Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.plattdeutsche Humoristen. sein, wenn sie ihm nicht ein und das andre mal ein herzhaftes Gelächter ab¬ Einen diesem Naturburschen Segcbarty ganz entgegengesetzten Charakter, Meisterhaft sind die ersten Kapitel der Erzählung: ländliche Idyllen. Der *) Hans Höllig. 'ne Geschieht ut plattdütschen Laun' von Heinrich Bnrmester.
Berlin, Eduard Ratzel. plattdeutsche Humoristen. sein, wenn sie ihm nicht ein und das andre mal ein herzhaftes Gelächter ab¬ Einen diesem Naturburschen Segcbarty ganz entgegengesetzten Charakter, Meisterhaft sind die ersten Kapitel der Erzählung: ländliche Idyllen. Der *) Hans Höllig. 'ne Geschieht ut plattdütschen Laun' von Heinrich Bnrmester.
Berlin, Eduard Ratzel. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197935"/> <fw type="header" place="top"> plattdeutsche Humoristen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1500" prev="#ID_1499"> sein, wenn sie ihm nicht ein und das andre mal ein herzhaftes Gelächter ab¬<lb/> nötigten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1501"> Einen diesem Naturburschen Segcbarty ganz entgegengesetzten Charakter,<lb/> den der bewußten Kunst sowohl in der Behandlung des Dialekts als in der<lb/> Form der Komposition, besitzen die Schriften eines andern plattdeutschen Dichters,<lb/> Heinrich Burmesters, mit dessen vortrefflicher „Harten Lewa" die Leser der<lb/> Grenzboten schon im vorigen Jahrgange bekannt gemacht wurden. Auch Bur-<lb/> mester verschmäht, als echter Plattdeutscher, nicht die Erzählung der Schnurre,<lb/> die Darstellung der burlesken Situation, auch er weiß die ergiebige Quelle des<lb/> Humors, welche im „ Messingsch" fließt, mit Vorteil zu benutzen. Aber im<lb/> ganzen ist sein Humor uur die Lichtseite eines tiefen, ja strengen Ernstes; er<lb/> bleibt nicht beim harmlosen Spaß, bei der sich selbst genügenden Konnt stehen,<lb/> sondern spitzt sich gern zur Satire zu; er will nicht bloß lächerlich machen,<lb/> sondern auch strafe», züchtigen. Burmesters in schwerem Lebensgange erworbene<lb/> Anschauung von den Menschen neigt gern zum Pessimismus hin. Er betont<lb/> sogar mit Nachdruck die angeborne Schlechtigkeit einzelner Menschen, an denen<lb/> keine Erziehung etwas besser machen kann, und die sich ihrer Bosheit prahlerisch<lb/> bewußt sind. Zwischen seinem Humor und seinem Ernste ist's bei Bnrmcster<lb/> zu keiner rechten Ausgleichung gekommen, was einer der Nachteile seines neuesten<lb/> Buches ist.") Seine Erzählungen sind daher eigentliche Dorfgeschichten im Sinne<lb/> der süddeutschen Literatur, und der „Hans Höltig" ist auch eine solche nach der<lb/> Seite ihrer Schwächen, nämlich dem immer wiederkehrenden Motive von dem hart¬<lb/> köpfigen Bcmcrnvater, der die Heirat seiner Tochter mit dem Grvßknecht seines<lb/> Hofes nicht zugeben will, obgleich dieser Großknecht die schönsten Tugenden in<lb/> sich vereinigt, und von dem Unglück, welches dieses altbäuerischc Stcmdes-<lb/> vvrurteil immerfort anrichtet. Auch in Fritz Lenings „Dree Wichuachteu" kommt<lb/> dieses Motiv vor. Vurmester hat es in seiner Erzählung mit andern, an Auer-<lb/> bachs „Sträflinge" und ihre Tendenz erinnernden Motiven verbunden, die ihm<lb/> Gelegenheit zu einigen satirischen Bildern gaben. Wie er in „Harten Lema"<lb/> die Leiden des Dorfschnlmcisters (und zwar hier mit der gesteigerten und<lb/> poetisch wirksameren Bitterkeit der eignen Erfahrung) darstellte, so scitirisirt er<lb/> in seiner neuesten Erzählung die Schwächen der ländlichen Justiz und des<lb/> Armenwesens und schildert die Leiden eines Mannes, der schuldlos unter schwerer<lb/> Anklage gestanden hat und, obgleich freigesprochen, die Vorurteile seines Heimats-<lb/> dvrfes gegen sich hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1502" next="#ID_1503"> Meisterhaft sind die ersten Kapitel der Erzählung: ländliche Idyllen. Der<lb/> Bauer Kraal in Nählstörv sitzt mit seiner Familie um einem Winterabende zu<lb/> Hause, raucht gemütlich sein Pfeifchen und will auf allseitige Anforderung</p><lb/> <note xml:id="FID_26" place="foot"> *) Hans Höllig. 'ne Geschieht ut plattdütschen Laun' von Heinrich Bnrmester.<lb/> Berlin, Eduard Ratzel.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
plattdeutsche Humoristen.
sein, wenn sie ihm nicht ein und das andre mal ein herzhaftes Gelächter ab¬
nötigten.
Einen diesem Naturburschen Segcbarty ganz entgegengesetzten Charakter,
den der bewußten Kunst sowohl in der Behandlung des Dialekts als in der
Form der Komposition, besitzen die Schriften eines andern plattdeutschen Dichters,
Heinrich Burmesters, mit dessen vortrefflicher „Harten Lewa" die Leser der
Grenzboten schon im vorigen Jahrgange bekannt gemacht wurden. Auch Bur-
mester verschmäht, als echter Plattdeutscher, nicht die Erzählung der Schnurre,
die Darstellung der burlesken Situation, auch er weiß die ergiebige Quelle des
Humors, welche im „ Messingsch" fließt, mit Vorteil zu benutzen. Aber im
ganzen ist sein Humor uur die Lichtseite eines tiefen, ja strengen Ernstes; er
bleibt nicht beim harmlosen Spaß, bei der sich selbst genügenden Konnt stehen,
sondern spitzt sich gern zur Satire zu; er will nicht bloß lächerlich machen,
sondern auch strafe», züchtigen. Burmesters in schwerem Lebensgange erworbene
Anschauung von den Menschen neigt gern zum Pessimismus hin. Er betont
sogar mit Nachdruck die angeborne Schlechtigkeit einzelner Menschen, an denen
keine Erziehung etwas besser machen kann, und die sich ihrer Bosheit prahlerisch
bewußt sind. Zwischen seinem Humor und seinem Ernste ist's bei Bnrmcster
zu keiner rechten Ausgleichung gekommen, was einer der Nachteile seines neuesten
Buches ist.") Seine Erzählungen sind daher eigentliche Dorfgeschichten im Sinne
der süddeutschen Literatur, und der „Hans Höltig" ist auch eine solche nach der
Seite ihrer Schwächen, nämlich dem immer wiederkehrenden Motive von dem hart¬
köpfigen Bcmcrnvater, der die Heirat seiner Tochter mit dem Grvßknecht seines
Hofes nicht zugeben will, obgleich dieser Großknecht die schönsten Tugenden in
sich vereinigt, und von dem Unglück, welches dieses altbäuerischc Stcmdes-
vvrurteil immerfort anrichtet. Auch in Fritz Lenings „Dree Wichuachteu" kommt
dieses Motiv vor. Vurmester hat es in seiner Erzählung mit andern, an Auer-
bachs „Sträflinge" und ihre Tendenz erinnernden Motiven verbunden, die ihm
Gelegenheit zu einigen satirischen Bildern gaben. Wie er in „Harten Lema"
die Leiden des Dorfschnlmcisters (und zwar hier mit der gesteigerten und
poetisch wirksameren Bitterkeit der eignen Erfahrung) darstellte, so scitirisirt er
in seiner neuesten Erzählung die Schwächen der ländlichen Justiz und des
Armenwesens und schildert die Leiden eines Mannes, der schuldlos unter schwerer
Anklage gestanden hat und, obgleich freigesprochen, die Vorurteile seines Heimats-
dvrfes gegen sich hat.
Meisterhaft sind die ersten Kapitel der Erzählung: ländliche Idyllen. Der
Bauer Kraal in Nählstörv sitzt mit seiner Familie um einem Winterabende zu
Hause, raucht gemütlich sein Pfeifchen und will auf allseitige Anforderung
*) Hans Höllig. 'ne Geschieht ut plattdütschen Laun' von Heinrich Bnrmester.
Berlin, Eduard Ratzel.
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