch die größten Unslütereien. Dennoch glauben ihm alle Leute und
bestärken ihn dadurch in seinem rcnvmmistischen Gclmhren. Nur der kleine Vetter
Däfftle spielt den Zweifler und behauptet zum größten Verdruß des Bramarbas,
daß er überhaupt nicht weiter als eine halbe Meile über seine Heimat hinaus¬
gekommen sei und sich nur in den nächsten Bierdörfern herumgetrieben habe.
Man könnte meinen, daß hier der Unsinn zu weit getrieben sei, und daß
auf die Dauer solche Aufschneidereien ermüden müßten. Wie sich jeder selbst
überzeugen kann, ist dies nicht der Fall. Es kommt bei derartigen Geschichten
ganz auf die Darstellung an, und diese ist in unserm Romane überaus gelungen.
Der Stil der Erzählung ist so flott und knapp, so frisch und köstlich naiv, daß
der Leser vom Anfange bis zum Schlüsse mit gleichem Behagen dem Verfasser
folgt. Der einmal angeschlagene Ton wird in dem ganzen Buche glücklich fest¬
gehalten, und die immer sich wiederholenden Wendungen, wie z. B. die Be-
teuernngsformel: „Der Tebel hohl mer," die wir uns mit englischem Accent
gesprochen denken müssen, tragen nicht wenig zur Steigerung des Humors bei.
Es ist daher kaum zu viel gesagt, wenn F. Zarncke, von dessen Forschungen
über den Schelmuffsky gleich die Rede sein wird, sein Urteil über das Werk
dahin zusammenfaßt: „Der Schelmuffsky ist in der Gestalt, in der wir ihn zu
lesen Pflegen, eine der klassischen Schöpfungen der humoristischen Poesie, eine
jener Typen, die, wenn auch einer bestimmten Zeit entstammend, doch dnrch die
geniale Abrundung, die bei ihnen dem Dichter gelungen, ein unvergängliches
Eigentum der Phantasie aller Zeiten geworden sind. Er stellt sich ebenbürtig
neben den Don Quixote und neben Falstaff."
Über die Tendenz des Romanes hat man sich bisher nicht zu einigen ver¬
mocht. Die gewöhnliche Ansicht ist die, daß der Schelmuffsky eine Satire gegen
Greuzl'oder I. 1W6. 68
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