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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lainoöns.

braunem, gerunzelten Gesichte, trat auf der Stelle den Ankommenden ent¬
gegen -- Camoens sah, daß er gewohnt war, den Zugang zu seinem Herrn
sorglich zu hüten. Manuel Barreto begrüßte ihn wie einen alten Bekannten,
indem er ihn sogleich ansprach: Guten Morgen, Gines! Hat Dom Antonio die
Messe schon gehört und fühlt er sich heute kräftig genug, die zu empfangen,
die ihm gern ihre Verehrung bezeigten? Ich bitte um die Erlaubnis, ihm einen
Freund, Senhor Luis Camoens, zuzuführen, einen tapfern Ritter, der in Indien
gefochten hat und vor kurzem uach Lissabon heimgekehrt ist.

Gines blickte wohlgefällig auf Camoens und vor allem auf das Tuch,
welches die Augenhöhle des Dichters verhüllte. Der Marschall hat heute die
erste Frühmesse gehört, und ich denke, daß er sich freuen wird, Euch, Senhor
Manuel, und Euern Freund bei sich zu sehen.

Er verschwand in das Nebenzimmer, öffnete schon einige Augenblicke später
wieder die Thür und lud die Freunde zum Eintritt bei dem greise" Pacheeo ein.
Barreto ergriff Camoens, der ehrfurchtsvoll zögerte, bei der Hand und trat
mit ihm, während sich beide verneigten, dem hohen Lehnstuhl gegenüber, von
dem sich Dom Antonio, eine gewaltige, trotz seiner neunuudachtzig Jahre wenig
gebeugte Gestalt, erhob, sobald er seiner Besucher ansichtig ward. Aus dein
faltenreichen, aber braunen und kräftigen, von einem Weißen Vollbart umrahmten
Gesichte des alten Helden richteten sich ein paar schwarze Augen ans Camoens.
Antonio Pacheeo trug die dunkle Ordenstracht, die goldne Kette des Christus-
ordens über dem Gewände, an seinem Gürtel hing neben dem Rosenkranze
eine kurze, kostbare Waffe orientalischen Ursprunges.

Ihr seid willkommen! sagte der Alte. Doch Ihr erlaubt, daß ich meinen
Sitz wieder einnehme. Die Last meiner Jahre ist für die Füße allmählich zu
schwer geworden.

Während sich der Marschall auf seinem Sitz wieder zurecht rückte, nahm
Barreto das Wort: Dom Antonio -- ich habe den König unsern Herrn ge¬
beten, Senhor Luis Camoens gnädig zu empfangen. Mein Freund hat an
meiner Seite bei El Aaran und Dharwar gefochten, hat Portugal zu Land
und zur See mit Ehre" gedient. Doch uicht um das Lob seiner Tapferkeit
zu vermehren, will ich ihn vor den König stellen, sondern weil er Portugals
Ruhm durch sein Wort heben und mehren wird. Er hat ein großes Helden¬
gedicht, das Werk eines ganzen Lebens, zum Preis der Thaten vollendet, an
denen auch Ihr, Dom Antonio, in Eurer Jugend wie in Euern Mannestagen
reichen Anteil genommen habt. In der unsterblichen Fahrt des Vasco da Gama
zur Küste Indiens faßt er all unsern alten und neuen Ruhm zusammen. So
viel ich von dem Werke kenne, so weit darf ich es rühmen, und Portugal wird
nicht ferner nach einem Virgil seufzen, wenn es Camoens recht erkennt!

Camoens hatte das Haupt gesenkt; ein reines Glückgefühl zu dieser Stunde
und vor diesem Manne ein Lob zu empfangen, das ganz aus Barretvs Herzen


Grenzboten I. 1386 W
Lainoöns.

braunem, gerunzelten Gesichte, trat auf der Stelle den Ankommenden ent¬
gegen — Camoens sah, daß er gewohnt war, den Zugang zu seinem Herrn
sorglich zu hüten. Manuel Barreto begrüßte ihn wie einen alten Bekannten,
indem er ihn sogleich ansprach: Guten Morgen, Gines! Hat Dom Antonio die
Messe schon gehört und fühlt er sich heute kräftig genug, die zu empfangen,
die ihm gern ihre Verehrung bezeigten? Ich bitte um die Erlaubnis, ihm einen
Freund, Senhor Luis Camoens, zuzuführen, einen tapfern Ritter, der in Indien
gefochten hat und vor kurzem uach Lissabon heimgekehrt ist.

Gines blickte wohlgefällig auf Camoens und vor allem auf das Tuch,
welches die Augenhöhle des Dichters verhüllte. Der Marschall hat heute die
erste Frühmesse gehört, und ich denke, daß er sich freuen wird, Euch, Senhor
Manuel, und Euern Freund bei sich zu sehen.

Er verschwand in das Nebenzimmer, öffnete schon einige Augenblicke später
wieder die Thür und lud die Freunde zum Eintritt bei dem greise» Pacheeo ein.
Barreto ergriff Camoens, der ehrfurchtsvoll zögerte, bei der Hand und trat
mit ihm, während sich beide verneigten, dem hohen Lehnstuhl gegenüber, von
dem sich Dom Antonio, eine gewaltige, trotz seiner neunuudachtzig Jahre wenig
gebeugte Gestalt, erhob, sobald er seiner Besucher ansichtig ward. Aus dein
faltenreichen, aber braunen und kräftigen, von einem Weißen Vollbart umrahmten
Gesichte des alten Helden richteten sich ein paar schwarze Augen ans Camoens.
Antonio Pacheeo trug die dunkle Ordenstracht, die goldne Kette des Christus-
ordens über dem Gewände, an seinem Gürtel hing neben dem Rosenkranze
eine kurze, kostbare Waffe orientalischen Ursprunges.

Ihr seid willkommen! sagte der Alte. Doch Ihr erlaubt, daß ich meinen
Sitz wieder einnehme. Die Last meiner Jahre ist für die Füße allmählich zu
schwer geworden.

Während sich der Marschall auf seinem Sitz wieder zurecht rückte, nahm
Barreto das Wort: Dom Antonio — ich habe den König unsern Herrn ge¬
beten, Senhor Luis Camoens gnädig zu empfangen. Mein Freund hat an
meiner Seite bei El Aaran und Dharwar gefochten, hat Portugal zu Land
und zur See mit Ehre» gedient. Doch uicht um das Lob seiner Tapferkeit
zu vermehren, will ich ihn vor den König stellen, sondern weil er Portugals
Ruhm durch sein Wort heben und mehren wird. Er hat ein großes Helden¬
gedicht, das Werk eines ganzen Lebens, zum Preis der Thaten vollendet, an
denen auch Ihr, Dom Antonio, in Eurer Jugend wie in Euern Mannestagen
reichen Anteil genommen habt. In der unsterblichen Fahrt des Vasco da Gama
zur Küste Indiens faßt er all unsern alten und neuen Ruhm zusammen. So
viel ich von dem Werke kenne, so weit darf ich es rühmen, und Portugal wird
nicht ferner nach einem Virgil seufzen, wenn es Camoens recht erkennt!

Camoens hatte das Haupt gesenkt; ein reines Glückgefühl zu dieser Stunde
und vor diesem Manne ein Lob zu empfangen, das ganz aus Barretvs Herzen


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[0241] Lainoöns. braunem, gerunzelten Gesichte, trat auf der Stelle den Ankommenden ent¬ gegen — Camoens sah, daß er gewohnt war, den Zugang zu seinem Herrn sorglich zu hüten. Manuel Barreto begrüßte ihn wie einen alten Bekannten, indem er ihn sogleich ansprach: Guten Morgen, Gines! Hat Dom Antonio die Messe schon gehört und fühlt er sich heute kräftig genug, die zu empfangen, die ihm gern ihre Verehrung bezeigten? Ich bitte um die Erlaubnis, ihm einen Freund, Senhor Luis Camoens, zuzuführen, einen tapfern Ritter, der in Indien gefochten hat und vor kurzem uach Lissabon heimgekehrt ist. Gines blickte wohlgefällig auf Camoens und vor allem auf das Tuch, welches die Augenhöhle des Dichters verhüllte. Der Marschall hat heute die erste Frühmesse gehört, und ich denke, daß er sich freuen wird, Euch, Senhor Manuel, und Euern Freund bei sich zu sehen. Er verschwand in das Nebenzimmer, öffnete schon einige Augenblicke später wieder die Thür und lud die Freunde zum Eintritt bei dem greise» Pacheeo ein. Barreto ergriff Camoens, der ehrfurchtsvoll zögerte, bei der Hand und trat mit ihm, während sich beide verneigten, dem hohen Lehnstuhl gegenüber, von dem sich Dom Antonio, eine gewaltige, trotz seiner neunuudachtzig Jahre wenig gebeugte Gestalt, erhob, sobald er seiner Besucher ansichtig ward. Aus dein faltenreichen, aber braunen und kräftigen, von einem Weißen Vollbart umrahmten Gesichte des alten Helden richteten sich ein paar schwarze Augen ans Camoens. Antonio Pacheeo trug die dunkle Ordenstracht, die goldne Kette des Christus- ordens über dem Gewände, an seinem Gürtel hing neben dem Rosenkranze eine kurze, kostbare Waffe orientalischen Ursprunges. Ihr seid willkommen! sagte der Alte. Doch Ihr erlaubt, daß ich meinen Sitz wieder einnehme. Die Last meiner Jahre ist für die Füße allmählich zu schwer geworden. Während sich der Marschall auf seinem Sitz wieder zurecht rückte, nahm Barreto das Wort: Dom Antonio — ich habe den König unsern Herrn ge¬ beten, Senhor Luis Camoens gnädig zu empfangen. Mein Freund hat an meiner Seite bei El Aaran und Dharwar gefochten, hat Portugal zu Land und zur See mit Ehre» gedient. Doch uicht um das Lob seiner Tapferkeit zu vermehren, will ich ihn vor den König stellen, sondern weil er Portugals Ruhm durch sein Wort heben und mehren wird. Er hat ein großes Helden¬ gedicht, das Werk eines ganzen Lebens, zum Preis der Thaten vollendet, an denen auch Ihr, Dom Antonio, in Eurer Jugend wie in Euern Mannestagen reichen Anteil genommen habt. In der unsterblichen Fahrt des Vasco da Gama zur Küste Indiens faßt er all unsern alten und neuen Ruhm zusammen. So viel ich von dem Werke kenne, so weit darf ich es rühmen, und Portugal wird nicht ferner nach einem Virgil seufzen, wenn es Camoens recht erkennt! Camoens hatte das Haupt gesenkt; ein reines Glückgefühl zu dieser Stunde und vor diesem Manne ein Lob zu empfangen, das ganz aus Barretvs Herzen Grenzboten I. 1386 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/241>, abgerufen am 05.02.2025.