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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Japanische Künste.

Schiffern und Kaufleuten gefolgt waren, Einsprache im Namen der Religion.
Doch da sie die Frage des Mikado, auf wie vielerlei Art das höchste Wesen in
seinem Reiche verehrt werde, dahin beantwortet hatten: auf fünfunddreißig
Arten, entschied er, daß dann auch die sechsunddreißigste leinen Schaden thun
werde. Das Christentum verbreitete sich nun rasch, nach vierzig Jahren soll
es bereits 200 000 Bekenner gezählt haben, und der Verkehr mit Europa ge¬
staltete sich so lebhaft, daß die Ausfuhr, besonders an Gold, im Jahresdurchschnitt
auf mehr als hundert Millionen holländischer Gulden geschätzt wurde. Aber
die Propaganda muß sich nicht ausschließlich der friedlichen Mittel der Lehre
und des Beispiels bedient und die Kaufleute müssen die gewahrte Freiheit mi߬
braucht haben. Dies beweisen die vier Fragen, welche im Jahre 1587 von
Amtswegen dem portugiesischen Provinzial vorgelegt wurden: weshalb den
Japanern der christliche Glaube aufgezwungen werden solle, weshalb die Jesuiten
zur Zerstörung der buddhistischen Tempel aufsetzten, weshalb sie die Bonzen
lästerten und verfolgten, endlich weshalb die Christen Eingeborne raubten und
als Sklave" verkauften. Diese Anklagen zu entkräften, gelang dein Provinzial
nicht, und nun erfolgte das Dekret, welches im Interesse der Ruhe und Ordnung
die Bekenner des christlichen Glaubens des Landes verwies. Sonach haben
die Portugiesen in Japan nicht zurückgestanden gegen die Spanier in Amerika,
was fanatischen Glaubenseifer, Grausamkeit und Habsucht betrifft; nur stießen
sie auf ein widerstandsfähigeres Volk, eilt fester gefügtes Staatswesen und eine
energischere Negierung. Und es liegt sogar ein Zug von Humor in dem Falle.
Die Portugiesen scheinen nämlich, um sich der Konkurrenz der holländischen
Kaufleute zu entledigen, in Japan die Vorstellung verbreitet zu haben, die
Holländer als Protestanten seien gar keine Christen. Dies wird, nach der er¬
wähnten Äußerung des Mikado zu urteilen, den Machthabern vorläufig ziemlich
gleichgiltig gewesen sein; als jedoch die Austreibung der Christen beschlossen
war, begründete es eine Ausnahme für die Holländer, die denn auch dritte-
halb Jahrhunderte hindurch die einzig geduldeten Fremden im Lande blieben,
allerdings stets mit dein äußersten Mißtrauen beobachtet. Wiederholte Versuche
der Engländer, festen Fuß zu fassen, blieben erfolglos.

Genug, als zu Anfang der fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts die Nord-
amerikaner die Öffnung einiger Häfen erzwungen und andre große Staaten rasch
ihrem Beispiele folgten, waren wir über die Geographie, die Verfassung, die
Erzeugnisse des Landes kaum besser unterrichtet als die Jesuiten-Missionäre im
sechzehnten Jahrhundert. Und trotzdem hatte der Kunststil der Japaner schon
dreimal auf die Geschmacksrichtung in Europa mächtig eingewirkt, im sechzehnten,
im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert, Dies geschah jedesmal durch das
Porzellan. Im sechzehnten waren es die Italiener, welche sich bemühte", Ge¬
fäße aus derselben Masse herzustellen, die ihnen zuerst auf dem Landwege über
Indien durch die Araber, dann auf dem Seewege durch die Portugiese" bekannt


Japanische Künste.

Schiffern und Kaufleuten gefolgt waren, Einsprache im Namen der Religion.
Doch da sie die Frage des Mikado, auf wie vielerlei Art das höchste Wesen in
seinem Reiche verehrt werde, dahin beantwortet hatten: auf fünfunddreißig
Arten, entschied er, daß dann auch die sechsunddreißigste leinen Schaden thun
werde. Das Christentum verbreitete sich nun rasch, nach vierzig Jahren soll
es bereits 200 000 Bekenner gezählt haben, und der Verkehr mit Europa ge¬
staltete sich so lebhaft, daß die Ausfuhr, besonders an Gold, im Jahresdurchschnitt
auf mehr als hundert Millionen holländischer Gulden geschätzt wurde. Aber
die Propaganda muß sich nicht ausschließlich der friedlichen Mittel der Lehre
und des Beispiels bedient und die Kaufleute müssen die gewahrte Freiheit mi߬
braucht haben. Dies beweisen die vier Fragen, welche im Jahre 1587 von
Amtswegen dem portugiesischen Provinzial vorgelegt wurden: weshalb den
Japanern der christliche Glaube aufgezwungen werden solle, weshalb die Jesuiten
zur Zerstörung der buddhistischen Tempel aufsetzten, weshalb sie die Bonzen
lästerten und verfolgten, endlich weshalb die Christen Eingeborne raubten und
als Sklave» verkauften. Diese Anklagen zu entkräften, gelang dein Provinzial
nicht, und nun erfolgte das Dekret, welches im Interesse der Ruhe und Ordnung
die Bekenner des christlichen Glaubens des Landes verwies. Sonach haben
die Portugiesen in Japan nicht zurückgestanden gegen die Spanier in Amerika,
was fanatischen Glaubenseifer, Grausamkeit und Habsucht betrifft; nur stießen
sie auf ein widerstandsfähigeres Volk, eilt fester gefügtes Staatswesen und eine
energischere Negierung. Und es liegt sogar ein Zug von Humor in dem Falle.
Die Portugiesen scheinen nämlich, um sich der Konkurrenz der holländischen
Kaufleute zu entledigen, in Japan die Vorstellung verbreitet zu haben, die
Holländer als Protestanten seien gar keine Christen. Dies wird, nach der er¬
wähnten Äußerung des Mikado zu urteilen, den Machthabern vorläufig ziemlich
gleichgiltig gewesen sein; als jedoch die Austreibung der Christen beschlossen
war, begründete es eine Ausnahme für die Holländer, die denn auch dritte-
halb Jahrhunderte hindurch die einzig geduldeten Fremden im Lande blieben,
allerdings stets mit dein äußersten Mißtrauen beobachtet. Wiederholte Versuche
der Engländer, festen Fuß zu fassen, blieben erfolglos.

Genug, als zu Anfang der fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts die Nord-
amerikaner die Öffnung einiger Häfen erzwungen und andre große Staaten rasch
ihrem Beispiele folgten, waren wir über die Geographie, die Verfassung, die
Erzeugnisse des Landes kaum besser unterrichtet als die Jesuiten-Missionäre im
sechzehnten Jahrhundert. Und trotzdem hatte der Kunststil der Japaner schon
dreimal auf die Geschmacksrichtung in Europa mächtig eingewirkt, im sechzehnten,
im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert, Dies geschah jedesmal durch das
Porzellan. Im sechzehnten waren es die Italiener, welche sich bemühte», Ge¬
fäße aus derselben Masse herzustellen, die ihnen zuerst auf dem Landwege über
Indien durch die Araber, dann auf dem Seewege durch die Portugiese» bekannt


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[0370] Japanische Künste. Schiffern und Kaufleuten gefolgt waren, Einsprache im Namen der Religion. Doch da sie die Frage des Mikado, auf wie vielerlei Art das höchste Wesen in seinem Reiche verehrt werde, dahin beantwortet hatten: auf fünfunddreißig Arten, entschied er, daß dann auch die sechsunddreißigste leinen Schaden thun werde. Das Christentum verbreitete sich nun rasch, nach vierzig Jahren soll es bereits 200 000 Bekenner gezählt haben, und der Verkehr mit Europa ge¬ staltete sich so lebhaft, daß die Ausfuhr, besonders an Gold, im Jahresdurchschnitt auf mehr als hundert Millionen holländischer Gulden geschätzt wurde. Aber die Propaganda muß sich nicht ausschließlich der friedlichen Mittel der Lehre und des Beispiels bedient und die Kaufleute müssen die gewahrte Freiheit mi߬ braucht haben. Dies beweisen die vier Fragen, welche im Jahre 1587 von Amtswegen dem portugiesischen Provinzial vorgelegt wurden: weshalb den Japanern der christliche Glaube aufgezwungen werden solle, weshalb die Jesuiten zur Zerstörung der buddhistischen Tempel aufsetzten, weshalb sie die Bonzen lästerten und verfolgten, endlich weshalb die Christen Eingeborne raubten und als Sklave» verkauften. Diese Anklagen zu entkräften, gelang dein Provinzial nicht, und nun erfolgte das Dekret, welches im Interesse der Ruhe und Ordnung die Bekenner des christlichen Glaubens des Landes verwies. Sonach haben die Portugiesen in Japan nicht zurückgestanden gegen die Spanier in Amerika, was fanatischen Glaubenseifer, Grausamkeit und Habsucht betrifft; nur stießen sie auf ein widerstandsfähigeres Volk, eilt fester gefügtes Staatswesen und eine energischere Negierung. Und es liegt sogar ein Zug von Humor in dem Falle. Die Portugiesen scheinen nämlich, um sich der Konkurrenz der holländischen Kaufleute zu entledigen, in Japan die Vorstellung verbreitet zu haben, die Holländer als Protestanten seien gar keine Christen. Dies wird, nach der er¬ wähnten Äußerung des Mikado zu urteilen, den Machthabern vorläufig ziemlich gleichgiltig gewesen sein; als jedoch die Austreibung der Christen beschlossen war, begründete es eine Ausnahme für die Holländer, die denn auch dritte- halb Jahrhunderte hindurch die einzig geduldeten Fremden im Lande blieben, allerdings stets mit dein äußersten Mißtrauen beobachtet. Wiederholte Versuche der Engländer, festen Fuß zu fassen, blieben erfolglos. Genug, als zu Anfang der fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts die Nord- amerikaner die Öffnung einiger Häfen erzwungen und andre große Staaten rasch ihrem Beispiele folgten, waren wir über die Geographie, die Verfassung, die Erzeugnisse des Landes kaum besser unterrichtet als die Jesuiten-Missionäre im sechzehnten Jahrhundert. Und trotzdem hatte der Kunststil der Japaner schon dreimal auf die Geschmacksrichtung in Europa mächtig eingewirkt, im sechzehnten, im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert, Dies geschah jedesmal durch das Porzellan. Im sechzehnten waren es die Italiener, welche sich bemühte», Ge¬ fäße aus derselben Masse herzustellen, die ihnen zuerst auf dem Landwege über Indien durch die Araber, dann auf dem Seewege durch die Portugiese» bekannt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/370>, abgerufen am 05.02.2025.