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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Japanische Künste.

geworden war, und die so große Vorzüge vor allen andern Thonarten besitzt;
die chinesische und japanische Dekorationsweise nahmen sie als Zubehör mit in
den Kauf, Wie es jetzt scheint, ist damals wirklich in Venedig und Florenz
das Geheimnis der Porzcllanbereitung ergründet wordeu, vielleicht auch an
andern Orten Italiens; doch verhinderten ungünstige Unistände verschiedner Art
die industrielle Ausbeutung der Entdeckung, sie geriet wieder in Vergessenheit;
aber mit ihr nicht gänzlich der asiatische Stil, dem wir wenigstens in der fran¬
zösischen Faience, einer Tochter der italienischen Majolica, noch hie und da
begegne". nachhaltiger beeinflußte derselbe die Kunstindustrie, als im sieb¬
zehnten Jahrhundert dis Faiencefabrikation zu Delft emporblühte und allgemeine
Nachahmung fand. Die Holländer nannten wohl ihr Steingut Porzellan, rich¬
teten jedoch ihr Absehen weniger ans den harten und transparenten Scherben,
als vielmehr ans eine porzellnnähnliche Glasur; zugleich entlehnten sie den Ost¬
asiaten Gesäßformen und Dekor. Und zwar ist es -- wie bei deren Handels¬
verbindungen erklärlich -- Japan, an welches uns die schönsten Deister Er¬
zeugnisse gemahnen, auch wenn die Onginalmvtive in das Niederländische übersetzt,
die Gefäßformen dem Zwecke angepaßt, die landschaftlichen Szenerien und die
Menschenthpen von Nippon durch holländische Küstenbilocr mit Windmühlen
und Mijnheers ersetzt sind.

Und nun brach im achtzehnten Jahrhundert die allgemeine Porzellansucht
herein, wie man sagen könnte, nun kam die Mode der chinesischen und japa¬
nischen Tapeten, der Pagoden und Figin'chen, der chinesischen Tempelchen und
Brücken n. s. w., um entwickelte sich, unverkennbar unter dein Einflüsse dieser
Mode, der Stil des Rokoko, der als eine Verschmelzung der letzten Traditionen
der Renaissance mit der asiatischen unsymmetrischen Arabeske angesehen werden
kann. Das wird uns recht deutlich, wen" wir bei dem Durchwandern eines
der vielen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erbauten oder doch
im Innern dekorirten Schlösser plötzlich ein Porzellanzimmer oder ein chinesisch-
japanisches Kabinet betreten: da ist es, als ob wohl eine neue Melodie an¬
höbe, der Charakter des Mnsikstückes aber derselbe bliebe.

Die Unduldsamkeit, welche wenigstens in unsrer Zeit jede Stilperiode gegen
die zunächst vorhergegangenen walten läßt, hat lange genug alles, was das
vorige Jahrhundert geschaffen hatte, mit Acht und Bann belegt. Demgemäß
wollten wir am Rokvkostil anch das nicht gelten lassen, worin er einen un¬
widerstehlichen Reiz ausübt, und der Ausdruck Chinoiserie wurde mit verächt¬
licher Betonung auf alles angewandt, was ostasiatische Herkunft verriet.

Das ist, wie wir wissen, hente ganz anders geworden. Man bewundert
die japanischen Erzeugnisse, man sammelt sie und ahmt sie nach, und die Fran¬
zosen haben schon ein neues Wort für die neue Richtung erfunden: j-rxonisms.
>;se diese neue Richtung um wirklich, wie manche meinen, nichts andres als
eine Laune? Doch kaum. Und wenn sie in der That vorübergehen sollte wie


Japanische Künste.

geworden war, und die so große Vorzüge vor allen andern Thonarten besitzt;
die chinesische und japanische Dekorationsweise nahmen sie als Zubehör mit in
den Kauf, Wie es jetzt scheint, ist damals wirklich in Venedig und Florenz
das Geheimnis der Porzcllanbereitung ergründet wordeu, vielleicht auch an
andern Orten Italiens; doch verhinderten ungünstige Unistände verschiedner Art
die industrielle Ausbeutung der Entdeckung, sie geriet wieder in Vergessenheit;
aber mit ihr nicht gänzlich der asiatische Stil, dem wir wenigstens in der fran¬
zösischen Faience, einer Tochter der italienischen Majolica, noch hie und da
begegne». nachhaltiger beeinflußte derselbe die Kunstindustrie, als im sieb¬
zehnten Jahrhundert dis Faiencefabrikation zu Delft emporblühte und allgemeine
Nachahmung fand. Die Holländer nannten wohl ihr Steingut Porzellan, rich¬
teten jedoch ihr Absehen weniger ans den harten und transparenten Scherben,
als vielmehr ans eine porzellnnähnliche Glasur; zugleich entlehnten sie den Ost¬
asiaten Gesäßformen und Dekor. Und zwar ist es — wie bei deren Handels¬
verbindungen erklärlich — Japan, an welches uns die schönsten Deister Er¬
zeugnisse gemahnen, auch wenn die Onginalmvtive in das Niederländische übersetzt,
die Gefäßformen dem Zwecke angepaßt, die landschaftlichen Szenerien und die
Menschenthpen von Nippon durch holländische Küstenbilocr mit Windmühlen
und Mijnheers ersetzt sind.

Und nun brach im achtzehnten Jahrhundert die allgemeine Porzellansucht
herein, wie man sagen könnte, nun kam die Mode der chinesischen und japa¬
nischen Tapeten, der Pagoden und Figin'chen, der chinesischen Tempelchen und
Brücken n. s. w., um entwickelte sich, unverkennbar unter dein Einflüsse dieser
Mode, der Stil des Rokoko, der als eine Verschmelzung der letzten Traditionen
der Renaissance mit der asiatischen unsymmetrischen Arabeske angesehen werden
kann. Das wird uns recht deutlich, wen» wir bei dem Durchwandern eines
der vielen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erbauten oder doch
im Innern dekorirten Schlösser plötzlich ein Porzellanzimmer oder ein chinesisch-
japanisches Kabinet betreten: da ist es, als ob wohl eine neue Melodie an¬
höbe, der Charakter des Mnsikstückes aber derselbe bliebe.

Die Unduldsamkeit, welche wenigstens in unsrer Zeit jede Stilperiode gegen
die zunächst vorhergegangenen walten läßt, hat lange genug alles, was das
vorige Jahrhundert geschaffen hatte, mit Acht und Bann belegt. Demgemäß
wollten wir am Rokvkostil anch das nicht gelten lassen, worin er einen un¬
widerstehlichen Reiz ausübt, und der Ausdruck Chinoiserie wurde mit verächt¬
licher Betonung auf alles angewandt, was ostasiatische Herkunft verriet.

Das ist, wie wir wissen, hente ganz anders geworden. Man bewundert
die japanischen Erzeugnisse, man sammelt sie und ahmt sie nach, und die Fran¬
zosen haben schon ein neues Wort für die neue Richtung erfunden: j-rxonisms.
>;se diese neue Richtung um wirklich, wie manche meinen, nichts andres als
eine Laune? Doch kaum. Und wenn sie in der That vorübergehen sollte wie


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[0371] Japanische Künste. geworden war, und die so große Vorzüge vor allen andern Thonarten besitzt; die chinesische und japanische Dekorationsweise nahmen sie als Zubehör mit in den Kauf, Wie es jetzt scheint, ist damals wirklich in Venedig und Florenz das Geheimnis der Porzcllanbereitung ergründet wordeu, vielleicht auch an andern Orten Italiens; doch verhinderten ungünstige Unistände verschiedner Art die industrielle Ausbeutung der Entdeckung, sie geriet wieder in Vergessenheit; aber mit ihr nicht gänzlich der asiatische Stil, dem wir wenigstens in der fran¬ zösischen Faience, einer Tochter der italienischen Majolica, noch hie und da begegne». nachhaltiger beeinflußte derselbe die Kunstindustrie, als im sieb¬ zehnten Jahrhundert dis Faiencefabrikation zu Delft emporblühte und allgemeine Nachahmung fand. Die Holländer nannten wohl ihr Steingut Porzellan, rich¬ teten jedoch ihr Absehen weniger ans den harten und transparenten Scherben, als vielmehr ans eine porzellnnähnliche Glasur; zugleich entlehnten sie den Ost¬ asiaten Gesäßformen und Dekor. Und zwar ist es — wie bei deren Handels¬ verbindungen erklärlich — Japan, an welches uns die schönsten Deister Er¬ zeugnisse gemahnen, auch wenn die Onginalmvtive in das Niederländische übersetzt, die Gefäßformen dem Zwecke angepaßt, die landschaftlichen Szenerien und die Menschenthpen von Nippon durch holländische Küstenbilocr mit Windmühlen und Mijnheers ersetzt sind. Und nun brach im achtzehnten Jahrhundert die allgemeine Porzellansucht herein, wie man sagen könnte, nun kam die Mode der chinesischen und japa¬ nischen Tapeten, der Pagoden und Figin'chen, der chinesischen Tempelchen und Brücken n. s. w., um entwickelte sich, unverkennbar unter dein Einflüsse dieser Mode, der Stil des Rokoko, der als eine Verschmelzung der letzten Traditionen der Renaissance mit der asiatischen unsymmetrischen Arabeske angesehen werden kann. Das wird uns recht deutlich, wen» wir bei dem Durchwandern eines der vielen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erbauten oder doch im Innern dekorirten Schlösser plötzlich ein Porzellanzimmer oder ein chinesisch- japanisches Kabinet betreten: da ist es, als ob wohl eine neue Melodie an¬ höbe, der Charakter des Mnsikstückes aber derselbe bliebe. Die Unduldsamkeit, welche wenigstens in unsrer Zeit jede Stilperiode gegen die zunächst vorhergegangenen walten läßt, hat lange genug alles, was das vorige Jahrhundert geschaffen hatte, mit Acht und Bann belegt. Demgemäß wollten wir am Rokvkostil anch das nicht gelten lassen, worin er einen un¬ widerstehlichen Reiz ausübt, und der Ausdruck Chinoiserie wurde mit verächt¬ licher Betonung auf alles angewandt, was ostasiatische Herkunft verriet. Das ist, wie wir wissen, hente ganz anders geworden. Man bewundert die japanischen Erzeugnisse, man sammelt sie und ahmt sie nach, und die Fran¬ zosen haben schon ein neues Wort für die neue Richtung erfunden: j-rxonisms. >;se diese neue Richtung um wirklich, wie manche meinen, nichts andres als eine Laune? Doch kaum. Und wenn sie in der That vorübergehen sollte wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/371>, abgerufen am 05.02.2025.