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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Zur Währungsfrage.

frei hält, sondern sich, wie Soetbeer will, streng auf die Währungsfrage be¬
schränkt.

Wenn nnn mich Bambergers Kritik des so großartig gedachten lateinischen
Mnnzbnndes nicht alles trifft, was für einen universellen Doppelwährnngslumd
gesagt werde" kann, so ist, wie gesagt, doch für jeden praktischen Mann dieser
Bund ohne England ganz unannehmbar. Und wie jede pessimistische Stimmung
dem praktischen Kopfe fern bleiben soll, so ist auch ans der pessimistischen Ver¬
bitterung der Doppelwährnugsführer, die sie besonders seit einigen Jahren an
den Tag legen, etwas zu lernen. Dahin gehört anch die Hoffnung, die Ver¬
einigten Staaten möchten die bekannte Blcmdbill, welche gebietet, monatlich
wenigstens zwei Millionen Dollars in Silber zu prägen, und welche dadurch
den tiefsten Absturz des Silberwertcs verhindert hat, demnächst aufheben. Das
Elend der Silbercutwertnng soll so extrem werden, daß die erschreckte Kultur-
welt in dem allgemeine" Doppelwährungssystem den letzten Rettungsanker finden
müsse. Über die Methode läßt sich manches sagen. Beiläufig scheint man in
Amerika die Dollars, die das dortige Publikum weniger liebt als das Papier¬
geld, noch weiterhin prägen zu wollen.

Wir werden für die Praxis darein festhalten, daß, wenn die wiederholten,
von Amerika und Frankreich ans angeregten Kongresse zur Herstellung einer
Weltdoppelwährung, obwohl alle großen Mächte der Anregung wohlwollend
entgegenkamen, so ganz ergebnislos verlaufen sind, unüberwindliche Schwierig¬
keiten vorliegen. Der preußische Finanzminister, Herr von Scholz, hat dafür
auch den Grund entdeckt. Er sieht ihn eben in der Vorliebe des Weltmarktes
für das Gold, die sich nicht durch Gesetze unterdrücken läßt. Herr von Scholz
sagt ganz richtig, es sei mit Ausnahme von England, Portugal und Skandi¬
navien allen Nationen gestattet, wenn nicht besondre Vertrüge im Wege stehen,
auch jetzt noch die internationalen Forderungen in Silber zu bezahlen. Warum
thun sie es nicht? "Ans Furcht vor den sehr unangenehmen Folgen im allge¬
meinen Kredit, in der allgemeinen Wertschätzung ihrer Obligos auf dem Welt¬
markte. . . . Der natürliche Zwang der allgemeinen Überzeugung ist stärker als
ein Vertrag." Gewiß, wenn Frankreich oder die deutsche Neichsbank versuchen
wollten, ihre Wechsel in Silber zu zahlen, so würde ein Sinken der Kurse die
unfehlbare Strafe dafür sein. Ob diese Lage der Sache schön ist, ob die Macht
des Börsen- und Großkapitals, die Abhängigkeit des Staates von demselben
nicht auch eine beklagenswerte Seite an sich hat, ist jetzt nicht zu erörtern. Aber
die Thatsache ist vorhanden, und es ist thöricht, sie zu verkennen. Der Herr Mi¬
nister hat sich das Verdienst erworben, die Stellung der Regierung, man kaun
wohl sagen auch die der im Reiche einflußreichsten Männer, klardarzulegen und
die Meinung zu entkräfte", als hätte die Doppelwährung die besten Aussichten.

Die großen Industriellen vertreten meist bei uns dieselben Ansichten wie
der Minister. Sie sind mit der Weltmacht des englischen Handels- und Bank-


Zur Währungsfrage.

frei hält, sondern sich, wie Soetbeer will, streng auf die Währungsfrage be¬
schränkt.

Wenn nnn mich Bambergers Kritik des so großartig gedachten lateinischen
Mnnzbnndes nicht alles trifft, was für einen universellen Doppelwährnngslumd
gesagt werde» kann, so ist, wie gesagt, doch für jeden praktischen Mann dieser
Bund ohne England ganz unannehmbar. Und wie jede pessimistische Stimmung
dem praktischen Kopfe fern bleiben soll, so ist auch ans der pessimistischen Ver¬
bitterung der Doppelwährnugsführer, die sie besonders seit einigen Jahren an
den Tag legen, etwas zu lernen. Dahin gehört anch die Hoffnung, die Ver¬
einigten Staaten möchten die bekannte Blcmdbill, welche gebietet, monatlich
wenigstens zwei Millionen Dollars in Silber zu prägen, und welche dadurch
den tiefsten Absturz des Silberwertcs verhindert hat, demnächst aufheben. Das
Elend der Silbercutwertnng soll so extrem werden, daß die erschreckte Kultur-
welt in dem allgemeine» Doppelwährungssystem den letzten Rettungsanker finden
müsse. Über die Methode läßt sich manches sagen. Beiläufig scheint man in
Amerika die Dollars, die das dortige Publikum weniger liebt als das Papier¬
geld, noch weiterhin prägen zu wollen.

Wir werden für die Praxis darein festhalten, daß, wenn die wiederholten,
von Amerika und Frankreich ans angeregten Kongresse zur Herstellung einer
Weltdoppelwährung, obwohl alle großen Mächte der Anregung wohlwollend
entgegenkamen, so ganz ergebnislos verlaufen sind, unüberwindliche Schwierig¬
keiten vorliegen. Der preußische Finanzminister, Herr von Scholz, hat dafür
auch den Grund entdeckt. Er sieht ihn eben in der Vorliebe des Weltmarktes
für das Gold, die sich nicht durch Gesetze unterdrücken läßt. Herr von Scholz
sagt ganz richtig, es sei mit Ausnahme von England, Portugal und Skandi¬
navien allen Nationen gestattet, wenn nicht besondre Vertrüge im Wege stehen,
auch jetzt noch die internationalen Forderungen in Silber zu bezahlen. Warum
thun sie es nicht? „Ans Furcht vor den sehr unangenehmen Folgen im allge¬
meinen Kredit, in der allgemeinen Wertschätzung ihrer Obligos auf dem Welt¬
markte. . . . Der natürliche Zwang der allgemeinen Überzeugung ist stärker als
ein Vertrag." Gewiß, wenn Frankreich oder die deutsche Neichsbank versuchen
wollten, ihre Wechsel in Silber zu zahlen, so würde ein Sinken der Kurse die
unfehlbare Strafe dafür sein. Ob diese Lage der Sache schön ist, ob die Macht
des Börsen- und Großkapitals, die Abhängigkeit des Staates von demselben
nicht auch eine beklagenswerte Seite an sich hat, ist jetzt nicht zu erörtern. Aber
die Thatsache ist vorhanden, und es ist thöricht, sie zu verkennen. Der Herr Mi¬
nister hat sich das Verdienst erworben, die Stellung der Regierung, man kaun
wohl sagen auch die der im Reiche einflußreichsten Männer, klardarzulegen und
die Meinung zu entkräfte», als hätte die Doppelwährung die besten Aussichten.

Die großen Industriellen vertreten meist bei uns dieselben Ansichten wie
der Minister. Sie sind mit der Weltmacht des englischen Handels- und Bank-


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[0349] Zur Währungsfrage. frei hält, sondern sich, wie Soetbeer will, streng auf die Währungsfrage be¬ schränkt. Wenn nnn mich Bambergers Kritik des so großartig gedachten lateinischen Mnnzbnndes nicht alles trifft, was für einen universellen Doppelwährnngslumd gesagt werde» kann, so ist, wie gesagt, doch für jeden praktischen Mann dieser Bund ohne England ganz unannehmbar. Und wie jede pessimistische Stimmung dem praktischen Kopfe fern bleiben soll, so ist auch ans der pessimistischen Ver¬ bitterung der Doppelwährnugsführer, die sie besonders seit einigen Jahren an den Tag legen, etwas zu lernen. Dahin gehört anch die Hoffnung, die Ver¬ einigten Staaten möchten die bekannte Blcmdbill, welche gebietet, monatlich wenigstens zwei Millionen Dollars in Silber zu prägen, und welche dadurch den tiefsten Absturz des Silberwertcs verhindert hat, demnächst aufheben. Das Elend der Silbercutwertnng soll so extrem werden, daß die erschreckte Kultur- welt in dem allgemeine» Doppelwährungssystem den letzten Rettungsanker finden müsse. Über die Methode läßt sich manches sagen. Beiläufig scheint man in Amerika die Dollars, die das dortige Publikum weniger liebt als das Papier¬ geld, noch weiterhin prägen zu wollen. Wir werden für die Praxis darein festhalten, daß, wenn die wiederholten, von Amerika und Frankreich ans angeregten Kongresse zur Herstellung einer Weltdoppelwährung, obwohl alle großen Mächte der Anregung wohlwollend entgegenkamen, so ganz ergebnislos verlaufen sind, unüberwindliche Schwierig¬ keiten vorliegen. Der preußische Finanzminister, Herr von Scholz, hat dafür auch den Grund entdeckt. Er sieht ihn eben in der Vorliebe des Weltmarktes für das Gold, die sich nicht durch Gesetze unterdrücken läßt. Herr von Scholz sagt ganz richtig, es sei mit Ausnahme von England, Portugal und Skandi¬ navien allen Nationen gestattet, wenn nicht besondre Vertrüge im Wege stehen, auch jetzt noch die internationalen Forderungen in Silber zu bezahlen. Warum thun sie es nicht? „Ans Furcht vor den sehr unangenehmen Folgen im allge¬ meinen Kredit, in der allgemeinen Wertschätzung ihrer Obligos auf dem Welt¬ markte. . . . Der natürliche Zwang der allgemeinen Überzeugung ist stärker als ein Vertrag." Gewiß, wenn Frankreich oder die deutsche Neichsbank versuchen wollten, ihre Wechsel in Silber zu zahlen, so würde ein Sinken der Kurse die unfehlbare Strafe dafür sein. Ob diese Lage der Sache schön ist, ob die Macht des Börsen- und Großkapitals, die Abhängigkeit des Staates von demselben nicht auch eine beklagenswerte Seite an sich hat, ist jetzt nicht zu erörtern. Aber die Thatsache ist vorhanden, und es ist thöricht, sie zu verkennen. Der Herr Mi¬ nister hat sich das Verdienst erworben, die Stellung der Regierung, man kaun wohl sagen auch die der im Reiche einflußreichsten Männer, klardarzulegen und die Meinung zu entkräfte», als hätte die Doppelwährung die besten Aussichten. Die großen Industriellen vertreten meist bei uns dieselben Ansichten wie der Minister. Sie sind mit der Weltmacht des englischen Handels- und Bank-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/349>, abgerufen am 05.02.2025.