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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

Freund und nur minder mächtig bin. Dafür habe ich versucht, dir eine
Freundin zu gewinnen, welche dein Geschick behüten kann wie ein Engel Gottes.
Ich hoffe, daß sie in kurzem vor dir stehen und dein Herz gewinnen soll. Ihr
gieb dich hin, ihr schenke dein ganzes Vertrauen und fühle das Glück, an ihrer
Seite zu leben.

Esmah sah mit erstaunten Augen Camoens an und fragte leise: Lebt die
Frau, von der du sprichst, im Hause meines Beschützers?

Ihm aber ward die verneinende Antwort für den Augenblick erspart, denn
eben schwang Joana, die vorhin einen der mächtigen verstreuten Felsblöcke er¬
klettert hatte, wieder ihr rotes Tuch über dem Haupte und rief weithin schallend:
Sie kommen! sie kommen! Nächst Camoens, der augenblicklich mit schnelleren
Schritten den Weg einschlug, auf welchen Joana hindeutete, richteten auch Barreto,
der Priester und Esmah ihre Blicke den Kommenden entgegen.

Das scharfe Auge der Maurin unterschied schon jetzt die Züge der jungen
Dame, welche voranritt. Ein Glanz der Befriedigung und Hoffnung leuchtete
in Esmahs braunen Augensternen auf, je deutlicher sie den Ausdruck der Güte
in dem jugendlich schönen Gesichte der Gräfin Palmeirim erkannte. Donna
Catariua saß auf einem der schlanken lichtgrauen Jngdpferdc, welche von den
kanarischen Inseln kamen, ihre Begleiter, der alte Stallmeister Miraflores und
ein ebenso alter Falkcnwärter, der noch im Dienste des Hauses Atayde gestanden
hatte, ritte" dunkle Pferde von andalnsischer Zucht. Die junge Dame sowohl
als ihre Begleiter waren gleich Barreto und Camoens scheinbar zur Jagd ge¬
rüstet. Im dunkeln Reitkleid, den Hut mit wallender Strauße"feder geschmückt,
die Ha"d mit den Zügeln auf dem Halse ihres Pferdes ruhend, ritt Catarina
heran. Camoens atmete befriedigt auf, als er sah, daß die junge Gräfin allein
kam, er hatte gefürchtet, daß die Herzogin ihre Pflegebefohlene geleiten würde;
jetzt überkam ihn das Gefühl, als ob plötzlich eine Schranke zwischen ihm und
dem jungen Mädchen falle. Sie hielt ihr Pferd an, ehe es Camoens gelang,
demselben in die Zügel zu greifen, aber sie gestattete lächelnd, daß er ihr aus
dem Sattel half, und setzte ihren Fuß in die Hand, ohne daß ihr Stallmeister,
der gleichfalls ans dem Sattel glitt, es hindern konnte. Senhor Miraflores
runzelte ingrimmig die Stirn, allein weder seine junge Herrin noch Camoens
achteten auf seineu Verdruß. Camoens neigte sich noch einmal vor der lieb¬
lichen Erscheinung und sagte: Ihr habt Euch des Schlafes beraubt, Herrin, um
unserm Schützling das zeitliche und ewige Heil zu sichern, Ihr seht, daß Euch
der Himmel dafür mit dem goldensten Morgen belohnt. Ihr findet uns bereit,
und Pater Heuriques sagt, daß auch die junge Mamun wohl vorbereitet zu dem
rettenden Schritt sei, den sie mit Eurer Hilfe thun soll.

Ich wünsche ihr von Herzen beizustehen, entgegnete die junge Gräfin. Führt
mich zu ihr und lehrt mich sie kennen. Sagt Ihr, daß ich wie eine Schwester
gegen sie handeln will. Ihr Gesicht ist fein und edel -- aber hat niemand


Lamoens.

Freund und nur minder mächtig bin. Dafür habe ich versucht, dir eine
Freundin zu gewinnen, welche dein Geschick behüten kann wie ein Engel Gottes.
Ich hoffe, daß sie in kurzem vor dir stehen und dein Herz gewinnen soll. Ihr
gieb dich hin, ihr schenke dein ganzes Vertrauen und fühle das Glück, an ihrer
Seite zu leben.

Esmah sah mit erstaunten Augen Camoens an und fragte leise: Lebt die
Frau, von der du sprichst, im Hause meines Beschützers?

Ihm aber ward die verneinende Antwort für den Augenblick erspart, denn
eben schwang Joana, die vorhin einen der mächtigen verstreuten Felsblöcke er¬
klettert hatte, wieder ihr rotes Tuch über dem Haupte und rief weithin schallend:
Sie kommen! sie kommen! Nächst Camoens, der augenblicklich mit schnelleren
Schritten den Weg einschlug, auf welchen Joana hindeutete, richteten auch Barreto,
der Priester und Esmah ihre Blicke den Kommenden entgegen.

Das scharfe Auge der Maurin unterschied schon jetzt die Züge der jungen
Dame, welche voranritt. Ein Glanz der Befriedigung und Hoffnung leuchtete
in Esmahs braunen Augensternen auf, je deutlicher sie den Ausdruck der Güte
in dem jugendlich schönen Gesichte der Gräfin Palmeirim erkannte. Donna
Catariua saß auf einem der schlanken lichtgrauen Jngdpferdc, welche von den
kanarischen Inseln kamen, ihre Begleiter, der alte Stallmeister Miraflores und
ein ebenso alter Falkcnwärter, der noch im Dienste des Hauses Atayde gestanden
hatte, ritte» dunkle Pferde von andalnsischer Zucht. Die junge Dame sowohl
als ihre Begleiter waren gleich Barreto und Camoens scheinbar zur Jagd ge¬
rüstet. Im dunkeln Reitkleid, den Hut mit wallender Strauße»feder geschmückt,
die Ha»d mit den Zügeln auf dem Halse ihres Pferdes ruhend, ritt Catarina
heran. Camoens atmete befriedigt auf, als er sah, daß die junge Gräfin allein
kam, er hatte gefürchtet, daß die Herzogin ihre Pflegebefohlene geleiten würde;
jetzt überkam ihn das Gefühl, als ob plötzlich eine Schranke zwischen ihm und
dem jungen Mädchen falle. Sie hielt ihr Pferd an, ehe es Camoens gelang,
demselben in die Zügel zu greifen, aber sie gestattete lächelnd, daß er ihr aus
dem Sattel half, und setzte ihren Fuß in die Hand, ohne daß ihr Stallmeister,
der gleichfalls ans dem Sattel glitt, es hindern konnte. Senhor Miraflores
runzelte ingrimmig die Stirn, allein weder seine junge Herrin noch Camoens
achteten auf seineu Verdruß. Camoens neigte sich noch einmal vor der lieb¬
lichen Erscheinung und sagte: Ihr habt Euch des Schlafes beraubt, Herrin, um
unserm Schützling das zeitliche und ewige Heil zu sichern, Ihr seht, daß Euch
der Himmel dafür mit dem goldensten Morgen belohnt. Ihr findet uns bereit,
und Pater Heuriques sagt, daß auch die junge Mamun wohl vorbereitet zu dem
rettenden Schritt sei, den sie mit Eurer Hilfe thun soll.

Ich wünsche ihr von Herzen beizustehen, entgegnete die junge Gräfin. Führt
mich zu ihr und lehrt mich sie kennen. Sagt Ihr, daß ich wie eine Schwester
gegen sie handeln will. Ihr Gesicht ist fein und edel — aber hat niemand


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[0530] Lamoens. Freund und nur minder mächtig bin. Dafür habe ich versucht, dir eine Freundin zu gewinnen, welche dein Geschick behüten kann wie ein Engel Gottes. Ich hoffe, daß sie in kurzem vor dir stehen und dein Herz gewinnen soll. Ihr gieb dich hin, ihr schenke dein ganzes Vertrauen und fühle das Glück, an ihrer Seite zu leben. Esmah sah mit erstaunten Augen Camoens an und fragte leise: Lebt die Frau, von der du sprichst, im Hause meines Beschützers? Ihm aber ward die verneinende Antwort für den Augenblick erspart, denn eben schwang Joana, die vorhin einen der mächtigen verstreuten Felsblöcke er¬ klettert hatte, wieder ihr rotes Tuch über dem Haupte und rief weithin schallend: Sie kommen! sie kommen! Nächst Camoens, der augenblicklich mit schnelleren Schritten den Weg einschlug, auf welchen Joana hindeutete, richteten auch Barreto, der Priester und Esmah ihre Blicke den Kommenden entgegen. Das scharfe Auge der Maurin unterschied schon jetzt die Züge der jungen Dame, welche voranritt. Ein Glanz der Befriedigung und Hoffnung leuchtete in Esmahs braunen Augensternen auf, je deutlicher sie den Ausdruck der Güte in dem jugendlich schönen Gesichte der Gräfin Palmeirim erkannte. Donna Catariua saß auf einem der schlanken lichtgrauen Jngdpferdc, welche von den kanarischen Inseln kamen, ihre Begleiter, der alte Stallmeister Miraflores und ein ebenso alter Falkcnwärter, der noch im Dienste des Hauses Atayde gestanden hatte, ritte» dunkle Pferde von andalnsischer Zucht. Die junge Dame sowohl als ihre Begleiter waren gleich Barreto und Camoens scheinbar zur Jagd ge¬ rüstet. Im dunkeln Reitkleid, den Hut mit wallender Strauße»feder geschmückt, die Ha»d mit den Zügeln auf dem Halse ihres Pferdes ruhend, ritt Catarina heran. Camoens atmete befriedigt auf, als er sah, daß die junge Gräfin allein kam, er hatte gefürchtet, daß die Herzogin ihre Pflegebefohlene geleiten würde; jetzt überkam ihn das Gefühl, als ob plötzlich eine Schranke zwischen ihm und dem jungen Mädchen falle. Sie hielt ihr Pferd an, ehe es Camoens gelang, demselben in die Zügel zu greifen, aber sie gestattete lächelnd, daß er ihr aus dem Sattel half, und setzte ihren Fuß in die Hand, ohne daß ihr Stallmeister, der gleichfalls ans dem Sattel glitt, es hindern konnte. Senhor Miraflores runzelte ingrimmig die Stirn, allein weder seine junge Herrin noch Camoens achteten auf seineu Verdruß. Camoens neigte sich noch einmal vor der lieb¬ lichen Erscheinung und sagte: Ihr habt Euch des Schlafes beraubt, Herrin, um unserm Schützling das zeitliche und ewige Heil zu sichern, Ihr seht, daß Euch der Himmel dafür mit dem goldensten Morgen belohnt. Ihr findet uns bereit, und Pater Heuriques sagt, daß auch die junge Mamun wohl vorbereitet zu dem rettenden Schritt sei, den sie mit Eurer Hilfe thun soll. Ich wünsche ihr von Herzen beizustehen, entgegnete die junge Gräfin. Führt mich zu ihr und lehrt mich sie kennen. Sagt Ihr, daß ich wie eine Schwester gegen sie handeln will. Ihr Gesicht ist fein und edel — aber hat niemand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/530>, abgerufen am 05.02.2025.