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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens,

erhob. Er sann offenbar über andres nach, als über die Antwort, die er Manuel
Barreto zu geben hatte.

Ihr bringt mir schwer zum Bewußtsein, daß die Wolken sich tiefer und
tiefer auf unser Land senken, hub er endlich an. Der König weiß natürlich
nicht, was in seinen: Namen geschieht, aber das ändert wenig am Unheil dieser
Tage. Was gedächtet Ihr zu thun, wenn jenes Mädchen, das Ihr Esmah
nennt, die heilige Taufe empfangen hätte?

Ich würde ihr eine Zufluchtsstätte in meinem Hause eröffnen. Sie kann
unter die Obhut meiner alten Base Donna Uraeca treten, die ein warmes Herz für
das Unglück hat, versetzte der Gutsherr von Almoccgema. Doch nur die Christen
könnte ich mit einiger Aussicht auf Erfolg gegen Auslieferungsforderuugen
verteidigen.

Ich werde Euch übermorgen in der Frühe deu Priester senden, dessen Ihr
bedürft, schloß der Marschall die Unterredung. Haltet Euch selbst oder einen
sichern Führer am Aufgang zu dem Hochthal bereit, in dem sich die Arme ver¬
birgt, und verständigt Euch bis dahin mit ihr. Jetzt lebt wohl, Manuel, und
auch Ihr, Luis Camoens. Fügt es der Himmel, daß wir uns nicht wiedersehen,
so danke ich Euch diese Stunde, die mir bürgt, daß auch in dieser Zeit noch
einige portugiesische Herzen so schlagen, wie alle schlagen müßten. Gott nehme
Euch in seinen heiligen Schutz und behüte Eure Wege!

Bnrreto und Camoens schieden mit Ehrfurcht von dem alten Krieger. Sie
nahmen beim ersten Schritt nach der Thür wahr, daß Gines schon in dem
Gemache selbst bereit stand, ihnen dieselbe zu öffnen. Indem sie, von ihm geleitet,
das Vorzimmer betraten, sagte der Diener: Ihr verzeiht, daß ich hereinkam,
während mein Herr noch zu Euch sprach. Aber Meister Pedro, der Arzt, hat
befohlen, daß Dom Antonio niemand länger als eine halbe Stunde bei sich sehen
soll, und ich vermag so wenig für meinen Gebieter zu thun, daß ich von dem
wenigen nichts verabsäumen will.

Du thust recht, Gines! Wenn dn zufällig gehört hast, was zwischen Dom
Antonio und uns gesprochen ward, so weißt dn auch, daß kein Laut davon über
die Mauern dieses Gemaches hinausklingen darf.

Ich höre mir, was mir mein Herr befiehlt und was ihn angeht, versetzte
Gines, und seine Augen schauten fast wehmütig ans den Falten des verwetterten
Gesichtes hervor. Ruft Gott den teuern Mann hinweg, den er uns noch lange
gönnen wolle, so ist mir mein Platz im Kloster der Schweiger zu Atalaia schon
bereit. Euer Diener, Senhor Manuel, und der Eure, Herr -- Gott behüte
Eure Wege.

Camoens lächelte leicht, als Gines sie genau in der Weise seines Gebieters
verabschiedete; Barreto war zu düster gestimmt, um darauf zu achten. Beide
Freunde verließen das kleine Schloß, stiegen die Treppe zur untern Terrasse
hinab und betraten alsbald wieder den Weg nach dem Flecken Cintra. Im


Lamoens,

erhob. Er sann offenbar über andres nach, als über die Antwort, die er Manuel
Barreto zu geben hatte.

Ihr bringt mir schwer zum Bewußtsein, daß die Wolken sich tiefer und
tiefer auf unser Land senken, hub er endlich an. Der König weiß natürlich
nicht, was in seinen: Namen geschieht, aber das ändert wenig am Unheil dieser
Tage. Was gedächtet Ihr zu thun, wenn jenes Mädchen, das Ihr Esmah
nennt, die heilige Taufe empfangen hätte?

Ich würde ihr eine Zufluchtsstätte in meinem Hause eröffnen. Sie kann
unter die Obhut meiner alten Base Donna Uraeca treten, die ein warmes Herz für
das Unglück hat, versetzte der Gutsherr von Almoccgema. Doch nur die Christen
könnte ich mit einiger Aussicht auf Erfolg gegen Auslieferungsforderuugen
verteidigen.

Ich werde Euch übermorgen in der Frühe deu Priester senden, dessen Ihr
bedürft, schloß der Marschall die Unterredung. Haltet Euch selbst oder einen
sichern Führer am Aufgang zu dem Hochthal bereit, in dem sich die Arme ver¬
birgt, und verständigt Euch bis dahin mit ihr. Jetzt lebt wohl, Manuel, und
auch Ihr, Luis Camoens. Fügt es der Himmel, daß wir uns nicht wiedersehen,
so danke ich Euch diese Stunde, die mir bürgt, daß auch in dieser Zeit noch
einige portugiesische Herzen so schlagen, wie alle schlagen müßten. Gott nehme
Euch in seinen heiligen Schutz und behüte Eure Wege!

Bnrreto und Camoens schieden mit Ehrfurcht von dem alten Krieger. Sie
nahmen beim ersten Schritt nach der Thür wahr, daß Gines schon in dem
Gemache selbst bereit stand, ihnen dieselbe zu öffnen. Indem sie, von ihm geleitet,
das Vorzimmer betraten, sagte der Diener: Ihr verzeiht, daß ich hereinkam,
während mein Herr noch zu Euch sprach. Aber Meister Pedro, der Arzt, hat
befohlen, daß Dom Antonio niemand länger als eine halbe Stunde bei sich sehen
soll, und ich vermag so wenig für meinen Gebieter zu thun, daß ich von dem
wenigen nichts verabsäumen will.

Du thust recht, Gines! Wenn dn zufällig gehört hast, was zwischen Dom
Antonio und uns gesprochen ward, so weißt dn auch, daß kein Laut davon über
die Mauern dieses Gemaches hinausklingen darf.

Ich höre mir, was mir mein Herr befiehlt und was ihn angeht, versetzte
Gines, und seine Augen schauten fast wehmütig ans den Falten des verwetterten
Gesichtes hervor. Ruft Gott den teuern Mann hinweg, den er uns noch lange
gönnen wolle, so ist mir mein Platz im Kloster der Schweiger zu Atalaia schon
bereit. Euer Diener, Senhor Manuel, und der Eure, Herr — Gott behüte
Eure Wege.

Camoens lächelte leicht, als Gines sie genau in der Weise seines Gebieters
verabschiedete; Barreto war zu düster gestimmt, um darauf zu achten. Beide
Freunde verließen das kleine Schloß, stiegen die Treppe zur untern Terrasse
hinab und betraten alsbald wieder den Weg nach dem Flecken Cintra. Im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/244>, abgerufen am 05.02.2025.