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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

kam, ließ ihn verstummen. Erst als er die Blicke des alten Helden teilnehmend
auf sich ruhen sah, sagte er schlicht:

Ich kam hierher, um Euch zu verehren, erlauchter Herr, und wähnte nicht,
daß von meinem Werke die Rede sein solle. Ich darf nur sagen, daß ich hoffe,
es sei der Thaten und der Helden nicht völlig unwert, deren Gedächtnis es
der Nachwelt überliefern soll. Ihr seid der letzte, Dom Antonio, der das
Große gelebt hat, was ich nur nachträumen durfte, von Euch werde ich ver¬
nehmen können, wo ein Hauch des echten Geistes mein Gedicht belebt.

Der alte Pacheco nickte kaum merklich, aber sein Gesicht erschien in diesem
Augenblicke jünger, frischer. Ich stehe, wie Ihr seht, zu jeder Stunde auf der
Schwelle der Ewigkeit, ich darf kaum hoffen, noch das Hervortreten Euers
Werkes zu erleben. Fügt es der Himmel, daß mir noch einige Monate gegönnt
sind, so will ich mich von Herzen daran erfreuen, daß ein Nachklang großer,
guter Zeiten durch Euch auf die Lebenden und die Künftigen kommen soll. Der
Nachklang käme zu rechter Stunde und thäte uns wahrlich not. Ich habe
mich seit vielen Jahren darein gefunden, daß es bei mir Abend geworden ist,
aber ich hätte gern mein Land und mein Volk im Schimmer des vollen Tages
hinter nur gelassen. Nun muß ich fürchten, daß es Nacht werden wird, eine
Nacht, hinter der kein Tag kommt. Gott kann alles fügen, doch so weit meine
alten Augen sehen, hat er nie ein Volk wieder erhoben, das sich einmal selbst
fallen ließ. Mahnt sie auf, Senhor Luis, mahnt alle, den König an der Spitze,
ihrer wahren Pflichten nicht zu vergessen und Portugals Heil zu bedenken.

Die dunkeln Augen des alten Kriegers blickten zu Boden und waren von
schweren Stirnfalten überschattet, im Klang seiner Stimme kämpfte der verhaltene
Groll mit der gewohnten ruhigen Würde. Barretv sah bedeutsam auf Ccimoeus,
der Dichter mußte des gestrige" Zwiespalts mit dem Freunde beim Herabreiten
von der Höhe von Santa Cruz gedenken. Doch verneigte er sich jetzt nur vor
Pacheco und entgegnete bescheiden: Wollet bedenken, Dom Antonio, daß ich als
Dichter dem König nichts zu sagen vermöchte, was er nicht tausendmal besser
von Euch vernähme!

Ihr versteht mich falsch! rief der Greis nachdrücklich. So lauge
Antonio Pacheco noch lebt und atmet, wird kein Schritt geschehen, der den
König und das Land ins Verderben stürzen müßte. Man wird sich mehr als
einmal besinnen, wo Portugals wahre Stärke liegt, mau wird wissen, daß unsre
schlimmsten Feinde im Escorial sitzen, man wird von dem großen Heereszuge
nach Afrika, in den uns die Spanier hineintreiben möchten, wohl träumen, ihn
aber nicht ausführen. Doch Ihr seht, daß ich mich jeden Tag bereit halten
muß, vor Gottes Thron zu treten. Und ich fürchte, daß nach mir keines
Einzelnen Stimme den König vor seinen schlimmen Ratgebern und seinen eignen
Träumen warnen wird. Die Stimme ganz Portugals vermag es allein, und
seid Ihr unser Dichter, Luis Camoens, so erhebt diese Stimme!


Lamoens.

kam, ließ ihn verstummen. Erst als er die Blicke des alten Helden teilnehmend
auf sich ruhen sah, sagte er schlicht:

Ich kam hierher, um Euch zu verehren, erlauchter Herr, und wähnte nicht,
daß von meinem Werke die Rede sein solle. Ich darf nur sagen, daß ich hoffe,
es sei der Thaten und der Helden nicht völlig unwert, deren Gedächtnis es
der Nachwelt überliefern soll. Ihr seid der letzte, Dom Antonio, der das
Große gelebt hat, was ich nur nachträumen durfte, von Euch werde ich ver¬
nehmen können, wo ein Hauch des echten Geistes mein Gedicht belebt.

Der alte Pacheco nickte kaum merklich, aber sein Gesicht erschien in diesem
Augenblicke jünger, frischer. Ich stehe, wie Ihr seht, zu jeder Stunde auf der
Schwelle der Ewigkeit, ich darf kaum hoffen, noch das Hervortreten Euers
Werkes zu erleben. Fügt es der Himmel, daß mir noch einige Monate gegönnt
sind, so will ich mich von Herzen daran erfreuen, daß ein Nachklang großer,
guter Zeiten durch Euch auf die Lebenden und die Künftigen kommen soll. Der
Nachklang käme zu rechter Stunde und thäte uns wahrlich not. Ich habe
mich seit vielen Jahren darein gefunden, daß es bei mir Abend geworden ist,
aber ich hätte gern mein Land und mein Volk im Schimmer des vollen Tages
hinter nur gelassen. Nun muß ich fürchten, daß es Nacht werden wird, eine
Nacht, hinter der kein Tag kommt. Gott kann alles fügen, doch so weit meine
alten Augen sehen, hat er nie ein Volk wieder erhoben, das sich einmal selbst
fallen ließ. Mahnt sie auf, Senhor Luis, mahnt alle, den König an der Spitze,
ihrer wahren Pflichten nicht zu vergessen und Portugals Heil zu bedenken.

Die dunkeln Augen des alten Kriegers blickten zu Boden und waren von
schweren Stirnfalten überschattet, im Klang seiner Stimme kämpfte der verhaltene
Groll mit der gewohnten ruhigen Würde. Barretv sah bedeutsam auf Ccimoeus,
der Dichter mußte des gestrige» Zwiespalts mit dem Freunde beim Herabreiten
von der Höhe von Santa Cruz gedenken. Doch verneigte er sich jetzt nur vor
Pacheco und entgegnete bescheiden: Wollet bedenken, Dom Antonio, daß ich als
Dichter dem König nichts zu sagen vermöchte, was er nicht tausendmal besser
von Euch vernähme!

Ihr versteht mich falsch! rief der Greis nachdrücklich. So lauge
Antonio Pacheco noch lebt und atmet, wird kein Schritt geschehen, der den
König und das Land ins Verderben stürzen müßte. Man wird sich mehr als
einmal besinnen, wo Portugals wahre Stärke liegt, mau wird wissen, daß unsre
schlimmsten Feinde im Escorial sitzen, man wird von dem großen Heereszuge
nach Afrika, in den uns die Spanier hineintreiben möchten, wohl träumen, ihn
aber nicht ausführen. Doch Ihr seht, daß ich mich jeden Tag bereit halten
muß, vor Gottes Thron zu treten. Und ich fürchte, daß nach mir keines
Einzelnen Stimme den König vor seinen schlimmen Ratgebern und seinen eignen
Träumen warnen wird. Die Stimme ganz Portugals vermag es allein, und
seid Ihr unser Dichter, Luis Camoens, so erhebt diese Stimme!


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[0242] Lamoens. kam, ließ ihn verstummen. Erst als er die Blicke des alten Helden teilnehmend auf sich ruhen sah, sagte er schlicht: Ich kam hierher, um Euch zu verehren, erlauchter Herr, und wähnte nicht, daß von meinem Werke die Rede sein solle. Ich darf nur sagen, daß ich hoffe, es sei der Thaten und der Helden nicht völlig unwert, deren Gedächtnis es der Nachwelt überliefern soll. Ihr seid der letzte, Dom Antonio, der das Große gelebt hat, was ich nur nachträumen durfte, von Euch werde ich ver¬ nehmen können, wo ein Hauch des echten Geistes mein Gedicht belebt. Der alte Pacheco nickte kaum merklich, aber sein Gesicht erschien in diesem Augenblicke jünger, frischer. Ich stehe, wie Ihr seht, zu jeder Stunde auf der Schwelle der Ewigkeit, ich darf kaum hoffen, noch das Hervortreten Euers Werkes zu erleben. Fügt es der Himmel, daß mir noch einige Monate gegönnt sind, so will ich mich von Herzen daran erfreuen, daß ein Nachklang großer, guter Zeiten durch Euch auf die Lebenden und die Künftigen kommen soll. Der Nachklang käme zu rechter Stunde und thäte uns wahrlich not. Ich habe mich seit vielen Jahren darein gefunden, daß es bei mir Abend geworden ist, aber ich hätte gern mein Land und mein Volk im Schimmer des vollen Tages hinter nur gelassen. Nun muß ich fürchten, daß es Nacht werden wird, eine Nacht, hinter der kein Tag kommt. Gott kann alles fügen, doch so weit meine alten Augen sehen, hat er nie ein Volk wieder erhoben, das sich einmal selbst fallen ließ. Mahnt sie auf, Senhor Luis, mahnt alle, den König an der Spitze, ihrer wahren Pflichten nicht zu vergessen und Portugals Heil zu bedenken. Die dunkeln Augen des alten Kriegers blickten zu Boden und waren von schweren Stirnfalten überschattet, im Klang seiner Stimme kämpfte der verhaltene Groll mit der gewohnten ruhigen Würde. Barretv sah bedeutsam auf Ccimoeus, der Dichter mußte des gestrige» Zwiespalts mit dem Freunde beim Herabreiten von der Höhe von Santa Cruz gedenken. Doch verneigte er sich jetzt nur vor Pacheco und entgegnete bescheiden: Wollet bedenken, Dom Antonio, daß ich als Dichter dem König nichts zu sagen vermöchte, was er nicht tausendmal besser von Euch vernähme! Ihr versteht mich falsch! rief der Greis nachdrücklich. So lauge Antonio Pacheco noch lebt und atmet, wird kein Schritt geschehen, der den König und das Land ins Verderben stürzen müßte. Man wird sich mehr als einmal besinnen, wo Portugals wahre Stärke liegt, mau wird wissen, daß unsre schlimmsten Feinde im Escorial sitzen, man wird von dem großen Heereszuge nach Afrika, in den uns die Spanier hineintreiben möchten, wohl träumen, ihn aber nicht ausführen. Doch Ihr seht, daß ich mich jeden Tag bereit halten muß, vor Gottes Thron zu treten. Und ich fürchte, daß nach mir keines Einzelnen Stimme den König vor seinen schlimmen Ratgebern und seinen eignen Träumen warnen wird. Die Stimme ganz Portugals vermag es allein, und seid Ihr unser Dichter, Luis Camoens, so erhebt diese Stimme!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/242>, abgerufen am 05.02.2025.