Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Wesens wohl bekannt und denken genauer darüber nach, woher die jedesmaligen Die landwirtschaftlichen Kreise dagegen klagen bei uns vielfach die Münz¬ Wenn man sagt, die niedrigen Getreidepreise, an denen die Landwirtschaft Auch ist die Quantität des Geldes in den Ländern so ungleich verteilt, Wesens wohl bekannt und denken genauer darüber nach, woher die jedesmaligen Die landwirtschaftlichen Kreise dagegen klagen bei uns vielfach die Münz¬ Wenn man sagt, die niedrigen Getreidepreise, an denen die Landwirtschaft Auch ist die Quantität des Geldes in den Ländern so ungleich verteilt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197774"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1026" prev="#ID_1025"> Wesens wohl bekannt und denken genauer darüber nach, woher die jedesmaligen<lb/> Schwierigkeiten ihrer wirtschaftlichen Lage entspringen, und wie sie sich aus der<lb/> Verlegenheit herausziehe» sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1027"> Die landwirtschaftlichen Kreise dagegen klagen bei uns vielfach die Münz¬<lb/> politik der deutschen Regierung an, obgleich der Reichstag damals fast einstimmig<lb/> der Goldwährung zustimmte. Auch die letzte klare Äußerung des preußischen<lb/> Finanzministers ist in den Organen der sogenannten Agrarier mit Bitterkeit<lb/> aufgenommen worden. Fast alle Nöte der Landwirtschaft, die in der That nicht<lb/> zu leugnen sind, sollen nach einigen Agrariern von der Goldwährung, genauer<lb/> von der Silberentwertnng herrühren. Wenn das wahr wäre, so würde man<lb/> in den Negiernngskreisen nichts eiligeres zu thun haben als die Goldwährung<lb/> zu beseitigen. Denn die landwirtschaftliche Bevölkerung ist so zahlreich, ihr Ge¬<lb/> deihen ist dem Ganzen so unentbehrlich, daß sie jedenfalls auf die größte Für¬<lb/> sorge rechnen kann. Aber die Meinung wird eben nicht geteilt, daß die Gold¬<lb/> währung, die an die Stelle der Silberwährnng getreten ist — denn Doppelwährung<lb/> haben wir ja nie gehabt —, die Ursache oder nur eine vermeidbarc wichtige<lb/> Ursache der landwirtschaftlichen Verlegenheiten sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1028"> Wenn man sagt, die niedrigen Getreidepreise, an denen die Landwirtschaft<lb/> trotz der Getreidezölle leidet, kämen daher, daß infolge der Entwertung des<lb/> Silbers zu wenig Geld da sei und dadurch das Geld gegen Waaren seltener,<lb/> daher wertvoller und gesuchter geworden sei, die Waaren dagegen ebendeshalb<lb/> billiger, so ist das zwar eine alte Theorie, die sogenannte Quautitätstheorie,<lb/> aber diese Theorie wird jetzt stark angezweifelt. Und jedenfalls gehört sie nicht<lb/> hierher, weil die behauptete Thatsache nicht vorhanden ist. Der Geldvorrat ist<lb/> weder in Deutschland noch in den Nachbarreichen geringer geworden, sondern<lb/> im Gegenteile gewachsen, und zwar bedeutend. Nach der Angabe eines Gegners<lb/> unsrer Goldwährung liefen in Deutschland im Jahre 1870 nnr 1600 bis<lb/> 1750 Millionen Mark um, jetzt zwischen 3200 bis 3700 Millionen. Nach<lb/> der Quantitätstheorie müßte also der Waarcnpreis ans das Doppelte gestiegen<lb/> sein. Was den gesamten Gvldvorrat betrifft, dessen Schätzung nach den Gold¬<lb/> beständen in den sämtlichen großen Banken und Schatzämtern immer nnr an¬<lb/> näherungsweise geschehen kann, so betrug er nach Soetbecr in seineu „Mate¬<lb/> rialien" von 1876 bis 1884, also in neun aufeinanderfolgenden Jahren, in<lb/> Millionen Mark: 3500, 3450, 3650, 3700, 4000. 4060. 4250, 4830, 4850.<lb/> Das ist also ein Wachstum von 100 auf 138. Also auch hier ist die an¬<lb/> gebliche Thatsache nicht vorhanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1029"> Auch ist die Quantität des Geldes in den Ländern so ungleich verteilt,<lb/> daß die verschiedensten Preise in den verschiednen Ländern herrschen müßten,<lb/> es müßte in dem lateinischen Münzbuude alles dreimal so derer sein, weil dort<lb/> dreimal so viel Geld auf den Kopf kommt als bei uns, in Rußland nur ein<lb/> Drittel mal so derer; aber bekanntlich ist die Sache anders.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
Wesens wohl bekannt und denken genauer darüber nach, woher die jedesmaligen
Schwierigkeiten ihrer wirtschaftlichen Lage entspringen, und wie sie sich aus der
Verlegenheit herausziehe» sollen.
Die landwirtschaftlichen Kreise dagegen klagen bei uns vielfach die Münz¬
politik der deutschen Regierung an, obgleich der Reichstag damals fast einstimmig
der Goldwährung zustimmte. Auch die letzte klare Äußerung des preußischen
Finanzministers ist in den Organen der sogenannten Agrarier mit Bitterkeit
aufgenommen worden. Fast alle Nöte der Landwirtschaft, die in der That nicht
zu leugnen sind, sollen nach einigen Agrariern von der Goldwährung, genauer
von der Silberentwertnng herrühren. Wenn das wahr wäre, so würde man
in den Negiernngskreisen nichts eiligeres zu thun haben als die Goldwährung
zu beseitigen. Denn die landwirtschaftliche Bevölkerung ist so zahlreich, ihr Ge¬
deihen ist dem Ganzen so unentbehrlich, daß sie jedenfalls auf die größte Für¬
sorge rechnen kann. Aber die Meinung wird eben nicht geteilt, daß die Gold¬
währung, die an die Stelle der Silberwährnng getreten ist — denn Doppelwährung
haben wir ja nie gehabt —, die Ursache oder nur eine vermeidbarc wichtige
Ursache der landwirtschaftlichen Verlegenheiten sei.
Wenn man sagt, die niedrigen Getreidepreise, an denen die Landwirtschaft
trotz der Getreidezölle leidet, kämen daher, daß infolge der Entwertung des
Silbers zu wenig Geld da sei und dadurch das Geld gegen Waaren seltener,
daher wertvoller und gesuchter geworden sei, die Waaren dagegen ebendeshalb
billiger, so ist das zwar eine alte Theorie, die sogenannte Quautitätstheorie,
aber diese Theorie wird jetzt stark angezweifelt. Und jedenfalls gehört sie nicht
hierher, weil die behauptete Thatsache nicht vorhanden ist. Der Geldvorrat ist
weder in Deutschland noch in den Nachbarreichen geringer geworden, sondern
im Gegenteile gewachsen, und zwar bedeutend. Nach der Angabe eines Gegners
unsrer Goldwährung liefen in Deutschland im Jahre 1870 nnr 1600 bis
1750 Millionen Mark um, jetzt zwischen 3200 bis 3700 Millionen. Nach
der Quantitätstheorie müßte also der Waarcnpreis ans das Doppelte gestiegen
sein. Was den gesamten Gvldvorrat betrifft, dessen Schätzung nach den Gold¬
beständen in den sämtlichen großen Banken und Schatzämtern immer nnr an¬
näherungsweise geschehen kann, so betrug er nach Soetbecr in seineu „Mate¬
rialien" von 1876 bis 1884, also in neun aufeinanderfolgenden Jahren, in
Millionen Mark: 3500, 3450, 3650, 3700, 4000. 4060. 4250, 4830, 4850.
Das ist also ein Wachstum von 100 auf 138. Also auch hier ist die an¬
gebliche Thatsache nicht vorhanden.
Auch ist die Quantität des Geldes in den Ländern so ungleich verteilt,
daß die verschiedensten Preise in den verschiednen Ländern herrschen müßten,
es müßte in dem lateinischen Münzbuude alles dreimal so derer sein, weil dort
dreimal so viel Geld auf den Kopf kommt als bei uns, in Rußland nur ein
Drittel mal so derer; aber bekanntlich ist die Sache anders.
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