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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoöns,

Herr, antwortete Camoens, ich danke es nur der Freundschaft Senhor
Manuels, daß der König mich vor sich lassen will, ich werde es ihm zu danken
haben, wenn ich der Majestät mein armes Werk zueignen darf. Wie könnte
ich hoffen, daß meine Stimme so mächtig an das Ohr unsers Herrn schlüge,
als Ihr fordert?

Erhebt sie aus der Tiefe Eurer Liebe zu unserm Lande und befehle den
Erfolg Gott! sagte der alte Held feierlich. Ihr vermögt vielleicht mehr, als
Ihr hofft, denn in unsers jungen Königs Brust lebt trotz allem ein Gefühl
dafür, was ein wahrer König seinem Volke schuldig sei. Nicht Eure Stimme
soll Dom Sebastian ans Euerm Gedichte vernehmen, sondern die Stimmen
Vasco da Genuas und Albuqueraucs.

Vergeßt die Eure nicht, Dom Antonio! mahnte Barreto ehrfurchtsvoll.
Mein Freund weiß Euch Dank, daß Ihr seine Zuversicht gehoben habt. Laßt
Euch Camoens befohlen sein und kommt uns mit einem Worte zu Hilfe, wenn
der König wider Erwarten zögern sollte, zu nehmen, was unser Dichter ihm bietet.

Der Marschall wandte sein Gesicht Senhor Manuel zu, in seinein Blicke
lag eine feste Verheißung. Aber er blieb stumm und schien zu erwarten, daß
seine Besucher sich verabschieden würden. Seine Blicke irrten zerstreut nach
dem Fenster, seine Hand blätterte schon wieder in dem großen Folianten, den
Reisen Marco Polos, in denen er gelesen hatte. Aber nach einiger Zeit, als
er Barreto noch warten sah, fragte er: Bringt Ihr noch etwas von draußen
in meine Einsamkeit? Giebt es etwas, wobei Ihr meinen Beistand begehrt?

Vielleicht, Dom Antonio! entgegnete der Edelmann. Kennt Ihr einen
Priester, der ein christliches Werk thun -- eine junge Heidin taufen kann, ohne
dafür Gefahr zu laufen, weil er in Euerm Schutz ist?

Das Haupt des Greises war im Augenblicke zuvor so tief auf den Tisch,
zu dessen Seite er saß, gesenkt gewesen, daß Camoens gefürchtet hatte, er werde
vor ihren Blicken einschlummern. Jetzt blitzte ein Strahl in seinem Auge auf,
er erhob sich mit allen Zeichen, daß er wach und rüstig sei, und entgegnete
ruhig: Bevor ich Euch darauf antworte, Barreto, müßte ich wissen, warum
die Taufe, von der Ihr sprecht, nicht von jedem christlichen Priester vollzogen
werden kann. Wer kunst Gefahr, wenn er dem Himmel eine Seele zuführt?

Kurz und gedrängt berichtete Senhor Manuel, was ihm und Camoens
gestern auf dem Berge vou Santa Cruz begegnet sei, wie sie die flüchtige Maurin
vorläufig geborgen und sich leider noch auf dem Wege zum Schlosse herauf
überzeugt hätten, daß die Verfolgung des Mädchens schon begonnen habe. Der
Marschall preßte den zahnlosen Mund fester zusammen, Camoens hatte den
Eindruck, daß der Greis Laute des Zornes und Schmerzes während der Er¬
zählung Varretos unterdrücken wolle. Als Barreto geendet hatte, sah Dom
Antonio von den Freunden hinweg und durch das einzige große Fenster des
Gemachs auf die Laubwand hinaus, die sich wie ein mächtiger grüner Schirm


Lamoöns,

Herr, antwortete Camoens, ich danke es nur der Freundschaft Senhor
Manuels, daß der König mich vor sich lassen will, ich werde es ihm zu danken
haben, wenn ich der Majestät mein armes Werk zueignen darf. Wie könnte
ich hoffen, daß meine Stimme so mächtig an das Ohr unsers Herrn schlüge,
als Ihr fordert?

Erhebt sie aus der Tiefe Eurer Liebe zu unserm Lande und befehle den
Erfolg Gott! sagte der alte Held feierlich. Ihr vermögt vielleicht mehr, als
Ihr hofft, denn in unsers jungen Königs Brust lebt trotz allem ein Gefühl
dafür, was ein wahrer König seinem Volke schuldig sei. Nicht Eure Stimme
soll Dom Sebastian ans Euerm Gedichte vernehmen, sondern die Stimmen
Vasco da Genuas und Albuqueraucs.

Vergeßt die Eure nicht, Dom Antonio! mahnte Barreto ehrfurchtsvoll.
Mein Freund weiß Euch Dank, daß Ihr seine Zuversicht gehoben habt. Laßt
Euch Camoens befohlen sein und kommt uns mit einem Worte zu Hilfe, wenn
der König wider Erwarten zögern sollte, zu nehmen, was unser Dichter ihm bietet.

Der Marschall wandte sein Gesicht Senhor Manuel zu, in seinein Blicke
lag eine feste Verheißung. Aber er blieb stumm und schien zu erwarten, daß
seine Besucher sich verabschieden würden. Seine Blicke irrten zerstreut nach
dem Fenster, seine Hand blätterte schon wieder in dem großen Folianten, den
Reisen Marco Polos, in denen er gelesen hatte. Aber nach einiger Zeit, als
er Barreto noch warten sah, fragte er: Bringt Ihr noch etwas von draußen
in meine Einsamkeit? Giebt es etwas, wobei Ihr meinen Beistand begehrt?

Vielleicht, Dom Antonio! entgegnete der Edelmann. Kennt Ihr einen
Priester, der ein christliches Werk thun — eine junge Heidin taufen kann, ohne
dafür Gefahr zu laufen, weil er in Euerm Schutz ist?

Das Haupt des Greises war im Augenblicke zuvor so tief auf den Tisch,
zu dessen Seite er saß, gesenkt gewesen, daß Camoens gefürchtet hatte, er werde
vor ihren Blicken einschlummern. Jetzt blitzte ein Strahl in seinem Auge auf,
er erhob sich mit allen Zeichen, daß er wach und rüstig sei, und entgegnete
ruhig: Bevor ich Euch darauf antworte, Barreto, müßte ich wissen, warum
die Taufe, von der Ihr sprecht, nicht von jedem christlichen Priester vollzogen
werden kann. Wer kunst Gefahr, wenn er dem Himmel eine Seele zuführt?

Kurz und gedrängt berichtete Senhor Manuel, was ihm und Camoens
gestern auf dem Berge vou Santa Cruz begegnet sei, wie sie die flüchtige Maurin
vorläufig geborgen und sich leider noch auf dem Wege zum Schlosse herauf
überzeugt hätten, daß die Verfolgung des Mädchens schon begonnen habe. Der
Marschall preßte den zahnlosen Mund fester zusammen, Camoens hatte den
Eindruck, daß der Greis Laute des Zornes und Schmerzes während der Er¬
zählung Varretos unterdrücken wolle. Als Barreto geendet hatte, sah Dom
Antonio von den Freunden hinweg und durch das einzige große Fenster des
Gemachs auf die Laubwand hinaus, die sich wie ein mächtiger grüner Schirm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/243>, abgerufen am 05.02.2025.