Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Homernle. Keine agrarische Reform, so behaupten sie ferner, kann Nutzen bringen, wenn Alle diese Ansichten wurden neuerdings in einer Versammlung der jungern Homernle. Keine agrarische Reform, so behaupten sie ferner, kann Nutzen bringen, wenn Alle diese Ansichten wurden neuerdings in einer Versammlung der jungern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197630"/> <fw type="header" place="top"> Homernle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_619" prev="#ID_618"> Keine agrarische Reform, so behaupten sie ferner, kann Nutzen bringen, wenn<lb/> sie die Pächter nicht in den Stand setzt, auf leichte und bequeme Weise Grund¬<lb/> besitzer zu werden, und wenn ihre Eigenschaft als Besitzer ihnen nicht durch ein<lb/> heimisches Parlament gesichert und gewahrt wird. Die gegenwärtigen Pacht-<lb/> summcn müssen die Leute zu Grunde richten, sie wurden durch Gerichtshöfe<lb/> festgesetzt, welche mit deu Landeigentümern shmpalhisirtcn, und selbst wenn sie<lb/> zur Zeit ihrer Feststellung nach Billigkeit berechnet gewesen wären, so haben<lb/> seitdem schlechte Ernten und wohlfeile Einfuhr die Farmer so gedrückt, daß die<lb/> Zahlung von Pacht nicht nur aus moralischen Gründen unbillig, sondern<lb/> geradezu thatsächlich unmöglich geworden ist. Ein Mitglied des Unterhauses,<lb/> und zwar ein Protestant und ein Großpächter, berichtete, daß er drei Jahre von<lb/> seinem Kapital gezehrt habe, und daß die allgemeine Lage der kleinen Pächter<lb/> eine sehr bedenkliche sei. Vor der durch Gladstone geschaffnen Institution der<lb/> Gerichte zur Ordnung der Landverhältnisse waren die Pachter erhöht worden,<lb/> um der Verschuldung der Gutsherren zu begegnen, und die gesetzlichen Herab-<lb/> mindcrnngcn waren zwar im Vergleich mit dem, was bis zu thuen gezahlt<lb/> worden war, beträchtlich, aber trotzdem unzureichend.</p><lb/> <p xml:id="ID_620" next="#ID_621"> Alle diese Ansichten wurden neuerdings in einer Versammlung der jungern<lb/> irischen Untcrhausmitgliedcr vorgetragen und verhandelt. Interessant sind die<lb/> Meinungen, die man hier in Betreff der Fabrikthätigkeit und des Handels zu<lb/> hören bekam. Sie waren garnicht freihändlerisch. Die erste Obliegenheit eines<lb/> Parlaments, das zu Dublin in College Green tagte, würde, so bemerkte ein<lb/> Redner, darin bestehen, daß es Gewerbszweige forderte, welche jetzt angesichts<lb/> der billigen Waarencinfuhr von England her nicht gedeihen könnten. Mehrere<lb/> Mitglieder der Versammlung erklärten, sie wären zwar für den Freihandel wären,<lb/> aber nicht imstande, in diesem Verfahren eine wirtschaftliche Ketzerei zu erblicken,<lb/> da es wohl für eine gewisse Zeit das irische Volk nötigen würde, für seine Be¬<lb/> dürfnisse mehr zu zahlen als den bloßen Marktpreis, zuletzt aber mit allge¬<lb/> meinem Wohlbefinden endigen müßte. Es gebe viele Unternehmungen im Lande,<lb/> denen ans diesem Wege, durch Schutzzölle gegen England, geholfen werden<lb/> könne, und wenn daneben das Grundeigentum in die Hände eiues Volkes ge¬<lb/> bracht würde, welches in Amerika gezeigt habe, daß es fleißig arbeiten und<lb/> dabei wenig verthun könne, so würde sich, wie die neuen Vertreter Irlands<lb/> meinten, ihre jetzt weithin arme und darbende Insel allmählich in ein gelobtes<lb/> Land verwandeln. Die Frage, wo das zu solchen Reformen erforderliche Ka¬<lb/> pital zu finden sei, wo man das Geld hernehmen solle, die Landbesitzer für die<lb/> Aufgebung ihrer Pachtrechte zu entschädigen, entstehende Industriezweige zu<lb/> unterstiitzen, die Landwirtschaft wissenschaftlich und blühend zu machen und andre<lb/> Unternehmungen wünschenswerter Art zu fördern, scheint den neuen irischen<lb/> Parlamentariern ohne erhebliche Schwierigkeiten lösbar zu sein. Die Steuern<lb/> des Landes werden zur Deckung der betreffenden Bedürfnisse ausreichen, sagen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Homernle.
Keine agrarische Reform, so behaupten sie ferner, kann Nutzen bringen, wenn
sie die Pächter nicht in den Stand setzt, auf leichte und bequeme Weise Grund¬
besitzer zu werden, und wenn ihre Eigenschaft als Besitzer ihnen nicht durch ein
heimisches Parlament gesichert und gewahrt wird. Die gegenwärtigen Pacht-
summcn müssen die Leute zu Grunde richten, sie wurden durch Gerichtshöfe
festgesetzt, welche mit deu Landeigentümern shmpalhisirtcn, und selbst wenn sie
zur Zeit ihrer Feststellung nach Billigkeit berechnet gewesen wären, so haben
seitdem schlechte Ernten und wohlfeile Einfuhr die Farmer so gedrückt, daß die
Zahlung von Pacht nicht nur aus moralischen Gründen unbillig, sondern
geradezu thatsächlich unmöglich geworden ist. Ein Mitglied des Unterhauses,
und zwar ein Protestant und ein Großpächter, berichtete, daß er drei Jahre von
seinem Kapital gezehrt habe, und daß die allgemeine Lage der kleinen Pächter
eine sehr bedenkliche sei. Vor der durch Gladstone geschaffnen Institution der
Gerichte zur Ordnung der Landverhältnisse waren die Pachter erhöht worden,
um der Verschuldung der Gutsherren zu begegnen, und die gesetzlichen Herab-
mindcrnngcn waren zwar im Vergleich mit dem, was bis zu thuen gezahlt
worden war, beträchtlich, aber trotzdem unzureichend.
Alle diese Ansichten wurden neuerdings in einer Versammlung der jungern
irischen Untcrhausmitgliedcr vorgetragen und verhandelt. Interessant sind die
Meinungen, die man hier in Betreff der Fabrikthätigkeit und des Handels zu
hören bekam. Sie waren garnicht freihändlerisch. Die erste Obliegenheit eines
Parlaments, das zu Dublin in College Green tagte, würde, so bemerkte ein
Redner, darin bestehen, daß es Gewerbszweige forderte, welche jetzt angesichts
der billigen Waarencinfuhr von England her nicht gedeihen könnten. Mehrere
Mitglieder der Versammlung erklärten, sie wären zwar für den Freihandel wären,
aber nicht imstande, in diesem Verfahren eine wirtschaftliche Ketzerei zu erblicken,
da es wohl für eine gewisse Zeit das irische Volk nötigen würde, für seine Be¬
dürfnisse mehr zu zahlen als den bloßen Marktpreis, zuletzt aber mit allge¬
meinem Wohlbefinden endigen müßte. Es gebe viele Unternehmungen im Lande,
denen ans diesem Wege, durch Schutzzölle gegen England, geholfen werden
könne, und wenn daneben das Grundeigentum in die Hände eiues Volkes ge¬
bracht würde, welches in Amerika gezeigt habe, daß es fleißig arbeiten und
dabei wenig verthun könne, so würde sich, wie die neuen Vertreter Irlands
meinten, ihre jetzt weithin arme und darbende Insel allmählich in ein gelobtes
Land verwandeln. Die Frage, wo das zu solchen Reformen erforderliche Ka¬
pital zu finden sei, wo man das Geld hernehmen solle, die Landbesitzer für die
Aufgebung ihrer Pachtrechte zu entschädigen, entstehende Industriezweige zu
unterstiitzen, die Landwirtschaft wissenschaftlich und blühend zu machen und andre
Unternehmungen wünschenswerter Art zu fördern, scheint den neuen irischen
Parlamentariern ohne erhebliche Schwierigkeiten lösbar zu sein. Die Steuern
des Landes werden zur Deckung der betreffenden Bedürfnisse ausreichen, sagen
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