Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.ständlich und ohne Partcileidenschaft zu sprechen, dürfte nicht überflüssig sein Die Stellung der Parteien in diesem Streite ist eigentümlich. Die Streit¬ Wenn man solche Dinge erlebt hat, wird man irre an der Weisheit aller ständlich und ohne Partcileidenschaft zu sprechen, dürfte nicht überflüssig sein Die Stellung der Parteien in diesem Streite ist eigentümlich. Die Streit¬ Wenn man solche Dinge erlebt hat, wird man irre an der Weisheit aller <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197770"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1011" prev="#ID_1010"> ständlich und ohne Partcileidenschaft zu sprechen, dürfte nicht überflüssig sein<lb/> trotz aller vorhandnen Broschüren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1012"> Die Stellung der Parteien in diesem Streite ist eigentümlich. Die Streit¬<lb/> sache ist ja nicht eigentlich politisch, und in der That finden sich in allen po¬<lb/> litischen Parteien verschiedne Währungsstandpunkte vertreten. Aber das ist nicht<lb/> zu verkennen, daß in der Währuugssache die Liberalen und die gute Hälfte der<lb/> Freikonservativen konservativ sind, insofern sie die Goldwährung nicht aufgeben,<lb/> von der allgemeinen Doppelwährung also nichts wissen wollen. Bei der deutsch-<lb/> konservativen Richtung, die früher wie ihr Organ, die Kreuzzeitung, von der<lb/> Goldwährung gutes erwartete, ist seit mehreren Jahren eine Änderung einge¬<lb/> treten. Und das ist nicht zu verwundern. Denn wir haben alle seit 1873 bei<lb/> der Durchführung der Münzreform vieles erlebt, was kaum jemand vermutet<lb/> hatte, und das Erlebte war so bedeutend, daß eine Abschwenlimg von der Gold¬<lb/> währung durchaus nicht auffallend sein kann. Wir hatten uns getäuscht über<lb/> die Menge unsrer alten Silbermünzen. Als Bamberger richtig sagte, die Haupt¬<lb/> sache sei: „Wohin mit dem Silber?" wollte man diese Verlegenheit nicht so hoch<lb/> anschlagen. Und doch sieht man seit 1879 diese Verlegenheit überall el», be¬<lb/> sonders bei der deutscheu Reichsbank. Sodann glaubte kaum jemand den Worten<lb/> Angspnrgs, der eine großartige Entwertung des Silbers vorausverkündigte und<lb/> vorsichtige, kaufmännische Behandlung des Umtausches empfahl, um diese Ent¬<lb/> wertung in möglichst enge Grenzen einzuschließen. Andre fügen hinzu, daß mau<lb/> sich auch getäuscht habe über die große Menge des Goldes, die in der Welt<lb/> vorhanden und bereit sei, das Silber zu ersetzen. Auch darin liegt eine Wahrheit.<lb/> Während die Produktion des Silbers »och immer wächst (sie ist von 280 Mil¬<lb/> lionen Mark im Jahre 1873 auf 350 Millionen Mark im Jahre 1884 ge¬<lb/> stiegen), ist die Goldprvdnktion von 1873 bis 1884 von 478 Millionen Mark<lb/> auf 400 Millionen herabgegangen. Das erinnert an eine andre Enttäuschung.<lb/> Um das Jahr 18K9 nämlich war der Wunsch uach Goldwährung in der Regel<lb/> mit dem Wunsche einer allgemein anerkannten goldnen Weltmünze verbunden,<lb/> die man bald nach dem Grammgewichte, bald im Anschluß an das Pfund Sterling,<lb/> bald als 25-Franksstück, bald im Anschluß an das 20-Dvllarstück unter teil¬<lb/> weise eigens erfundenen Namen (wie Pnse) feierte. Mau glaubte, daß sich selbst<lb/> bei allgemeiner Goldwährung das Gold wohl in genügender Menge finden würde.<lb/> Das ist auch vorbei. Mau will nicht gerade leugnen, daß noch das eine oder<lb/> andre Volk genug Material für eine einzuführende Goldwährung ans dem Markte<lb/> finden werde, aber nicht alle Kulturvölker des Westens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1013" next="#ID_1014"> Wenn man solche Dinge erlebt hat, wird man irre an der Weisheit aller<lb/> Münzpvkitiler und bekennt, daß die ganze Frage die größte Vorsicht erfordert.<lb/> Eine Frage, die bloße Zweckmäßigkeit und genau genommen zukünftige Zweck¬<lb/> mäßigkeit im Auge hat, ist absolut kein Gegenstand sicherer Berechnung und kein<lb/> Gegenstand theoretischer Doktrin. Versucht hat man es Wohl, die Doppelwährung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
ständlich und ohne Partcileidenschaft zu sprechen, dürfte nicht überflüssig sein
trotz aller vorhandnen Broschüren.
Die Stellung der Parteien in diesem Streite ist eigentümlich. Die Streit¬
sache ist ja nicht eigentlich politisch, und in der That finden sich in allen po¬
litischen Parteien verschiedne Währungsstandpunkte vertreten. Aber das ist nicht
zu verkennen, daß in der Währuugssache die Liberalen und die gute Hälfte der
Freikonservativen konservativ sind, insofern sie die Goldwährung nicht aufgeben,
von der allgemeinen Doppelwährung also nichts wissen wollen. Bei der deutsch-
konservativen Richtung, die früher wie ihr Organ, die Kreuzzeitung, von der
Goldwährung gutes erwartete, ist seit mehreren Jahren eine Änderung einge¬
treten. Und das ist nicht zu verwundern. Denn wir haben alle seit 1873 bei
der Durchführung der Münzreform vieles erlebt, was kaum jemand vermutet
hatte, und das Erlebte war so bedeutend, daß eine Abschwenlimg von der Gold¬
währung durchaus nicht auffallend sein kann. Wir hatten uns getäuscht über
die Menge unsrer alten Silbermünzen. Als Bamberger richtig sagte, die Haupt¬
sache sei: „Wohin mit dem Silber?" wollte man diese Verlegenheit nicht so hoch
anschlagen. Und doch sieht man seit 1879 diese Verlegenheit überall el», be¬
sonders bei der deutscheu Reichsbank. Sodann glaubte kaum jemand den Worten
Angspnrgs, der eine großartige Entwertung des Silbers vorausverkündigte und
vorsichtige, kaufmännische Behandlung des Umtausches empfahl, um diese Ent¬
wertung in möglichst enge Grenzen einzuschließen. Andre fügen hinzu, daß mau
sich auch getäuscht habe über die große Menge des Goldes, die in der Welt
vorhanden und bereit sei, das Silber zu ersetzen. Auch darin liegt eine Wahrheit.
Während die Produktion des Silbers »och immer wächst (sie ist von 280 Mil¬
lionen Mark im Jahre 1873 auf 350 Millionen Mark im Jahre 1884 ge¬
stiegen), ist die Goldprvdnktion von 1873 bis 1884 von 478 Millionen Mark
auf 400 Millionen herabgegangen. Das erinnert an eine andre Enttäuschung.
Um das Jahr 18K9 nämlich war der Wunsch uach Goldwährung in der Regel
mit dem Wunsche einer allgemein anerkannten goldnen Weltmünze verbunden,
die man bald nach dem Grammgewichte, bald im Anschluß an das Pfund Sterling,
bald als 25-Franksstück, bald im Anschluß an das 20-Dvllarstück unter teil¬
weise eigens erfundenen Namen (wie Pnse) feierte. Mau glaubte, daß sich selbst
bei allgemeiner Goldwährung das Gold wohl in genügender Menge finden würde.
Das ist auch vorbei. Mau will nicht gerade leugnen, daß noch das eine oder
andre Volk genug Material für eine einzuführende Goldwährung ans dem Markte
finden werde, aber nicht alle Kulturvölker des Westens.
Wenn man solche Dinge erlebt hat, wird man irre an der Weisheit aller
Münzpvkitiler und bekennt, daß die ganze Frage die größte Vorsicht erfordert.
Eine Frage, die bloße Zweckmäßigkeit und genau genommen zukünftige Zweck¬
mäßigkeit im Auge hat, ist absolut kein Gegenstand sicherer Berechnung und kein
Gegenstand theoretischer Doktrin. Versucht hat man es Wohl, die Doppelwährung
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