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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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eine Tagesmode, so würde sie auch diesmal dauernde Spuren hinterlassen; denn
darüber können wir uns nicht täuschen, der jaxoni-zniö hat bereits einen Um--
schwung in unsern ästhetischen Ansichten zuwege gebracht,

Fragen wir uns zuvörderst, weshalb gegenwärtig die japanischen Arbeiten
ein so großes und allgemeines Interesse erregen, da sie ihrem Wesen nach nicht
etwas völlig neues sür uns sind, und auch das Porzellan an sich uicht mehr
etwas wunderbares ist, so dürfen wir als einen Grund wohl die Gewöhnung
unsrer Generation bezeichnen, auf technische Prozeduren zu achten, bei den
Dingen, die uns durch Schönheit fesseln, darnach zu forschen, wie sie gemacht
worden sind. Und die japanischen Kunstarbeiten gaben -und geben uns noch in
dieser Beziehung gar viele Rätsel auf. Dann aber ist im Laufe der letzten
Jahrzehnte unsre Kenntnis der japanischen Industrien und des japanischen
Stils viel umfassender und gründlicher geworden und hat manches Borurteil
hinweggeräumt. Nußer ihrem Porzellan kannte man früher vornehmlich noch
Lack und Papiertapeten, und dabei wurde zwischen chinesisch und japanisch
kaum ein Unterschied gemacht, was niemand zu verargen war. Denn nachdem
wir gelernt haben, daß beide Völker sich in allen Dingen sehr wesentlich
unterscheiden, merken wir bei noch genauerer Bekanntschaft, daß es mitunter doch
sehr schwer sällt, gewisse ostasiatische Erzeugnisse, z. B. alte Porzellane, dem
einen oder dem andern Volke zuzuschreiben. Den japanischen Lack hatten alle
europäischen Völker nachgemacht; gänzlich ohne Aussicht auf Erfolg, da sie von
der irrigen Meinung ausgingen, die noch vor etwa fünfzehn Jahren in einer
französischen technologischen Encyklopädie ausgesprochen wurde, daß durch die
Mischung verschiedner Harze und Farbstoffe bei dem richtigen Wärmegrade der
japanische Lack überall hergestellt werden könne. Jetzt wissen wir das besser.
Zuerst müßte" wir die Baumarten (Uhus) bei uns akklimatisiren, deren seist,
aufs umständlichste und sorgfältigste geläutert, teils den berusteinfarbigen, an
der Luft bald braun und schwarz werdenden, teils den farblosen, aber Farbestoffe
aufnehmenden Firniß liefern. Dann müßten wir Arbeiter haben, welche mit
der unerschöpflichen Geduld und der peinlichen Genauigkeit das oftmalige Auf¬
tragen, das langsame Trocknen, das Schleifen des Lackes, das Bemalen mit
Goldlack, das Auflegen und Ciseliren der Reliefs u. s. w. besorgten. Und nach
Erfüllung dieser Vorbedingungen würde bei unsern Arbeitslöhnen die lackirte
Waare vermutlich zehnmal so teuer kommen als die eingeführte japanische. Wie
weit man es bei uns in der Nachahmung bringen kann, haben die Holländer
gezeigt, und doch werden ihre lackirten Möbel und Teller von keinem Menschen,
der echte Arbeit gesehen hat, für japanisch gehalten werden.

Von aller vstastatischcn Malerei hegten wir eine sehr geringe Meinung.
Jene wunderlichen Völker kannten ja, wie wir ganz genau wußten, noch uicht
einmal die Perspektive, sie wandten mit Vorliebe "schreiende" Farben an, und
auf ihren gemalten Tapeten, orncunentirteu Geweben, Stickereien, Porzellan-


eine Tagesmode, so würde sie auch diesmal dauernde Spuren hinterlassen; denn
darüber können wir uns nicht täuschen, der jaxoni-zniö hat bereits einen Um--
schwung in unsern ästhetischen Ansichten zuwege gebracht,

Fragen wir uns zuvörderst, weshalb gegenwärtig die japanischen Arbeiten
ein so großes und allgemeines Interesse erregen, da sie ihrem Wesen nach nicht
etwas völlig neues sür uns sind, und auch das Porzellan an sich uicht mehr
etwas wunderbares ist, so dürfen wir als einen Grund wohl die Gewöhnung
unsrer Generation bezeichnen, auf technische Prozeduren zu achten, bei den
Dingen, die uns durch Schönheit fesseln, darnach zu forschen, wie sie gemacht
worden sind. Und die japanischen Kunstarbeiten gaben -und geben uns noch in
dieser Beziehung gar viele Rätsel auf. Dann aber ist im Laufe der letzten
Jahrzehnte unsre Kenntnis der japanischen Industrien und des japanischen
Stils viel umfassender und gründlicher geworden und hat manches Borurteil
hinweggeräumt. Nußer ihrem Porzellan kannte man früher vornehmlich noch
Lack und Papiertapeten, und dabei wurde zwischen chinesisch und japanisch
kaum ein Unterschied gemacht, was niemand zu verargen war. Denn nachdem
wir gelernt haben, daß beide Völker sich in allen Dingen sehr wesentlich
unterscheiden, merken wir bei noch genauerer Bekanntschaft, daß es mitunter doch
sehr schwer sällt, gewisse ostasiatische Erzeugnisse, z. B. alte Porzellane, dem
einen oder dem andern Volke zuzuschreiben. Den japanischen Lack hatten alle
europäischen Völker nachgemacht; gänzlich ohne Aussicht auf Erfolg, da sie von
der irrigen Meinung ausgingen, die noch vor etwa fünfzehn Jahren in einer
französischen technologischen Encyklopädie ausgesprochen wurde, daß durch die
Mischung verschiedner Harze und Farbstoffe bei dem richtigen Wärmegrade der
japanische Lack überall hergestellt werden könne. Jetzt wissen wir das besser.
Zuerst müßte» wir die Baumarten (Uhus) bei uns akklimatisiren, deren seist,
aufs umständlichste und sorgfältigste geläutert, teils den berusteinfarbigen, an
der Luft bald braun und schwarz werdenden, teils den farblosen, aber Farbestoffe
aufnehmenden Firniß liefern. Dann müßten wir Arbeiter haben, welche mit
der unerschöpflichen Geduld und der peinlichen Genauigkeit das oftmalige Auf¬
tragen, das langsame Trocknen, das Schleifen des Lackes, das Bemalen mit
Goldlack, das Auflegen und Ciseliren der Reliefs u. s. w. besorgten. Und nach
Erfüllung dieser Vorbedingungen würde bei unsern Arbeitslöhnen die lackirte
Waare vermutlich zehnmal so teuer kommen als die eingeführte japanische. Wie
weit man es bei uns in der Nachahmung bringen kann, haben die Holländer
gezeigt, und doch werden ihre lackirten Möbel und Teller von keinem Menschen,
der echte Arbeit gesehen hat, für japanisch gehalten werden.

Von aller vstastatischcn Malerei hegten wir eine sehr geringe Meinung.
Jene wunderlichen Völker kannten ja, wie wir ganz genau wußten, noch uicht
einmal die Perspektive, sie wandten mit Vorliebe „schreiende" Farben an, und
auf ihren gemalten Tapeten, orncunentirteu Geweben, Stickereien, Porzellan-


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[0372] eine Tagesmode, so würde sie auch diesmal dauernde Spuren hinterlassen; denn darüber können wir uns nicht täuschen, der jaxoni-zniö hat bereits einen Um-- schwung in unsern ästhetischen Ansichten zuwege gebracht, Fragen wir uns zuvörderst, weshalb gegenwärtig die japanischen Arbeiten ein so großes und allgemeines Interesse erregen, da sie ihrem Wesen nach nicht etwas völlig neues sür uns sind, und auch das Porzellan an sich uicht mehr etwas wunderbares ist, so dürfen wir als einen Grund wohl die Gewöhnung unsrer Generation bezeichnen, auf technische Prozeduren zu achten, bei den Dingen, die uns durch Schönheit fesseln, darnach zu forschen, wie sie gemacht worden sind. Und die japanischen Kunstarbeiten gaben -und geben uns noch in dieser Beziehung gar viele Rätsel auf. Dann aber ist im Laufe der letzten Jahrzehnte unsre Kenntnis der japanischen Industrien und des japanischen Stils viel umfassender und gründlicher geworden und hat manches Borurteil hinweggeräumt. Nußer ihrem Porzellan kannte man früher vornehmlich noch Lack und Papiertapeten, und dabei wurde zwischen chinesisch und japanisch kaum ein Unterschied gemacht, was niemand zu verargen war. Denn nachdem wir gelernt haben, daß beide Völker sich in allen Dingen sehr wesentlich unterscheiden, merken wir bei noch genauerer Bekanntschaft, daß es mitunter doch sehr schwer sällt, gewisse ostasiatische Erzeugnisse, z. B. alte Porzellane, dem einen oder dem andern Volke zuzuschreiben. Den japanischen Lack hatten alle europäischen Völker nachgemacht; gänzlich ohne Aussicht auf Erfolg, da sie von der irrigen Meinung ausgingen, die noch vor etwa fünfzehn Jahren in einer französischen technologischen Encyklopädie ausgesprochen wurde, daß durch die Mischung verschiedner Harze und Farbstoffe bei dem richtigen Wärmegrade der japanische Lack überall hergestellt werden könne. Jetzt wissen wir das besser. Zuerst müßte» wir die Baumarten (Uhus) bei uns akklimatisiren, deren seist, aufs umständlichste und sorgfältigste geläutert, teils den berusteinfarbigen, an der Luft bald braun und schwarz werdenden, teils den farblosen, aber Farbestoffe aufnehmenden Firniß liefern. Dann müßten wir Arbeiter haben, welche mit der unerschöpflichen Geduld und der peinlichen Genauigkeit das oftmalige Auf¬ tragen, das langsame Trocknen, das Schleifen des Lackes, das Bemalen mit Goldlack, das Auflegen und Ciseliren der Reliefs u. s. w. besorgten. Und nach Erfüllung dieser Vorbedingungen würde bei unsern Arbeitslöhnen die lackirte Waare vermutlich zehnmal so teuer kommen als die eingeführte japanische. Wie weit man es bei uns in der Nachahmung bringen kann, haben die Holländer gezeigt, und doch werden ihre lackirten Möbel und Teller von keinem Menschen, der echte Arbeit gesehen hat, für japanisch gehalten werden. Von aller vstastatischcn Malerei hegten wir eine sehr geringe Meinung. Jene wunderlichen Völker kannten ja, wie wir ganz genau wußten, noch uicht einmal die Perspektive, sie wandten mit Vorliebe „schreiende" Farben an, und auf ihren gemalten Tapeten, orncunentirteu Geweben, Stickereien, Porzellan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/372>, abgerufen am 05.02.2025.